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29.03.19 / Vom Dialog des Tauben / »Ich rede jetzt!« – Was Macron unter einem »Bürgerdialog« versteht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-19 vom 29. März 2019

Vom Dialog des Tauben
»Ich rede jetzt!« – Was Macron unter einem »Bürgerdialog« versteht
Eva-Maria Michels

Am 15. März endete offiziell die Befragungsphase der „Großen Nationalen Debatte“, wie der Bürgerdialog offiziell heißt, den Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Dezember als Antwort auf die Gelbwesten-Proteste ins Leben rief. Von der Regierung wird sie als Erfolg gefeiert. 1,4 Millionen Diskussionsbeiträge wurden in zwei Monaten registriert.
Doch die Gelbwesten boykottierten die Bürgerbefragung. Für sie und die Opposition handelte es sich von Anfang an nicht um eine Debatte, sondern um eine macronistische Wahlkampfveranstaltung auf Steuerzahlers Kosten, denn sowohl die Themenbereiche, über die debattiert werden durfte, als auch die möglichen Antworten zum Ankreuzen waren von der Regierung vorgegeben. Die Forderung der Gelbwesten nach Einführung eines Bürgerbegehrens war dagegen genauso ausgeschlossen wie das extrem wichtige Thema „Einwanderung“.
Schon der Beginn des Dialogs war kafkaesk: Am 15. Januar „debattierte“ Macron erstmals mit 653 handverlesenen Bürgermeistern aus der Normandie in Grand Bourgtheroulde. Einige im Voraus ausgewählte Fragen wurden gestellt, und Macron monologisierte während sechs Stunden.

Der kleine Ort verwandelte sich während seines Aufenthalts in eine Festung: Alle Geschäfte und öffentlichen Einrichtungen waren geschlossen, die Sicherheitskräfte riegelten alle Zufahrtsstraßen hermetisch ab. Hunderte von Gendarmen sorgten dafür, dass Macron auf seiner Reise keine gelbe Warnweste zu sehen bekam. Wer sie trug, musste sie entweder sofort ausziehen oder bekam eine Strafe von 135 Euro aufgebrummt.

Der Austausch mit den Bürgern gestaltete sich eher schwierig: Viele Anwesende stellten ihre Forderungen sehr direkt und wenig diplomatisch, und der Präsident wies die Bürger mehrfach scharf zurecht mit Worten wie: „Ich rede jetzt!“ oder „Sie sollten aufpassen, was Sie sagen. Sie haben nicht das Recht zu sagen, was Sie wollen. Das, was Sie sagen, ist schlichtweg falsch!“
Hier und in den folgenden Bürgerversammlungen monologisierte Macron unendlich, mit der Folge, dass das Interesse der Franzosen, diese Debatten im Fernsehen live zu verfolgen, so rapide sank, dass auf eine Übertragung verzichtet wurde. Jetzt sollen regionale Bürgerversammlungen aufgrund der angekreuzten Antworten während eines Wochen­endes konkrete Vorschläge für die Regierung erarbeiten. Diese sucht dafür 75000 Freiwillige. Bisher lehnten neun von zehn Franzosen die Einladung dazu ab, obwohl Anreise und Hotelaufenthalt auf Kosten des Steuerzahlers gehen.

Am 18. März lud Macron 65 Intellektuelle in den Elysée Palast, um mit ihnen zu „debattieren“. Dominique Méda, eine linke Soziologin, bekannte im Anschluss daran in der linken Zeitung „Libération“, dass nach den Bürgermeistern und den Bürgern auch die Intellektuellen in Macrons Debattenfalle getappt seien. Eine echte Debatte finde gar nicht statt:
„Als ich ihn (Macron) beobachtete, während er acht Stunden lang sprach – dabei hörte er zwar unsere Fragen und beantwortete sie auch – verstand ich plötzlich, wofür wir da waren. Wie die Bürgermeister zuvor waren wir die Wand, gegen die der Präsident seine Bälle schleudert, während er sich an der Stärke seiner Mus­keln und der Präzision seiner eigenen Gesten, das heißt seiner eigenen Ausdruckskraft, seines hundertmal gefühlten Ichs, erfreut. Wir waren da, um ihm diese Genugtuung zu geben.“

Diese Egomanie des Präsidenten ist verantwortlich dafür, dass Frankreich immer stärker in eine Gewaltspirale gerät. Und so wird die Geschichte ihren Lauf nehmen.