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12.04.19 / Der satirische Wochenrückblick mit Klaus J. Groth / Popu, das EU-Gespenst / Ghostbusters in den Redaktionen, ein Schnelltest für das Weltbild, und vom säuerlichen Strom der Ermahnungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-19 vom 12. April 2019

Der satirische Wochenrückblick mit Klaus J. Groth
Popu, das EU-Gespenst / Ghostbusters in den Redaktionen, ein Schnelltest für das Weltbild, und vom säuerlichen Strom der Ermahnungen

Keine Ahnung, warum die auf einmal überall auftauchen. Jedenfalls wimmelt es zunehmend von Popus. Je näher die Europawahlen kommen, desto mehr werden es. Popus über Popus. Eine rechte Plage drohen sie zu werden. Wie, Sie kennen keinen Popu? Da passen Sie mal schön auf, was Sie da sagen. Am Ende sind Sie sogar selbst einer? Jedenfalls macht sich bereits verdächtig, wer einen Popu nicht auf Anhieb erkennt.

Aber Hilfe naht! In zahlreichen alleinerziehungsberechtigten Medien sind sie zu finden, die Anleitungen zum Erkennen eines Popus. Ganze Redaktionen machen sich auf, um als Ghostbusters die rechte Plage einzunebeln. Dabei soll ein Schnelltest behilflich sein. Der geneigte Leser muss nur acht einfache Fragen beantworten, und schon weiß er, in welcher Ecke er steht, ob er virenfrei, gefährdet oder bereits vom Populismus befallen ist.

Solche Schnelltests erfreuen sich großer Beliebtheit. Schließlich kann man mit ihnen ganz ohne Selbsterfahrungsgruppe zum eigenen Ich finden. Und wenn das Ergebnis nicht gefällt, dann packt man den Schnelltest einfach weg, muss ja nicht jeder wissen, wenn man gerade mal auf Abwegen vom Mainstream war. 

Auch wenn solche Selbstprüfungen echte Dauerbrenner sind, gewissen modischen Strömungen sind sie doch unterworfen. Mit der einst beliebten Frage „Bin ich eine kluge Hausfrau?“ ist kein Blumenpott mehr zu gewinnen. Gleiches gilt für den Fragenkomplex „Bin ich eine gute Tochter?“. Oder: „Bin ich eine schlechte Freundin?“ 

Wer will denn sowas noch wissen? Selbst wenn das aktuell etwas modischer verpackt wird mit der Frage „Bin ich eine Zicke?“, wird es nicht interessanter. Na schön, wer so etwas fragt, der ahnt wohl, dass er ein Problem haben könnte. Aber dafür benötigt man heute keine Psychiatercouch und auch keinen Psychotest. Bei derartigen seelischen Nöten offenbart man sich in den sogenannten sozialen Medien. Da werden Sie geholfen. Im WorldWideWeb darf jeder jeden Schwachsinn, jede Beleidigung absondern, er bleibt ja anonym. Aber auch aus trüben Quellen kann man fischen. 

Aber nun mal los, nun mal Butter bei die Fische. Mal muss gesprungen werden. Sind Sie es nun oder sind Sie es nicht, ein Populist? Aber immer schön bei der Wahrheit bleiben, die kommt sowieso raus. Schließlich ist dieser Test, der nun zur anstehenden Europawahl angeblich frisch aufgebrüht wurde, in Wahrheit schon ziemlich abgestanden. Die Bertelsmann-Stiftung hatte die gleiche Frage vor zwei Jahren gestellt. Sie fahndete damals nach der „Stunde der Populisten“, wollte „Populistische Einstellungen … vor der Bundestagswahl 2017“ ausloten. Allerdings war die Umfrage damals nicht im Unterhaltungsteil einer Zeitung beheimatet, sondern wissenschaftlich untermauert. Oder so ähnlich. Manchmal ist ja schon die Frage die halbe Antwort. 

