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22.03.19 / Überraschender Sonderfall

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-19 vom 22. März 2019

Überraschender Sonderfall
Rolf Stolz

Große und wichtige Bücher kommen oft von unvermuteter Seite. Dass ein Linker, noch dazu ein Mitglied der unter dem anmaßenden Alleinvertretungsnamen „Die Linke“ daherkommenden Ex-PDS, die Sache eines selbstbewussten Deutschlands als Friedensmacht vertritt, die historischen Schuldkonten ohne Einseitigkeit umfassend ausrechnet, dass ein Nicht-Historiker als Philosoph und Theologe in einem als rechtskonservativ verschrienen Verlag eine wissenschaftlich fundierte Untersuchung sowohl zum Judentum wie zu dessen wichtigstem Antagonisten im 20. Jahrhundert, dem Nationalsozialismus, vorlegt und dass dieser Drahtseilakt in dem Buch „Für ein Ende der Halbwahrheiten“ gelingt, ist ein überraschender Sonderfall. 

Edelbert Richter, Jahrgang 1943, in der DDR ab 1977 in der Oppositionsbewegung aktiv, Mitbegründer des „Demokratischen Aufbruchs“, ab 1990 Mitglied der SPD, seit 2007 der „Linken“, mehrfach Abgeordneter (1990 Volkskammer, 1991 bis 1994 Europäisches Parlament, 1994 bis 2002 Deutscher Bundestag), geht es um die Suche nach vorurteilsfreier Einsicht in die Ursachen. Ihm fehlt die dumpfe Etikettiersucht jener Parteifreunde, in deren Augen er längst ein nationalistisches Element ist.

Kaum jemand wird wegen Kritik an Adolf Hitler als Österreich-Hasser verbellt. Nicht ganz so selten, aber genauso absurd ist es, wenn die Anprangerung eines jüdischen Wirtschaftsspekulanten wie 

George Soros als „Antisemitismus“ abgestempelt wird. Schon deshalb ist dieses Buch eine mutige Tat, denn es wagt sich in vermintes Gelände, wenn es das geschichtliche Wirken bestimmter jüdischer Politiker und Organisationen nicht als per se ideal und korrekt darstellt.

Denn, wie Franz Loeser, Sohn im Holocaust ermordeter Eltern, kühl konstatierte: „Es gab und es gibt eben auch jüdische Verbrecher. Jene Zentralräte, die dies abstreiten, singen mit im schrillen Chor der Deutschland-Hasser. Kollektivschuld, Alleinschuld am Ersten wie am Zweiten Weltkrieg, Segnung des alliierten Feuersturms gegen deutsche Städte – das ist ihre monotone grausliche Melodie.“

Zur ganzen Wahrheit gehören für den Autor nicht zuletzt die unwillkommenen, unangenehmen Fakten der Geschichte – der amerikanische Rassismus und Antisemitismus (unter anderem Henry Fords), die teilweise unumgängliche brutale Selbstbehauptung des historischen Judentums (im ersten Teil des Buches unter dem Titel „Ein nüchterner Blick auf die jüdische Geschichte“ bilanziert), die zahlreichen Väter der Rassenideologie (unter ihnen der jüdischstämmige englische Premier Disraeli), der nach über 100 Jahren Dreiteilung verständliche, aber dennoch verheerende polnische Chauvinismus und Großmachtswahn der Zwischenkriegszeit. 

Während die von deutscher Seite geschehenen Verbrechen überall auf der Welt eingehend öffentlich dokumentiert werden, verbreitet man – zum Teil wie in Polen sogar gesetzlich sanktioniert – über die Sieger die Legenden der Nachkriegs­umerziehung. Dagegen setzt Richter zahlreiche bittere Einsichten: die militärisch-politische Bedrohung Deutschlands von Napoleon bis zum Kalten Krieg, die Hauptschuld Englands und Frankreichs am Ersten und ihre Mitschuld am Zweiten Weltkrieg, den Raubfrieden von Versailles als wichtigsten Faktor für den Aufstieg Hitlers. Ein fundiertes, unbedingt lesenswertes Buch. Lohnend für den Konservativen zur Erweiterung des eigenen Horizontes, lohnend erst recht für Liberale und 08/15-Linke, die sich aus den Eierschalen ihrer Selbsthassvorurteile befreien wollen, lohnend aber auch für jüdische Leser, welche die bittere Medizin der Kritik zu schätzen wissen, die Israel seit den Tagen der Erzväter und Propheten stets mehr geholfen hat als alle verlogenen Komplimente zusammen.

Edelbert Richter: „Für ein Ende der Halbwahrheiten. Korrekturen an unserem Bild vom Judentum und Nationalsozialismus“, Edition Sonderwege, Manuscriptum Verlagsbuchhandlung, Lüdinghausen und Berlin 2018, broschiert, 448 Seiten, 24,80 Euro