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05.04.19 / Zwei geniale Werke über das grandiose Scheitern des Kommunismus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-19 vom 05. April 2019

Zwei geniale Werke über das grandiose Scheitern des Kommunismus
Manuela Rosenthal-Kappi

Heute zählt Andrej Platonow zu den Klassikern der russischen Literatur. Zu Lebzeiten galten seine Werke als „inakzeptabel“ und duften nicht gedruckt werden. Die Helden würden nicht als „Revolutionäre“, sondern als „komische Käuze und Halbverrückte“ wahrgenommen, urteilte der berühmte Maxim Gorkij über Platonows Erstlingswerk „Tschewengur“. Der Autor selbst sah sein Werk mehr als Dokument über die Anfänge der kommunistischen Gesellschaft. 

Sowohl die Handlung als auch die Sprache, die sich durch bewusst merkwürdig verdrehte grammatische Konstruktionen oder wie im zweiten Roman „Die Baugrube“ durch eine Vermischung von neuem „Sowjetsprech“, vermischt mit bäuerlichen Redewendungen und religiösen Symbolen auszeichnet, wirken parodistisch, besonders, wenn deutlich wird, dass die Bevölkerung die ideologischen Begriffe nicht versteht. Es entsteht eine Sinnentleerung gepaart mit überraschenden und fantastischen Wendungen der Handlung.

Platonow, der selbst aus einfachen Verhältnissen stammte, war als junger Mann ein glühender Anhänger der Revolution. In den 20er Jahren erlebte er während seiner Tätigkeit als Ingenieur für Bewässerungstechnik und Elektrifizierung jedoch, wie sehr das Land unter Armut und Rück­ständigkeit litt. Diese Erkenntnis schlug sich in seinen Werken nieder. 

„Tschewengur“ deutet Skepsis gegenüber der Kollektivierung und totalitären Erscheinungen des Kommunismus an. Der Roman spielt zur Zeit des ersten Fünf-Jahresplan. Die Helden Sascha Dwanow und der überzeugte Kommunist Kopjonkin, der mit seinem Pferd „Proletarische Kraft“ auf der Suche nach Rosa Luxemburgs Grab ist, begeben sich in die Steppenstadt „Tschewengur“, in der die glückliche Zukunft des Kommunismus bereits begonnen haben soll. Da in der Stadt niemand so genau weiß, wie der Kommunismus funktioniert, werden sämtliche Bauern vertrieben und bisherige Landstreicher angesiedelt. Sie ruhen sich aus, denn in Tschewengur arbeitet die Sonne, die zum Weltproletariat erklärt worden war. Gearbeitet wird nur sonnabends. Risse bekommt die schöne, heile Welt, als ein Kind stirbt, obwohl doch der Kommunismus angebrochen ist. 

In der „Baugrube“ geht es um das Scheitern – ein „gemeinproletarischen Haus“ wird nie fertiggestellt. Was sich in der Baugrube ereignet, spiegelt sinnbildlich ein soziologisches Abbild der jungen Sowjetgesellschaft wider. 

Platonows Hauptwerke „Tschewengur“ und die „Baugrube“, entstanden von 1926 bis 1927, wurden in der Sowjetunion aber erst 1988 veröffentlicht. 

Andrej Platonow: „Tschewengur. Die Wanderung mit offenem Herzen“, Suhrkamp Verlag, Frankfurt 2018, gebunden, 580 Seiten, 32 Euro

Andrej Platonow: „Die Baugrube“, Suhrkamp Verlag, Frankfurt 2016, gebunden, 240 Seiten, 24 Euro