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05.04.19 / Einer ist mit seinem Latein noch nicht am Ende / Geert Wilders wird bei Regionalwahlen in den Niederlanden von einem rechten Intellektuellen überholt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-19 vom 05. April 2019

Einer ist mit seinem Latein noch nicht am Ende
Geert Wilders wird bei Regionalwahlen in den Niederlanden von einem rechten Intellektuellen überholt
Bodo Bost

Bei den Provinzwahlen in den Niederlanden wurde die erst 2016 gegründete EU-skeptische, nationalkonservative Partei Forum voor Demokratie (FvD), geführt von dem erst 

36 Jahre alten Juristen Thierry Baudet, aus dem Stand heraus mit fast 15 Prozent stärkste Kraft. Die FvD konnte auch die rechte Konkurrenz von Geert Wilders und seiner PVV halbieren, die in Zukunft nur noch siebtstärkste politische Kraft in Holland ist. 

Zwei Tage nach dem schlimmen Terroranschlag eines türkischstämmigen Terroristen mit drei Toten und fünf Schwerverletzten in einen öffentlichen Bus in Utrecht, der stundenlang das ganze Land gelähmt und die Bevölkerung in große Angst versetzt hatte, war allen klar, dass alle Wahlprognosen nichts mehr gelten würden. Es siegte eine Partei, die es bei den letzten Provinzwahlen nicht einmal gab, und die auf Anhieb zur stärksten Gruppierung der Niederlande wurde. 

Durch das überraschende Ergebnis der FvD gingen die Zahlen der übrigen Parteien fast unter. Die Grünen waren die zweiten großen Gewinner des Abends, sie konnten die Zahl ihrer Sitze mehr als verdoppeln und sind zusammen mit den Christdemokraten drittstärkste Kraft. Dagegen hal­bierten sich die linken und sozialdemokratischen Parteien noch einmal, besonders stark die linke SP und die linksliberale D66.

Der Anschlag von Utrecht hatte die Stimmung im Land noch einmal stark verändert. Zwar war das Motiv des mutmaßlichen Täters zum Wahlzeitpunkt noch ungeklärt, aber die Art und Weise des Tathergangs deuteten auf ein Terror- oder Hassverbrechen mit islamistischem Hintergrund hin.

Baudet hatte als einziger Politiker nach dem Anschlag von Utrecht seinen Wahlkampf nicht unterbrochen. Immigration aber ist nicht das einzige Thema, das ihm Wähler beschert hat. Baudet, der an der menschengemachten Erderwärmung zweifelt, kann damit viele überzeugen, seine Anhänger vertrauten weder den Forschungseinrichtungen noch den Behörden. 

Der Sieg der FvD hat viel mit der Person ihres Spitzenkandidaten zu tun. Baudet ist ein charismatischer Medienliebling, der den „Nexit“ anstrebt – den Exit der Niederlande aus der Europäischen Union. Der rechtskonservative Politiker vertritt ganz ähnliche Positionen wie Geert Wilders: gegen Immigration, gegen die EU, gegen Klimaschutz. 

Während Wilders volksnah auftritt und sich in der Sozialpolitik nicht vor klassisch linken Positionen scheut, gibt Baudet den Intellektuellen. Er spielt Klavier und spricht fließend Latein, zuweilen sogar im Parlament. Damit konnte er sogar der PVV viele Anhänger abjagen. 30 Prozent seiner neuen Wähler kommen von Wilders. 

Zusammen mit der seit 2006 existierenden PVV, die von 11,6 auf 6,9 Prozent abrutschte, bekamen die Rechtskonservativen im Land 21,3 Prozent der Stimmen, ein Rekord in der Parlamentsgeschichte. Dabei ist der 2012 promovierte Rechtsphilosoph erst seit 2009, als er Jean-Marie Le Pen besuchte, politisch aktiv. 

Baudet wählte für seinen Wahlsieg große Worte: „Wir sind zur Front gerufen worden, weil unser Land uns braucht“, sagte er am Wahlabend. Die nächste Herausforderung für Baudet wird die Europawahl sein, an der seine Partei teilnimmt. 

Für den niederländischen Senat, dessen Abgeordnete von den Provinzparlamenten gewählt werden, hat das Wahlergebnis schwerwiegende Folgen. Die Regierungsparteien haben ihre Mehrheit im Senat verloren, dadurch wird es für sie viel schwieriger, neue Gesetze zu verabschieden. Der Senat (die „Erste Kammer“) hat zwar weniger Macht als die „Zweite Kammer“ des Parlaments, er kann aber wie der Bundesrat die Gesetzgebung blockieren.

Kurz nach dem überraschenden Wahlerfolg von Baudet rief ein Islam-Dozent der Universität von Utrecht indirekt zum Mord an ihm auf. Er fragte auf seiner Facebook-Seite: „Volkert, wo bist du?“ Volkert van der Graaf war der Mörder des 2002 ermordeten rechtskonservativen Politikers Pim Fortuyn. Volkert ist nach Verbüßung von zwei Dritteln seiner 18-jährigen Haftstrafe im Jahr 2014 vorzeitig entlassen worden, muss aber seitdem eine elektronische Fußfessel tragen.