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29.03.19 / Teil eins hält, was er verspricht / »Ostpreußen und seine Verkehrswege« von Gerhard Greß und Jörg Petzold ist erschienen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-19 vom 29. März 2019

Teil eins hält, was er verspricht
»Ostpreußen und seine Verkehrswege« von Gerhard Greß und Jörg Petzold ist erschienen
Rainer Claaßen

Wer sich bisher für die ostdeutsche Verkehrsgeschichte interessierte, war auf die ausgezeichneten Bücher aus dem Bufe-Verlag angewiesen, die in den 80er Jahren mit ihren alten Aufnahmen aus Ost- und Westpreußen eine echte Sensation darstellten. Sie stammten ausnahmslos aus den Archiven der Heimatkreisgemeinschaften und einigen wenigen Privatsammlungen, ferner aus historischen Ausgaben des „Reichsbahnkalenders“ und dem Erbe des großen Carl Bellingrodt. Zudem hatte Autor und Verleger Siegfried Bufe bei mehreren Reisen noch zur kommunistischen Zeit trotz strengen Verbotes einige schöne Aufnahmen machen können, die den Zustand der Bahnen in den 50er, 60er und 70er Jahren dokumentierten.

Seit den 90er Jahren haben sich gute und freundschaftliche Kontakte zwischen Deutschen und Polen, Russen und Litauern ergeben – die Landsmannschaften können mehr als nur ein Lied davon singen. Dabei kamen auch Verbindungen zu städtischen und staatlichen Archiven und Museen zustande, und überall tauchten historische Eisenbahn-, aber auch Omnibus-, Schiffs- und sogar Flugzeugbilder auf. „Ostpreußen und seine Verkehrswege“ hat seinen Schwerpunkt auf dem Eisenbahnverkehr, trotzdem kommen die übrigen Verkehrsträger nicht zu kurz. Wer weiß zum Beispiel heute noch, dass es in Insterburg ein O-Bus-Netz gab?

Beim flüchtigen Durchblättern beeindrucken sofort die vielen gestochen scharfen Fotos, von denen zwar einige aus früheren Publikationen bekannt sind, ein großer Teil aber noch nie veröffentlicht wurde.

Abgesehen von sechs kleinen Fehlern beziehungsweise Unstimmigkeiten, was aber bei einem Buchumfang von fast 400 Seiten eine verschwindend geringe Fehlerquote ist, muss man den Autoren und Verlagsmitarbeitern, insbesondere dem Lektorat, eine äußerst sorgfältige Arbeit und im Ergebnis eine ganz hervorragende Qualität bescheinigen.
Schon die Einleitung – bescheiden „Überblick“ genannt – macht mit ihrer gut gelungenen Mischung alter und neuer Fotografien auch den Nichtkenner der Materie neugierig auf die Landschaft, die Legende ist. Gerhard Greß, Jahrgang 1946, hat die Mehrzahl der Bilder, zumeist Stadt- und Landschaftsansichten oder auch Straßenszenen, selbst gesammelt oder fotografiert; sowohl Auswahl als auch fototechnische Wiedergabe sind von unglaublicher Perfektion.

Der unmittelbar anschließende „Blick zurück“ erläutert in großen Zügen und mit Karten und Lithographien unterfüttert die Geschichte Ost- und Westpreußens, bei wichtigen historischen Ereignissen auch eingehend genug zum Verständnis der kompletten Zusammenhänge, aber stets sachlich und nie belehrend. Nicht jeder unbedarfte Leser wird sich die Mühe machen, dieses (verhältnismäßig kleine) Kapitel durchzuackern, aber wer es tut, ist gut vorbereitet für die weitere Lektüre und den Einstieg in die Verkehrsgeschichte dieser Region.

