Seine despotischen „Order, order“-Rufe hallen wie eine Drohung durch das britische Un­terhaus. Wenn Parlamentssprecher John Bercow lauthals zur Ordnung ruft, dann müssen sich Premierministerin Theresa May und das Brexit-Lager warm anziehen. So wurden Brexit-Anträge vertagt und einmal sogar ganz zu Fall gebracht, nachdem sich Bercow, der seit 2009 das Amt des „Speaker“ bekleidet, auf Gesetze von 1604 oder 1844 berief.

Dabei ist der Mann, der May im Parlament in den Rücken fällt, ein Parteigenosse, der aber in seiner Zeit als Parlamentssprecher die Mitgliedschaft bei den konservativen Tories ruhen lassen muss. Das macht den 56-jährigen Sohn eines Taxifahrers politisch unabhängig, was ihm in der gegenwärtigen Austrittsdebatte umso leichter fällt, als er und seine der Labour-Partei angehörende Frau zu den Brexit-Gegnern zählen. Dass er mit einen Anti-Brexit-Aufkleber am Auto herumfährt, weiß er geschickt abzubügeln: Er sei im Wagen seiner Frau gefahren, und die Ehefrau ist ja nicht der Besitz des Mannes.

In Großbritannien ist der aus einem Londoner Wahlkreis der früheren Premierministerin Margaret Thatcher stammende Bercow, der Politikwissenschaften an der nicht gerade als Eliteschmiede geltenden Universität von Essex studiert hat, der Mann der Stunde.

Dass das Austrittsdatum 29. März verschoben wurde, hat auch viel mit seiner Verzögerungstaktik im Parlament zu tun. Die Briten gehen, um in der Tennissprache zu reden, quasi in den Tie-Break. Als junger Mann strebte der nur 1,68 Meter große Bercow eine Karriere als Tennisprofi an, die aber wegen eines Asthmaleidens gestoppt wurde. Sollte er wieder eine altertümliche Finte finden, um eine Abstimmung über den Austritt zu verhindern, könnte es bald „Spiel, Satz, Sieg, Bercow“ heißen.    H. Tews