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22.03.19 / Wetterfeste Erinnerungen / Sühnekreuze sind unverwüstlich, nur Vandalismus bedroht sie

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-19 vom 22. März 2019

Wetterfeste Erinnerungen
Sühnekreuze sind unverwüstlich, nur Vandalismus bedroht sie
Wolfgang Kaufmann

Die in freier Natur aufgestellten Steinkreuze gehören ebenso zum christlich-abendländischen Erbe Europas wie ganze Kirchenbauten. Der Brauch ihrer Errichtung geht bis auf das 7. Jahrhundert zurück und verbreitete sich wohl von Irland und den britischen Inseln kommend über den ganzen Kontinent. Heute soll es in Europa noch rund 7000 Steinkreuze geben, 4000 davon in Deutschland. Besonders zahlreich sind sie in der Oberpfalz, Thüringen und Sachsen. In dem letztgenannten Freistaat erfassten die Heimatforscher inzwischen fast 450 solcher Zeugen der Vergangenheit.

Zuallermeist wurden die Kreuze als sogenannte „Seelgeräte“ für einen durch Mord, Totschlag, fahrlässige Tötung oder Unfall ums Leben Gekommenen errichtet. Sie sollten die Menschen zu Gebeten für das Seelenheil des plötzlich Dahingeschiedenen veranlassen, da dieser keine Sterbesakramente erhalten hatte. 

Wenn es einen haftbar zu machenden Verantwortlichen für den Tod des Betreffenden gab, so musste dieser das Kreuz auf seine Kosten aufstellen lassen – und zwar direkt am Ort des Geschehens und als Bestandteil der oft noch wesentlich umfangreicheren Sühneleistungen, welche in speziellen Schiedsverfahren von den Hinterbliebenen eingefordert wurden. Dabei trugen die „Seelgeräte“ keinen Namen oder andere persönliche Daten, sondern wiesen maximal Darstellungen der verwendeten Tötungswaffen auf.

Nach der Reformation erlosch der Glaube an die Heilswirkung der Kreuze, weshalb kaum noch Neue hinzukamen. Außerdem verfielen sie manchmal durch Naturgewalten wie Hochwasser und Blitzschlag. Sehr viel öfter trug aber der Mensch Schuld: Nicht wenige Kreuze verschwanden beim Anlegen von Straßen oder wurden einfach als willkommenes Baumaterial betrachtet und in Haus- und Scheunenwände eingemauert. 

Außerdem spielte der Aberglaube eine große Rolle. Von den „Seelgeräten“ abgeschabtes Ge­steinsmehl sollte heilende oder gar magische Kraft besitzen – genauso wie abgeschlagene und in fließendes Wasser geworfene Stücke der Kreuzarme. Später verschleppten auch Souvenir-Jäger beziehungsweise illegale Sammler das eine oder andere Kreuz. 

Und dann wären da noch die diversen Schäden durch Randalierer, deren Attacken sicher in nicht wenigen Fällen aus einer antichristlichen Gesinnung resultieren. Jedoch ist die Dunkelziffer hier besonders hoch, weil die Zeugen der Vergangenheit eben meist an einsamen Plätzen stehen, weswegen die Denkmalfrevler kaum je ertappt werden.

Einer Untersuchung des Pirnaer Heimatforschers Horst Torke zufolge ist inzwischen mindestens ein Drittel der einstmals aufgestellten Steinkreuze in der Sächsischen Schweiz und der Region rund um Dresden für immer verschwunden. Allerdings berück­sichtigt diese Statistik nur solche Objekte, von deren Existenz wir überhaupt durch Urkunden, Bilder und anderes Quellenmaterial wissen.