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12.04.19 / Indiana Jones und die Gräber von Margiana / Kostbare historische Schätze unter der Erde – In Wien und Mannheim ist das Abenteuer Archäologie ein großes Ausstellungsthema

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-19 vom 12. April 2019

Indiana Jones und die Gräber von Margiana
Kostbare historische Schätze unter der Erde – In Wien und Mannheim ist das Abenteuer Archäologie ein großes Ausstellungsthema
D. Jestrzemski / Helga Schnehagen

Bei Deutsch-Wagram im Marchfeld nordöstlich von Wien sind bei archäologischen Ausgrabungen Relikte der großen, grausamen Schlacht vom 5. und 6. Juli 1809 geborgen worden. Die hier ausgetragenen Kämpfe des Fünften Koalitionskrieges zwischen Österreich und Frankreich sowie das damalige österreichische Militärlager liegen im Bereich der geplanten Trasse für eine neue Schnellstraße zwischen Wien und Pressburg. Bei den Notgrabungen vor dem Bau der Straße sind Flächen untersucht worden, die anhand von historischen Aufzeichnungen über die Aufstellung der Heeresverbände ausgesucht wurden.

1959 wurde das Schlachtfeld mit 22 Gedenkstätten markiert. Nach einigen Schätzungen verloren bei Wagram bis zu 55000 Soldaten ihr Leben, als Napoleon mit seinen Truppen gegen die österreichische Armee kämpfte und sie besiegte. Ihre sterblichen Überreste und Reste ihrer Ausstattung wurden in nur 20 bis 50 Zentimetern Tiefe freigelegt. 

Vermutlich haben Kriegsgefangene und Tagelöhner nach der Schlacht die Toten eilig in den flachen Gruben verscharrt. Auf dem weitläufigen Areal waren in der Vergangenheit immer wieder Waffenteile, Munition und Uniformknöpfe zum Vorschein ge­kommen. In großer Zahl befinden sich solche Funde im Wagramer Erzherzog-Carl-Mu­seum und im „Privatbesitz“ von Heimatforschern und Sondengängern. 

Nach der Niederlage Napoleons in der Schlacht bei Aspern östlich von Wien im Mai 1809 hatten sich die Franzosen in die Lobau zu­rückgezogen, um auf Verstärkung zu warten und anschließend zu­rück­zuschlagen. Sechs Wochen später war der Aufmarsch abgeschlossen. Am 5. Juli 1809 standen die Franzosen mit 150000 Soldaten dem weit aufgefächerten österreichischen Heer von 136500 Mann unter der Führung des Generalissimus Erzherzog Carl gegenüber. 

Durch den starken Einsatz der Artillerie wurde die zwei Tage dauernde Schlacht zur bis dahin größten und verlustreichsten der Napoleonischen Kriege. Napoleon errang einen kriegsentscheidenden Sieg. Dennoch war sein Nimbus der Unbesiegbarkeit er­schüttert, da die Österreicher dem Eroberer großer Teile Europas bei Aspern seine erste Nie­derlage an Land zugefügt hatten. 

Bei den inzwischen abgeschlossenen Grabungen wurden über 8000 Objekte geborgen, darunter 3000 Musketen- und Kartätschenkugeln, massive Kanonenkugeln, Gewehrteile, Granatsplitter, Münzen, Medizinfläschchen sowie mehr als 1000 Knöpfe, davon über 300 französische mit Regimentsnummern, außerdem Stollen, Hufeisen und Wagenteile. 

Auch in Aspern-Essling im heutigen Wiener Gemeindebezirk Donaustadt wurden 2017 Notgrabungen auf dem Gelände des einstigen Schlachtfelds durchgeführt. Funde und Dokumentationen zu beiden Ausgrabungen sind in die aktuelle Ausstellung „Krieg. Auf den Spuren einer Evolution“ des Naturhistorischen Museums Wien integriert worden, die noch bis zum 28. April zu sehen ist. Die Schau entstand in Kooperation mit dem Landesmuseum für Vorgeschichte Halle, welches Ausgrabungen aus einem Massengrab von der Schlacht von Lützen zeigt. In der zwischen den protestantischen Schweden und den katholischen Kaisertruppen unter Wallenstein ausgetragenen Schlacht fielen im Dreißigjährigen Krieg vermutlich bis zu 10000 Soldaten.