Unter der Überschrift „Die Eisenbahn kommt“ wird in knappen Worten, zwei Übersichtskarten, einer Tabelle und erfreulich vielen sehr gut reproduzierten, ausreichend großen Abbildungen die Entwicklung des Eisenbahnnetzes in Ost- und Westpreußen ausführlich dargestellt; die Entwicklung im und nach dem Ersten Weltkrieg, das Korridorproblem, die Volksabstimmung und die Ostpreußenhilfe werden in den anschließenden Kapiteln beschrieben, bevor es in die Kleinbahngeschichte geht.
Erfreulich ist, dass in diesem Werk erstmalig alle Kleinbahnen Ostpreußens komplett dargestellt werden, und zwar mit einer Ausführlichkeit, die man selbst in den besten Kleinbahn-Magazinen nicht findet. Dieses Kapitel trägt unverkennbar die Handschrift von „Kleinbahn-Meister“ Jörg Petzold, Jahrgang 1966, der seit über 30 Jahren Material, Unterlagen, Dokumente und Fotos zusammengetragen hat, und zwar nicht nur über den Schienen-, sondern auch den Omnibusverkehr dieser meist örtlichen Kommunal- oder Kreisbetriebe. Dass die Westpreußische Kleinbahnen-AG, die im Danziger Gebiet ansässig war und dort auch ihr Stre-ckennetz hatte, in einem Extra-Kapitel beschrieben wurde, ist ein Gewinn für das Buch, denn die besondere Situation Ostpreußens zwischen den Weltkriegen wäre ohne Korridor und Freistaat Danzig nur unvollständig erklärt.

Obwohl dieses Sachbuch inhaltlich voll hält, was der Titel verspricht, ist es doch kein typisches Nachschlagewerk; auf ein Register wurde verzichtet, und die Literaturhinweise passen auf eine Dreiviertelseite. Das ist schön, denn so bleibt mehr Platz für Fotos und Texte, auch wenn man sich manchmal wünscht, bestimmte Orte und Strecken im Verzeichnis leichter finden zu können. Andererseits wird dieses durch das ausführlich gegliederte Inhaltsverzeichnis kompensiert: die Kleinbahnen sind einzeln aufgeführt und die „großen“ Bahnen sind leicht zu finden.

Der letzte Teil des Buches widmet sich den Eisenbahn-Fabriken und den nicht-schienengebundenen Verkehrsmitteln wie Seedienst Ostpreußen, Kraftpost und dem Autobahnbau.

Den Abschluss bilden Kriegs- und Untergangsberichte mit Anleihen aus der Literatur und von Zeitzeugen; dies sind wertvolle Dokumente der deutschen Geschichte. Da kann man leicht verschmerzen, dass Angaben zur ohnehin spärlichen Luftfahrtgeschichte fehlen.
Fazit: „Ostpreußen und seine Verkehrswege Teil 1“ ist ein interessantes, lesenswertes Werk mit vielen neuen Informationen und noch nie gezeigten Fotos in höchst beeindruckender Qualität sowie einem vorbildlichen Lektorat; dazu passt der Druck auf starkem, solidem Papier und die feste Bindung. Dieses Buch ist nicht nur inhaltlich, sondern auch äußerlich gelungen und zudem haltbar – es wird auch bei Weitergabe „ins dritte und vierte Glied“ nicht zerfleddern oder auseinanderfallen. Man darf gespannt sein auf den in Kürze erscheinenden zweiten Band, der sich mit Ostpreußens Verkehrswegen in der Nachkriegszeit befassen wird.

Fotos: Rastenburg: Der Bahnhof Drengfurt, Vor der Insterburger Lutherkirche: Ein Omnibus    Bild


Gerhard Greß, Jörg Petzold: „Ostpreußen und seine Verkehrswege“, Verlagsgruppe Bahn GmbH, Fürstenfeldbruck 2018, gebunden,
372 Seiten, 59,95 Euro.
Neukunden erhalten beim Verlag 20 Prozent Ermäßigung auf einen Artikel Ihrer Wahl beim Erstkauf. Telefon (08141) 534810 Internet: www.vgbahn.de/neukunde Bitte geben Sie das Kennwort  für Leser der Preußischen Allgemeinen Zeitung „OST19“ an.