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12.04.19 / Ernüchterndes Ergebnis: ZDF-Moderator sucht mit Mutter die Banater Vergangenheit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-19 vom 12. April 2019

Ernüchterndes Ergebnis: ZDF-Moderator sucht mit Mutter die Banater Vergangenheit
Dirk Klose

Hilft eine Reise in die Heimat, aus der man vertrieben wurde, um zu vergessen? Um mit all den schrecklichen Erlebnissen irgendwie ins Reine zu kommen? Unzählige Male ist das inzwischen erfolgt, „Heimwehtourismus“ ist längst zum geflügelten Wort geworden. Nach allen Erfahrungen lässt sich kein einheitliches Fazit ziehen: Manche Reisende konnten danach vergeben und vergessen, bei manchen schloss sich eine Wunde, bei anderen aber blutete sie weiter. Und wieder andere zeigten sich von allen Eindrücken vergleichsweise unberührt. 

Der für das ZDF arbeitende Moderator Andreas Wunn schildert in seinem Buch „Mutters Flucht. Auf den Spuren einer verlorenen Heimat“ den Versuch, seine aus dem heute serbischen Teil des Banats stammende Mutter mittels einer Reise in die Heimat zu einer stärkeren Auseinandersetzung mit Flucht und Vertreibung der Familie anzuregen. 

Erst nach langem Zögern hat sich die alte Dame darauf eingelassen und mit ihren beiden Söhnen im Sommer 2017 eine Reise entlang der Fluchtroute von 1947 in ihren Geburtsort Setschan (Secanj) unternommen. Das Buch ist ein ebenso nüchterner wie immer wieder auch emotionaler Bericht über viele Erinnerungen und Wiederbegegnungen gerade in Ungarn und in der Woiwodina, ergänzt um historische Informationen und um Erörterungen über den Wert der Erinnerung für die heute Lebenden.  

Für die im Banat lebenden Deutschen, die sprichwörtlichen Do-nauschwaben, begann mit dem Kriegsende eine Schreckenszeit. Titos gnadenlose Partisanen rächten sich an allem, was deutsch war. Zigtausende Männer, auch der Großvater des Autors (Wunn schildert den Schock für die Familie sensibel und doch eindringlich), wurden zu Tode gefoltert oder erschossen, Frauen und Kinder kamen in Lager, wo ihnen durch Hunger und Krankheiten oftmals der Tod vor Augen stand. 

Wunns Urgroßmutter wagte im Sommer 1947 mit Tochter (Großmutter des Autors) und deren zwei kleinen Kindern die Flucht ins nahe Ungarn. Schon hinter der Grenze spürte sie in einem Sonnenblumenfeld ein Wachhund auf; das Tier starrte die Frauen und Kinder an, die Großmutter den Hund, der sich nach einer endlosen Weile ohne zu bellen davontrollte. Ein einziges Bellen hätte alles verraten, ein Zurück ins Lager wäre der Tod gewesen.

Nur einmal gibt die Mutter Emotionen preis. „Wir waren damals eine glückliche Familie, die zerstört wurde. Aber daraus ist eine neue glückliche Familie entstanden.“ Ansonsten zeigt sie zur leisen Enttäuschung ihrer Söhne, dass die Reise in die Heimat der Eltern für sie kein Wiederbegegnen war. Der Autor folgert: „Schweigen, um zu vergessen. Vergessen, um Geschehenes ungeschehen zu machen. Geschehenes ungeschehen machen, um weiterzuleben.“ Am neuen Wohnort Trier scheint die Mutter nicht recht warm geworden zu sein.

Berührend ist die durchweg große Gastfreundschaft, der die drei Reisenden vor Ort begegnen. Rachegedanken sind den Menschen ganz offensichtlich fremd. Ein älterer Herr, der sie durch ein serbisches Dorf führt, sagt: „Ich habe nie verstanden, warum die Deutschen von hier vertrieben wurden. Dabei haben sie das Land kultiviert. Wir denken nichts Schlechtes über die Deutschen.“ Dem Dank an die dortigen Menschen fügt der Autor ein Lob für die donauschwäbischen Einrichtungen in Baden-Württemberg an, die mit jeder nur denkbaren Information vor der Fahrt geholfen und damit gezeigt haben, wie sehr sie noch immer gebraucht werden.

Andreas Wunn: „Mutters Flucht. Auf den Spuren einer verlorenen Heimat“, Ullstein Buchverlage, Berlin 2018, gebunden, 256 Seiten, 20 Euro