Nach Berlin und Hamburg sind die Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim die letzte Station der Ausstellung „Margiana – ein Königreich der Bronzezeit in Turkmenistan“. Die mit 250 Fundstücken erstmals überhaupt gezeigte Schau ist ein Glücksfall für alle Freunde des Altertums.

Eine Prunkaxt in Form eines Hahnenkopfes, eine Schmucknadel in Form eines „Baktrischen Kamels“, eine Figurine als weibliche Sitzfigur mit mächtigem Leib und kleinem aufgesetzten Kopf, eine „Baktrische Prinzessin“, ein Adler mit angezogenen Krallen und ausgebreiteten Flügeln: Die oft nur wenige Zentimeter großen Artefakte sind so faszinierend wie rätselhaft. Denn schriftliche Quellen, die ihre Bedeutung erklären, gibt es nicht. Eines ist jedoch sicher: Sie alle sind wertvolle Zeugnisse einer fernen Hochkultur zwischen Kaspischem Meer und Hindukusch im heutigen Turkmenistan. 

In der Wissenschaft spricht man von Oasen- oder Oxuskultur nach dem antiken Namen des zentraleurasischen Amurdaja-Flusses. Entdecker dieser bis ins späte 3. Jahrtausend vor Christus zurückreichenden Zivilisation war der russische Archäologe Wiktor Iwanowitsch Sarianidi. Das Gebiet, dem er Jahrzehnte seines Lebens widmete, nannte er Bactria-Margiana Archaeological Complex (BMCA), nach den antiken Bezeichnungen der Region Baktrien und Margiana.

Das historische Königreich Margiana im Osten Turkmenistans erlebte von etwa 2300 bis 1600 v. Chr. eine Blütezeit, die durch die spektakulären Ausgrabungen seiner Metropole Gonur Depe ans Licht gekommen ist. Einst im Deltabereich des Murgab-Flusses gelegen, befinden sich nach dessen Verlagerung ihre Reste heute mitten in der Karakum-Wüste. Gonur Depe war eine Großstadt mit tausenden Einwohnern, Wohnarealen, Handwerkervierteln, Bewässerungssystemen, Grabanlagen und einer imposanten befestigten Palastanlage im Zentrum. Ein Wirtschaftszentrum mit komplexen Verwaltungsstrukturen, das vor über 4000 Jahren vom Fernhandel zwischen China, Indien, dem Iran und dem Vorderen Orient hervorragend lebte.

Höhepunkt der Ausstellung sind die sogenannten Königsgräber, in denen die Verstorbenen mit kostbaren Beigaben zur letzten Ruhe gebettet wurden: mit Prunkwagen und Zugtieren, Schmuck, Waffen, wertvollen Ge­fäßen und seltsamen Stangen aus Stein. Wagengräber sind über Jahrtausende Ausdruck höchster sozialer Stellung. Erinnert sei in diesem Zusammenhang nur an das viel spätere keltische Fürstengrab von Hochdorf bei Ludwigsburg aus der Zeit um 550 v. Chr. Mancher würde sicher auch heute noch seinen Wagen gerne mit ins Jenseits nehmen.

Einen Bogen zur Republik Turkmenistan schlagen die Fotografien von Herlinde Koelbl, welche die Ausstellung begleiten. Gekonnt zeigen sie das antike Gonur Depe im Wandformat und die Artefakte im Katalogformat. Die Fotografien werfen aber auch einen kontrast­reichen Blick auf das sich rasant wandelnde Turkmenistan, auf alte Traditionen und die hochmoderne Hauptstadt Aschgabat.

„Margiana“, Reiss-Engelhorn-Museen, Museum Weltkulturen D5, 68159 Mannheim, läuft bis 16. Juni, geöffnet Dienstag bis Sonntag von 11 bis 18 Uhr, Eintritt: 10,50 Euro. Internet: www.rem-mannheim.de