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29.03.19 / Ein Freund Preußens an Bayerns Regierungsspitze / Der nationalliberale Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst wurde am Ende noch Reichskanzler

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-19 vom 29. März 2019

Ein Freund Preußens an Bayerns Regierungsspitze
Der nationalliberale Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst wurde am Ende noch Reichskanzler
Manuel Ruoff

Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst, der dritte deutsche Reichskanzler nach Otto von Bismarck und Leo von Caprivi, war wie sein Vater, Fürst Franz-Joseph zu Hohenlohe-Schillingsfürst, katholisch getauft, hatte aber mit Prinzessin Konstanze zu Hohenlohe-Langenburg eine protestantische Mutter. Möglicherweise erklärt das Hohenlohe-Schillingsfürsts für einen Katholiken recht distanzierte Haltung zur katholischen Kirche, sein liberales Denken bezüglich des Verhältnisses von Kirche und Staat. Aber auch in anderen Fragen dachte Hohenlohe-Schillingsfürst liberal. König Albert von Sachsen charakterisierte ihn als Nationalliberalen. In der Tat dachte Hohenlohe-Schillingsfürst nicht nur liberal, sondern auch national. Wie Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein stammte auch Hohenlohe-Schillingsfürst aus einst reichsunmittelbarem, mediatisiertem Adel. Wie dieser dachte er gesamtdeutsch. Wie dieser stellte er sich in den Dienst Preußens. Und wie dieser hoffte er auf eine Einigung Deutschlands unter maßgeblicher Beteiligung Preußens.

Der vor 200 Jahren, am 31. März 1819, in Rotenburg an der Fulda geborene Spross einer fränkischen Familie besuchte in Ansbach und Erfurt das Gymnasium, studierte in Göttingen, Bonn, Lausanne und Heidelberg Rechtswissenschaften und verlor 1841 seinen Vater. Einem Erbvertrag entsprechend übernahm er die Herrschaft Corvey. In Bonn beendete er sein Studium. In Koblenz setzte er seine Ausbildung als Auskultator (Zuhörer) bei Gericht fort. Corvey, Bonn und Koblenz lagen damals in Preußen. Das Königreich war nun sein Lebensmittelpunkt. Nach dem Bestehen auch der zweiten juristischen Prüfung wechselte er als Referendar aus der Provinz nach Potsdam.

1845 starb jedoch sein Bruder Philipp Ernst. Das väterliche Erbe wurde neu verteilt. Statt Corvey erhielt Hohenlohe-Schillingsfürst nun das väterliche Stammhaus Schillingsfürst. Das war verbunden mit einem Umzug nach Bayern und dem Ausscheiden aus dem Staatsdienst von Preußen, dem er jedoch auch in seiner neuen Heimat verbunden blieb.

In der 1848 ausbrechenden Revolution sah Hohenlohe-Schillingsfürst eine Chance zur Erringung eines deutschen Nationalstaates. Der Hochadelige stellte sich in den Dienst der provisorischen Regierung in Frankfurt und vertrat sie als Diplomat in Athen, Rom, Florenz und London.

Nach dem Scheitern setzte Hohenlohe-Schillingsfürst auf eine kleindeutsche Einigung durch Preußen. Als Herr über das Majorat Schillingsfürst war Hohenlohe-Schillingsfürst zum erblichen Mitglied in der bayerischen Kammer der Reichsräte, der Ersten Kammer des Landtags, geworden. Mit seiner preußenfreundlichen und kirchenkritischen Einstellung befand er sich dort klar in der Opposition. In der sogenannten Reaktionszeit wurden die Geschicke Bayerns eher von Männern wie Ludwig von der Pfordten bestimmt. Erst als dessen Regierungsführung in die Niederlage gegen Preußen im Deutschen Krieg gemündet hatte, schlug die Stunde von preußenfreundlichen Politikern wie Hohenlohe-Schillingsfürst, der am 31. Dezember 1966 Pfordten als Ministerpräsident ablöste.

Eine Annäherung an die norddeutsche Großmacht und dem unter deren Führung entstandenen Norddeutschen Bund bildete insbesondere auf bündnispolitischem, militärischem und zollpolitischem Gebiet einen der Schwerpunkte der Amtszeit Hohenlohe-Schillingsfürsts. Einen anderen bildete die Stärkung der Stellung des Staates gegenüber der Kirche. Er setzte sich für ein liberales Schulgesetz und gegen das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes ein. Mehr noch damit als mit seiner Außenpolitik machte sich der Liberale die Ultramontanen zu erbitterten Gegnern. Nach einem Misstrauensvotum beider Landtagskammern trat er am 18. Februar 1870 zurück.

