27.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
22.03.19 / Der Historiker Antony Beevor über Hitlers letzte Schlacht im Westen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-19 vom 22. März 2019

Der Historiker Antony Beevor über Hitlers letzte Schlacht im Westen
F.-W. Schlomann

Antony Beevor ist einer der renommiertesten Historiker für Militärgeschichte, seine Bücher über Stalingrad und Berlin 1945 erreichten Höchstauflagen. Auch das jetzige über die „Ardennenoffensive 1944“ zeichnet ein ebenso präzises und faktenreiches wie umfassendes Bild von „Hitlers letzter Schlacht im Westen“. 

Am 11. September betraten US-Truppen erstmals deutschen Boden. Tage später beschloss Hitler einen Gegenangriff aus den Ardennen. Ziel war, während der Schlechtwetterperiode die Eroberung des wichtigen Nachschubhafens Antwerpen. „Schwerste Bedenken“ des Oberkommandos Heeresführung blieben ohne Wirkung. Nach dem Fall von Aachen kam es zu einer für beide Seiten äußerst verlustreichen Zermürbungsschlacht am Hürtenwald. Am 16. Dezember, um 5.20 Uhr, begann das deutsche Artilleriefeuer auf die überraschten US-Truppen, die lange nicht das Ausmaß der Offensive erkannten. Die Amerikaner erlitten schwere Verluste, kämpften erbittert, was nach Ansicht ihrer Generäle „wohl der wichtigste Beitrag“ war. Mehr und mehr wurde der äußerst brutale Charakter dieses Krieges offenbar: Dem Verfasser zufolge begann die SS, US-Gefangene zu erschießen. Vor Weih­nachten töteten die US-Verbände nicht nur Gefangene von SS, sondern auch Wehrmachtssoldaten. 

Entscheidend wurden die Kämpfe um das belgische Drehkreuz Bastogne. Wehrmachts-Einheiten forderten die eingekesselten US-Streitkräfte zur Kapitulation auf, andernfalls würden sie durch Artilleriefeuer vernichtet. Der US-General lehnte ab, obwohl seine Truppen bei 17 Grad Celsius Kälte an Erfrierungen sowie an Lebensmittelknappheit litten, doch bei den deutschen Soldaten war diese noch größer.  

Bei diesen Gefechten befand sich auf US-Seite der 21-jährige Henry Kissinger, ein deutscher Jude aus Fürth, der später bekannte Politiker der USA. Am ersten Weih­nachtstag standen Wehrmachts-Verbände 900 Meter vom Stadtrand Bastognes entfernt. Generalfeldmarschall Rundstedt teilte Hitler mit, die Offensive sei gescheitert und empfahl den Rückzug. Dieser hingegen befahl weiteren Angriff. Doch die Deutschen mussten aufgeben: Treibstoffmangel, zu wenig Munition, Nachschubprobleme und besonders die US-Lufthoheit waren die Ursachen. 

Das Buch schildert das unsagbare Leiden und die Verluste der zwischen den Fronten lebenden belgischen Zivilbevölkerung. Im Führerhauptquartier erklärte Göring, der Krieg sei verloren. Zugleich verstärkten sich die Differenzen zwischen der Wehrmacht und der SS, die Vorfahrtsrechte auf den Straßen beanspruchte und die bessere Waffen besaß. Ähnlich wollte der britische General Montgomery das Oberkommando über die gesamte Front und US-General Eisenhower verdrängen – die Folge war eine „unüberbrückbare Kluft“ zwischen beiden. 

Bei einer Temperatur von minus 20 Grad griffen am Neujahrstag etwa 1000 deutsche Flugzeuge in die Kämpfe ein. Energisch wandte sich General de Gaulle gegen einen Rückzug aus Straßburg. US-General Patton sah die Lage deprimierend: „Wir können den Krieg noch verlieren, die Deutschen frieren und hungern mehr als wir, aber sie kämpfen besser.“ Dennoch muss-ten diese Mitte Januar mit dem Rückzug beginnen. Hitler hatte die Ardennenschlacht in seiner Neujahrsansprache nicht mehr erwähnt. Dem Autor Beevor zufolge hatte er nicht mit der entschlossenen Gegenwehr der US-Armee gerechnet. 

Die erschreckende Bilanz? Die deutschen Verluste beliefen sich auf etwa 80000 Gefallene, Verwundete und Vermisste. Die Amerikaner hatten 75482 Verluste, davon 8407 Tote. Die Briten verloren 1408 Soldaten, darunter 200 Tote. Die belgische Zivilbevölkerung beklagte bei diesen Kämpfen 2500 Tote. Deutsche V-Raketen verursachten das Sterben von weiteren 8000 Personen und 23584 Verwundete. Abschließend vertritt der Autor die Ansicht: „Vielleicht bestand der größte Fehler der Deutschen darin, die Soldaten einer Armee zu unterschätzen, die sie zu verachten vorgaben.“

Antony Beevor: „Die Ardennen-Offensive 1944“, Pantheon-Verlag, München 2018, gebunden, 480 Seiten, 17 Euro