Der „Deutsche“ hatte in der angelsächsischen Filmindustrie lange Zeit einen ähnlichen Ruf wie der Teufel im Christentum: Er war das Böse an sich, ein Feindbild, ein Buhmann.
Dass sich die Zeiten geändert haben, kann man an dem britischen Film „Niemandsland“ ablesen, der am 11. April in die Kinos kommt. Darin geht eine von Englands Kinostar Keira Knightley gespielte britische Offiziersgattin im kriegszerstörten Hamburg mit einem Deutschen fremd. Nun kann man leicht dem Deutschen die Schuld in die Schuhe schieben, dass eine intakte Ehe in die Brüche geht. Doch der vom schwedischen Schauspieler (warum eigentlich kein Deutscher?) Alexander Skarsgård gespielte Hamburger Stefan Lubert ist selbst eine sehr sympathische und vom Bombenkrieg als tragisches Opfer gezeichnete Figur.
Der Film, der im Winter 1946 spielt, ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. So drückt eine ausländische Filmproduktion, in die allerdings auch deutsche Fördergelder flossen, ernsthaftes Interesse an den deutschen Bombenopfern aus. Dazu brauchte es gut 75 Jahre, bis nämlich eine Enkelgeneration die Handlungen ihrer Großeltern hinterfragte.
Im Fall von „Niemandsland“ verarbeitete der Waliser Autor Rhidian Brook die Geschichte seines Großvaters, der als britischer Besatzungsoffizier im zerstörten Hamburg lebte. Im Roman, der 2013 als „The Aftermath“ erschienen ist, wie im Film wird erzählt, wie er eine Villa mit Elbblick in dem von den Bomben verschonten Stadtteil Blankenese requiriert, wobei er den Hausherren, einen Architekten, nicht ganz aus dem eigenen Haus vertreibt und ihn samt Tochter gnädigerweise im Dachgeschoss wohnen lässt.
Damit ist die Konstellation einer „Ménage à trois“ gegeben, wobei sich die frisch angereiste Offiziersgattin Rachael anfangs Mühe gibt, nicht mit dem Feind zu fraternisieren. Einem Deutschen, so lernt sie, reicht man nicht die Hand zur Begrüßung.
Überhaupt spricht der Film unbequeme Wahrheiten aus, die vor allem für das angelsächsische Publikum neu sein dürften. Bei dem im Juli 1943 durch den von britischen Bombern entfachten Feuersturm wird die Zahl von 40000 getöteten Hamburgern genannt, und es wird erwähnt, dass in nur einer Nacht so viele Bomben auf Hamburg fielen wie in London während des gesamten Krieges.
Mithilfe digitaler Effekte hat man die Kriegszerstörungen einigermaßen realistisch dargestellt. Die Stadt Prag, in der man ein paar Ruinen fand, war beim Dreh so etwas wie das Double für Hamburg, und auch Luberts Villa steht nicht an der Elbe, sondern an der Moldau. Immerhin fanden die Innenaufnahmen, wo sich Rachael nicht mit einem Bauhaus-Sessel von Mies van der Rohe anfreunden kann, in einem Schloss nahe Hamburg statt.
Das mit internationalen Stars besetzte Kinodrama – als Rachaels Mann ist noch Australiens Filmheld Jason Clarke mit von der Partie – gibt sich alle Mühe, das deutsche Kriegsleiden ins rechte Licht zu rücken. Allerdings kommt diese Gutmenschen-Geschichte von Deutschen und Briten nur schleppend voran. Das historische Korsett scheint den Schauspielern die Luft zum Atmen zu nehmen, und zwischen Knightley und Skarsgård funkt es nie wirklich. Dass zur dramatischen Überspitzung auch noch „Werwolf“-Attentate mit ins Spiel gebracht werden, macht die Sache nicht spannender.