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12.04.19 / Bahnhof und Malz, Gott erhalt’s / Die Erhaltung von Bahnhöfen und Fabriken erhitzt in Niederschlesien die Gemüter

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-19 vom 12. April 2019

Bahnhof und Malz, Gott erhalt’s
Die Erhaltung von Bahnhöfen und Fabriken erhitzt in Niederschlesien die Gemüter
Chris W. Wagner

Immer mehr historische Gebäude in Niederschlesien werden saniert und bekommen ein zweites Leben, meist „zweckentfremdet“ als Kultureinrichtungen. Doch längst nicht alle historischen Objekte werden vor einem Abriss verschont.

Der Bahnhof in Petersdorf [Piechowice] befindet sich in einem desolaten Zustand. Jahrelange Vernachlässigung und Vandalismus führten dazu, dass dieses unweit von Hirschberg [Jelenia Gora] und Schreiberhau [Szklarska Poreba] im malerischen Hirschberger Tal gelegene Bahnhofsgebäude dringend saniert werden muss.

Bürgermeister Jacek Kubielski stellte bereits einen Antrag an die Immobilienverwaltung der Polnischen Bahn in Breslau zwecks Übernahme des Gebäudes durch seine Gemeinde. Ihm schwebt vor, dort ein touristisches Informationsbüro, ein Konferenzsaal, ein Ausstellungsraum oder einen Begegnungsort für Senioren einzurichten. Nach Geldern dafür sucht er bereits beim entsprechenden Ministerium und in EU-Programmen. Sollte diese Finanzierung nicht gelingen, versprach er, die Investition aus dem Stadtbudget zu stemmen. Dies würde jedoch lediglich eine etappenweise Renovierung ermöglichen. Kubielski weiß um die touristische Bedeutung seiner Stadt sowie vor allem auch der Bahnstrecke, die wegen des Flusses Zacken (Kamienna) Zackenbahn genannt wurde. Sie verläuft im Isergebirge von Hirschberg über Schreiberhau nach Grünthal beziehungsweise Polaun [Korenov] in Tschechien und war eine der ersten 

elektrifizierten Eisenbahnstrecken Deutschlands. 

Durch den Einsatz der „Rübezahl-Triebwagen“ der DR-Baureihe ET 89 ist sie heute noch unter Geschichts- und Bahnfreunden europaweit bekannt. Aber auch der Ort selbst mit seinem 1509 Meter hohen Berg, der Hohe Rad [Wielki Szyszak], ist für Wanderer attraktiv, wenn da nicht der vernachlässigte Bahnhof wäre. „Noch im Sozialismus befand sich hier im Bahnhof das beste Möbelgeschäft ganz Niederschlesiens. Ich hoffe, dass an seiner Stelle bald ein Café oder ein Ausstellungsort entsteht, sodass diejenigen, die dieses Gebäude heute beschädigen, es dann bewundern werden“, so eine Einwohnerin von Petersdorf gegenüber Radio Breslau.

Anfang April wurde in Haynau [Chojnow] bei Liegnitz [Legnica] das Bahnhofsgebäude nach der Sanierung wiedereröffnet. Die Modernisierung kostete umgerechnet etwa 2,3 Millionen Euro. Der Bahnhof in Haynau gehört zu den insgesamt 17 Objekten der Bahn, die in der Woiwodschaft Niederschlesien saniert werden. „Bis 2023 werden 200 Bahnhöfe polenweit modernisiert, grundsaniert oder neu aufgebaut. In Niederschlesien wurden allein 2018 sechs Bahnhöfe grunderneuert”, sagte Krzysztof Golubiewski vom Vorstand der PKP-Aktiengesellschaft bei der Eröffnungsfeier in Haynau. Ein Teil des 1910 erbauten Haynauer Bahnhofsgebäudes wird von der Stadt genutzt. Dort sollen künftig ein Kindergarten, Büroräume und ein Blumenladen eingerichtet werden. 

Weniger Glück hatte die letzte Mälzerei in Löwenberg [Lwowek Slaski]. Die historische Malzfabrik aus dem 19. Jahrhundert in dieser niederschlesischen „Bierstadt“ soll abgerissen werden. Obwohl das Gebäude auf der Liste historischer Architekturdenkmäler steht, kann und will die Stadt es nicht retten. Zu weit sei der Zerfall fortgeschritten, heißt es seitens des Magistrats. Doch Lokalhistoriker sehen das anders. 

Die Gemeinde hat die Mälzerei 2009 zwecks schnellen Verkaufs an Privatinvestoren übernommen. Als sich jedoch kein Käufer fand, wollte man in der Mälzerei ein Brauereimuseum errichten. Doch bei Willensbekundungen ist es geblieben. Währenddessen stürzten das Dach und die obere Etage ein. 

So entstand im Magistrat die Idee, das Gebäude abzureißen und den Bauplatz zu verkaufen. Die Löwenberger Bürgermeisterin Mariola Szczesna stellte bereits im Warschauer Verwaltungsgericht einen Antrag auf die Streichung des Objektes aus der Liste der historischen Denkmäler, denn nur so könne man es abreißen. Das Gebäude sei ohne historischen Wert und zu teuer, um es zu sanieren und entsprechend zu nutzen, so die Begründung der Bürgermeisterin. 

Arkadiusz Gutka vom Verein Monitoring Historischer Gebäude sieht darin einen Akt der Barbarei. „Die Bürgermeisterin versteht die Bedeutung einer historischen Stadt wie Löwenberg nicht und schlägt einen Kurs ein, wie einst die Kommunisten in unserer Stadt“, so Gutka, der hofft, dass sich doch noch ein Investor für die etwa zehn Millionen Polnische Zloty (rund 2,3 Millionen Euro) kostende Sanierung findet. 

Gutkas Verein erinnert daran, dass in Löwenberg schon im 16. Jahrhundert gebraut wurde und es 1546 dort 74 Malzbrauereien gab. Für diese Tradition stehe die letzte Mälzerei Löwenbergs, und sie müsse für die Nachwelt erhalten bleiben. Das letzte Wort sei noch nicht gesprochen, verspricht der Aktivist.