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29.03.19 / »Ich kapituliere« / Die beiden Vordenker des »Euro-Islam« sitzen zwischen allen Stühlen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-19 vom 29. März 2019

»Ich kapituliere«
Die beiden Vordenker des »Euro-Islam« sitzen zwischen allen Stühlen
Wolfgang Kaufmann

Wenn Kritiker des Islam schlüssig nachweisen, dass diese Religion mit fundamentalen Prinzipien der westlichen Werteordnung kollidiert, wird zur Beruhigung oft auf den angeblich im Entstehen begriffenen liberalen „Euro-Islam“ verwiesen. Hierbei handelt es sich allerdings um eine reine Fata Morgana.

„Hurra, bald bekommen wir einen Euro-Islam!“, jubelte Thomas Speckmann vor knapp zehn Jahren in der Tageszeitung „Die Welt“.  Damit verwendete der damalige Referent in der Staatskanzlei des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) einen Begriff, den der aus Syrien stammende und seit 1973 in Göttingen lehrende Politikwissenschaftler Bassam Tibi bereits 1991 geprägt hatte. Tibi, der 2009 schließlich auch ein Buch über den „Euro-Islam“ vorlegte, betrachtete diesen als Möglichkeit, die muslimische Religion mit der modernen europäischen Identität in Einklang zu bringen: Er sollte praktisch die demokratische und weitgehend säkulare Alternative zum traditionellen, arabisch verwurzelten Islam sein. Dazu, so Tibi, müssten die Muslime die Grundwerte des Abendlandes übernehmen und sich beispielsweise von der archaischen Rechtsordnung der Scharia sowie dem Konzept des „Heiligen Krieges“ gegen die „Ungläubigen“ verabschieden. Außerdem hätten sie die Trennung von Staat und Religion zu akzeptieren.

Das lief auf die Forderung nach weitgehender Assimilation hinaus, die nicht nur konservative Muslime auf die Barrikaden trieb, sondern auch einen weiteren Vordenker des Reform-Islam namens Tariq Ramadan. Der in der Schweiz lebende Islamwissenschaftler ägyptischer Herkunft zeichnete ein deutlich anderes Bild vom „Euro-Islam“, das mehr Rücksicht auf die Befindlichkeit der Gläubigen nimmt. In seinem Buch „Muslimsein in Europa“ verlangt er lediglich die Partizipation am Leben auf unserem Kontinent, den er als Dar asch-Schahada (Gebiet des Glaubenszeugnisses) bezeichnet. Damit will Ramadan den traditionellen Gegensatz zwischen dem Dar al-Islam (Haus des Islam), der muslimischen Welt, und dem Dar al-Harb (Haus des Krieges), der Heimat der „Ungläubigen“, aufheben und den „Heiligen Krieg“ für obsolet erklären.
Allerdings stellt er dabei diverse Bedingungen an den Westen, ohne deren Erfüllung keine Einstufung als Dar asch-Schahada erfolgen könne. Insbesondere müss­ten die europäischen Staaten die ungehinderte Entfaltung des Islam auf ihrem Territorium ermöglichen, wenn nicht gar unterstützen. Des Weiteren lehnt der selbsternannte „Reform-Salafist“ im Gegensatz zu Tibi die Scharia nicht grundsätzlich ab, sondern tritt nur für „Moratorien“ bei Strafen wie Steinigungen oder Amputationen ein.

Das verschaffte Ramadan einigen Zuspruch seitens der in Europa lebenden Muslime, erlaubte sein Konzept des „Euro-Islam“ doch eine sehr viel umfassendere Erhaltung der islamischen Identität außerhalb des Dar al-Islam. Andererseits wurde er aber von konservativen Glaubensbrüdern oft genauso heftig kritisiert wie Tibi. Letztendlich sitzen damit nun beide Vordenker des „Euro-Islam“ zwischen allen Stühlen: Für die Muslime sind sie Renegaten und für Nichtmuslime entweder nicht repräsentativ, was die islamische Glaubenslehre betrifft, oder – das betrifft vor allem Ramadan – verkappte Fundamentalisten. Deshalb meinte Tibi vor einiger Zeit entnervt: „Ich kapituliere. Den Euro-Islam wird es nicht geben.“   



Zeitzeugen

Tariq Ramadan – Nach Bassam Tibi machte sich vor allem auch der Enkel von Hassan al-Banna, dem Begründer der ägyptischen Muslimbrüderschaft, und Sohn von Said Ramadan, einem weiteren führenden Muslimbruder, für den „Euro-Islam“ stark. Seine Professur für Islamwissenschaften an der Universität Oxford ruht derzeit aufgrund diverser Vorwürfe beziehungsweise laufender Gerichtsverfahren wegen sexueller Belästigung, Missbrauchs von Minderjährigen und Vergewaltigung.



Nadeem Elyas – In seiner Eigenschaft als früherer Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland äußerte sich der saudi-arabische Mediziner ablehnend über das Konzept des „Euro-Islam“: Das irritiere die Muslime, weil es letztlich auf einen Verlust elementarer Glaubensinhalte hinauslaufe, zudem würden hier auch zahlreiche Nicht-Muslime definieren wollen, was der „richtige“ Islam sei.



Gilles Kepel – Für den Sozialwissenschaftler und Professor am Institut d’études politiques de Paris stand vor zehn Jahren fest, dass die Integration von Muslimen und die Entstehung eines „Euro-Islam“ nicht mehr lange auf sich warten lassen würden. Inzwischen spricht er freilich nur noch vom „Islam de France“ (Französischen Islam), dessen Hauptmerkmal darin liege, dass er den Ideen der Republik ablehnend oder gar feindlich gegenüberstehe.



Khan Abdul Ghaffar Khan alias Badshah Khan – Als Sohn eines paschtunischen Stammesführers übte der Kopf der Bewegung Khudai Khidmatgar (Diener Gottes) ganz ähnlich wie Mahatma Gandhi gewaltlosen Widerstand gegen die britischen Kolonialherrn in Indien aus. Er strebte einen Islam an, der mit anderen Religionen in friedlicher Koexistenz besteht, was ihn auch zum Vorbild für liberale Muslime in Europa gemacht hat.



Carl Heinrich Becker – Der renommierte deutsche Orientalist, der von 1925 bis 1930 als parteiloser preußischer Kultusminister fungierte, schrieb bereits 1909 in seinem Aufsatz „Vom afrikanischen Islam“, dass eine „Europäisierung des Islam“ notwendig sei, weil diese Religion sonst zur Gefahr für die westliche Zivilisation werde.