19.04.2024

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12.04.19 / Für eine neue Renaissance

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-19 vom 12. April 2019

Für eine neue Renaissance
Hans Heckel

Bei der Flut von Würdigungen zum 100. Jahrestag des „Bauhaus“ fällt auf, dass kaum kritische Stimmen zu vernehmen sind. Fast scheint es, als wage kaum jemand, dem wohl brutalsten Einschnitt in der Architekturgeschichte mit Distanz zu begegnen – aus Furcht, deswegen als „Reaktionär“ oder Schlimmeres verrufen zu werden.

Mag der Bruch mit allen Traditionen des Bauens und der Aufbruch zu gänzlich neuen Formen und Ansprüchen von Architektur Anfang des 20. Jahrhunderts auch noch so berauschend und verheißungsvoll gewirkt haben. Heute, 100 Jahre später, fordert der Blick in unsere Städte eine weitaus durchwachsenere Sicht auf die Wirkungen der Revolution von damals. „Das Schlimmste ist, dass wir als Architekten nur den Würfelhusten gelernt haben“, moniert der Architekt und Stadtplaner Christoph Mäckler die Umsetzung des Bauhaus-Erbes in unserer Zeit. Er bezweifelt sogar, dass Bauhaus-Gründer Walter Gropius seine damaligen Konzepte heute überhaupt noch propagieren würde. 

Damals habe man das Kaiserreich sowie dessen Stil und Baupraxis überwinden wollen, was Mäckler historisch angemessen findet. Doch heute benähmen sich die Planer und Architekten „immer noch so, als ob wir kurz hinter dem Kaiserreich stehen würden“. Diese Art der Bauhaus-Rezeption als eingefrorene Revolution, als erstarrter Gestus des Fortschritts, der keiner mehr ist, hebt den eigenen, fortschrittlichen Anspruch gleichsam von selbst auf. 

Die Bauhaus-Gründer von der Schuld an dieser Entwicklung gänzlich freizusprechen, mutet indes allzu gnädig an. Architekturkritiker Dankwart Guratzsch erinnert: „Als Walter Gropius seine Professur in Harvard antrat, war seine erste Amtshandlung, die Architektur-Bibliothek in den Keller zu verbannen.“ Ein mehr als nur symbolischer Akt, der einen Kern enthüllt: Gropius wollte die Entwicklung der Architektur nicht bloß einen großen Sprung voranbringen, er wollte diese Entwick­lung praktisch beenden. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn Form und Ästhetik des Bauens seit Jahrzehnten in einer Art Zeitschleife gefangen zu sein scheinen. Die Ödnis der schmucklosen „Würfel“-Architektur spiegelt nicht bloß äußerlich Leblosigkeit wider. Diese Leblosigkeit deckt ihr innerstes Wesen auf, denn wo es keine Entwicklung mehr gibt, da ist auch das Leben fort.

Was Not täte, wäre ein radikaler, mutiger Schnitt. Eine neue „Renaissance“, die, ganz nach dem Konzept ihres historischen Vorgängers, das Alte, die in Jahrtausenden hervorgebrachten Traditionen aufgreift, um daraus etwas Neues zu formen. Nicht als laues Aufwärmen alter Muster, sondern als deren kritische Weiterentwicklung zu einem neuen Stil.