Dem Eintritt Bayerns in den Deutsch-Französischen Krieg an der Seite Preußens und der Gründung des Deutschen Reiches unter Einschluss Bayerns stand Hohenlohe-Schillingsfürst naheliegenderweise positiv gegenüber. Ebenso nachvollziehbar ist es, dass er sich anschließend in den Reichstag dieses neuen deutschen Nationalstaates wählen ließ. Dort übernahm er die Führung der Fraktion der Liberalen Reichspartei. Nach dem Auseinanderbrechen dieser rechtsliberal-linkskonservativen Honoratiorenpartei im Jahre 1874 schloss sich Hohenlohe-Schillingsfürst den Freikonservativen an. Wie die Liberale Reichspartei stand auch er auf der Seite Otto von Bismarcks im Kulturkampf.

Doch nicht nur der Legislative, auch der Exekutive des Reiches stellte sich Hohenlohe-Schillingsfürst zur Verfügung. 1874 übernahm er den Botschafterposten in Paris. Dort bemühte sich der harmonieliebende Aristokrat, mit Vorsicht, Takt und Geduld das durch den nur wenige Jahre zurückliegenden Deutsch-Französischen Krieg belastete bilaterale Verhältnis zu verbessern.

Im Thema drin, wechselte er 1885 auf den Statthalterposten in Elsass-Lothringen, das Frankreich nach dem verlorenen Krieg von 1870/71 hatte abtreten müssen. Im Umgang mit preußenkritischen Elsass-Lothringern setzte er auch hier auf Ausgleich und Verständigung. Der Erfolg war jedoch begrenzt. Bei den nächsten Reichstagswahlen von 1887 setzten sich in Elsass-Lothringen nur oppositionelle Kandidaten durch. Hohenlohe-Schillingsfürst wich daraufhin von seiner Ausgleichspolitik ab und gab verstärkt Druck aus Berlin nach. Doch auch diese Kurskorrektur ließ den gewünschten Erfolg vermissen.

Nichtsdestotrotz hatte die bemerkenswerte Karriere des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst noch nicht ihren formellen Höhepunkte erreicht. 1874 wurde Hohenlohe-Schillingsfürst Reichskanzler und wie damals üblich auch preußischer Ministerpräsident.
Die Ernennung kam vielleicht zu diesem späten Zeitpunkt, aber nicht grundsätzlich überraschend. Hohenlohe-Schillingsfürst galt schon länger als ministrabel. Vor seiner Ernennung zum Botschafter in Paris 1874 war ihm bereits inoffiziell angeboten worden, den erkrankten Reichskanzler zu vertreten. Er hatte abgelehnt. Sechs Jahre später ließ er sich nach langem Zögern überreden, wenigstens für kurze Zeit die Geschäftsführung des Auswärtigen Amtes als interimistischer Staatssekretär zu übernehmen. Auch dem Ruf an die Spitze der deutschen und preußischen Regierungen folgte er nur widerwillig. Der Eitelkeit des Fürsten war durch seinen Stand, der ihn mit Stolz erfüllte, genüge getan, er brauchte keine politischen Ämter für sein Ego.

Bei seinem Amtsantritt war der erste katholische Reichskanzler und preußische Ministerpräsident bereits 75 Jahre alt, und er wusste zumindest teilweise um seine Schwächen. Biografen charakterisieren den ruhigen Altliberalen als eine blasse, zaudernde, nachgiebige, unentschlossene, wankelmütige Person von passiver Natur, der es an Tatkraft wie Durchsetzungsvermögen mangele. Andererseits war ein solcher Kanzler und Ministerpräsident nicht unbequem für einen Kaiser und König, der ein „persönliches Regiment“ führen, der selber regieren wollte. Diese personelle Kombination und Konstellation an der Spitze von Preußen und Reich macht es nicht leicht, die Handschrift Hohenlohe-Schilligsfürsts in seiner Kanzlerzeit zu erkennen.

Hohenlohe-Schillingsfürst leistete denn auch keinen Widerstand, als bereits frühzeitig sein Nachfolger aufgebaut wurde. 1897 musste sein engster Mitarbeiter,   Adolf Marschall von Bieberstein, als Staatssekretär des Auswärtigen Amts Platz machen für den neuen Hoffnungsträger des Kaisers, Bernhard von Bülow. Unter Protest zurückzutreten war nicht Hohenlohe-Schillingsfürsts Art. Er blieb auf seinem Posten bis kurz vor seinem Tod. Aus Altersgründen trat er am 17. Oktober 1900 zurück. Am 6. Juli des Folgejahres starb er in Bad Ragaz in der Schweiz.