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29.03.19 / Venezuela ist nur ein Beispiel / Wie sich die USA mit ihren Sanktionen selber schaden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-19 vom 29. März 2019

Venezuela ist nur ein Beispiel
Wie sich die USA mit ihren Sanktionen selber schaden
Florian Stumfall

Sanktionen gehören mittlerweile zu dem unverzichtbaren Instrumentarium der US-Außenpolitik. Sie sollen einen missliebigen Staat wirtschaftlich schaden, damit er politisch gefügig wird. Doch Sanktionen schaden nicht nur dem Sanktionierten. Ein anschauliches Beispiel hierfür sind die US-Sanktionen gegen Venezuela.

Wie die renommierte US-Zeitung „Wall Street Journal“ berichtet, sind die Erdölexporte Venezuelas in die USA im abgelaufenen Februar von zuvor 484000 Barrel pro Tag auf 149000 zurückgegangen. Gleichzeitig hat Venezuela seine Lieferungen an Indien und die EU in entsprechendem Maße gesteigert. Allein die Exporte nach Großbritannien sind um 11000 Barrel pro Tag gestiegen.

Des einen Export ist des anderen Import. Die USA, und das ist die andere Seite der Medaille, müssen das Öl, das bislang Venezuela geliefert hat, von anderen Anbietern beziehen. Schon Ende Januar bekannte der Chef der Valery Energy Group, Gary Simons: „Es haben sich große Lücken bei der Produktion für die nächsten Monate gebildet, weil wir aus Venezuela nichts bekommen.“

Die Valery Energy Group ist nur ein Beispiel, so wie ihr geht es auch anderen Erdölgiganten wie Citgo Petroleum oder Chevron. Diese Firmen brauchen insbesondere schwefelhaltiges Öl, wie die Internationale Energieagentur (IEA) vor Kurzem feststellte. Den Raffinerien am Golf von Mexiko und an der US-Ostküste, die speziell zur Verarbeitung dieses schwefelhaltigen Öls gebaut wurden, droht unter diesen Umständen das Aus.

Da weder die politische noch die ökonomische Führung in den USA das zulassen kann, sucht man nach Ersatz, egal, was er kostet. Und hier wird das Sanktionen-Karussell der USA endgültig zum Aberwitz. Zwar könnte Saudi-Arabien schwefelhaltiges Öl liefern, doch Riad hat schon erklärt, man werde nicht die Förderung wegen der US-Sanktionen gegen Venezuela erhöhen. Also muss Russland einspringen.

Zwar ist das Land in den USA verfemt und ebenso mit Sanktionen belegt, aber die Stunde der Not lehrt, über Zwangsmaßnahmen neu nachzudenken. „Unter den Bedingungen des Rohstoffmangels treten die politischen Probleme in den Hintergrund, der wichtigste Faktor sind die notwendigen Eigenschaften der Ölsorte, nämlich die Dichte und der Schwefelgehalt“, erklärte der Direktor der russischen Stiftung für Energieentwicklung, Sergeij Pikin.
Das Ergebnis: Die USA kaufen in Russland Öl in solchen Mengen, wie es seit dem Boom der Frackingförderung in den Jahren 2011 und 2012 nicht mehr nötig gewesen ist. Das Magazin „Forbes“ bezifferte kürzlich die Ausgaben der USA für russisches Öl auf Milliarden: „Bei einem Durchschnittspreis von 50 Dollar gaben die USA im Jahr 2017 etwa sieben Milliarden Dollar für russisches Öl aus.“ Das waren etwas über zehn Millionen Barrel pro Tag.

Dieses Geschäft kommt die USA teuer, weil der Preis für das gewünschte Öl steigt. Das liegt nicht nur an Russland oder Saudi-Arabien, sondern, um die Groteske abzurunden, an den Sanktionen der USA gegen den Iran. Alexeij Gromow vom russischen Institut für Energie und Finanzen: „Der Effekt der Sanktionen gegen Venezuela und den Iran sind für US-Raffinerien ziemlich spürbar – sie müssen nun russisches Öl mit einem bedeutenden Preisaufschlag kaufen, weil auf dem Markt ein kurzfristiger Mangel zu erkennen ist.“ Hätten die USA den Iran nicht vom Markt verdrängt, kämen sie jetzt günstiger zu ihrem Öl.

Eine Normalisierung auf dem Markt für schwefelhaltiges Erdöl könnte einige Monate in Anspruch nehmen. Das aber setzt voraus, dass sich die USA gegenüber Venezuela nicht auf ein militärisches Abenteuer einlassen, das den venezolanischen Ölexport völlig zusammenbrechen ließe. Der Energieexperte Gromow: „Im Ergebnis ist ein starker kumulativer Effekt möglich – wenn zum iranischen Problem noch das venezolanische hinzukommt, wird das Risiko eines starken Preisanstiegs entstehen.“ Eines Preisanstiegs auf Dauer, dessen Nutznießer in erster Linie Russland wäre.

Das Beispiel lässt an der Sinnhaftigkeit von Sanktionen grundsätzlich zweifeln. Im günstigen Falle sind sie wirkungslos, so wie im Verhältnis zwischen Deutschland und Russland. Im vergangenen Jahr ist das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern im Vergleich zum Jahr 2017 um rund 8,4 Prozent gestiegen. „Die deutsche Wirtschaft hat ihre Exporte nach Russland weiter erhöht – trotz immer noch schwacher Konjunktur, Sanktionen und Gegensanktionen. Das stimmt auch für das Jahr 2019 positiv“, erklärt der Vorstandsvorsitzende der Außenhandelskammer Russland, Matthias Schepp. Das verhält sich nicht nur im Falle Deutschlands so. Das russische Zollamt gab bekannt, dass der Handelsumsatz mit den Ländern, die für Sanktionen gegen Russland eintreten, deutlich gestiegen ist.

Naheliegender Weise hat sich der russische Handel mit den Ländern besonders positiv entwickelt, auf welche die USA neben Russland bevorzugt Druck ausüben. Russlands Handel mit der Türkei nahm um 15 Prozent zu, Russlands Import aus dem Iran um 36 Prozent, und der russische Kubahandel hat um ein Drittel zugelegt. Spitzenreiter ist China. Im vergangenen Jahr verzeichnete Russland ein Wachstum beim bilateralen Handel um 30 Prozent. „Russland hat einen positiven Saldo mit China in Höhe von 11,1 Milliarden Dollar“, stellte der US-amerikanische Analyst Tom Luongo fest. Und das alles völlig ohne Sanktionen.