Man ahnt, was bei der Umfrage zutage kommen soll. Schließlich ist die Bertelsmann-Stiftung nicht irgendeine Stiftung, sondern die wohl einflussreichste in Deutschland. Manche sagen, sie verhalte sich wie eine Gouvernante, die allen kräftig auf die Finger klopfe, die nicht so wollen, wie sie es für richtig hält. Das lässt man sich ordentlich etwas kosten, so bummelige 70 Millionen Euro im Jahr. Die verbraten 380 Mitarbeiter. 

Für einen weltweiten Konzern wie Bertelsmann operiert auch die Stiftung weltweit mit Mitarbeitern in Brüssel, Washington, Barcelona und eben auch Gütersloh. Und so kommt aus Gütersloh ein steter, etwas säuerlicher Fluss an Ermahnungen. Das nennt man in Gütersloh „zivilgesellschaftliches“ Engagement. Und dazu gehört selbstverständlich die Fahndung nach Populisten. Möglicherweise waren die Gesinnungsforscher damals enttäuscht. Nur bei einem Drittel der Deutschen konnten sie populistische Tendenzen vermuten. Das schien zu wenig für einen Alarmruf.

Nun aber, vor der Europawahl, da ist nicht nur Holland in Not. Flandern droht populistisch abzusaufen, Italien ist es schon, Frankreich klammert sich an das letzte Stück Treibholz, in Finnland und Österreich schwappt die populistische Soße bis zum Hals, über Polen und Ungarn spricht man besser nicht. Überall sind die Vereinfacher am Werk, die Feinde der Demokratie. Denn merke: Demokratie ist, wo Demokratie draufsteht. Und dazu bedarf es eines „zivilgesellschaftlichen“ Stempels. Nur wer den hat, der ist Demokrat. Alle anderen nicht. Das ist doch einfach zu verstehen. 

Darum beginnen wir den Gesinnungstest zur EU-Wahl mit der Frage, ob folgende Behauptung zutrifft: „Parlamentsdebatten bringen uns nicht weiter. Es wäre besser, wenn es einfach einen gäbe, der endlich mal sagt, wo es langgeht.“ Sie meinen, man könne gar nicht so blöd sein, auf eine so dämliche Frage zu antworten? Vermutlich haben Sie recht. Aber man kann so blöd sein, eine solche Frage zu formulieren und sich dabei toll zu fühlen. 

Kommen wir zu Behauptung 2: „Das Volk ist sich in vielen Fragen vollkommen einig – aber unsere abgehobenen Politiker haben leider gar keine Ahnung, wie das Volk denkt.“ Vorsicht, hier wird es schon kniffliger. Das „vollkommen einige Volk“ ist Quatsch, die Politiker in der abgehobenen Blase sind es vermutlich nicht. 

Behauptung 3: „Richter, die eine vom Staat getroffene Entscheidung wieder umwerfen können, sollte man sich sparen – in China und Russland läuft alles effizienter.“ So ein Blödsinn kann nur nach dem zwölften Schnaps am Redaktionsschreibtisch fabriziert worden sein.

Behauptung 4: „Die deutschen Medien, von der Regionalzeitung bis hinauf zur ,Tagesschau‘, verbreiten oft absichtlich Nachrichten, die nicht stimmen – und lassen andere beiseite, die ihnen nicht passen.“ Passen Sie auf, Vorsicht Falle! Selbstverständlich werden Nachrichten selektiert, einen Pups von einem krachenden Furz zu unterscheiden, das sollte journalistische Aufgabe sein. Passt der Pups besser ins selbstgezimmerte Meinungsbild, dann hat allerdings auch ein donnernder Furz keine Chance auf Erwähnung.

Behauptung 5: „Die verschiedenen Völker und Rassen endlich wieder stärker zu trennen ist eine überfällige und sehr gute Idee.“ Vermutlich fand die Redaktion, es sei eine gute Idee, diese Frage in den Katalog aufzunehmen. Schließlich weiß man dort ganz genau, wie ein Populist denkt, nämlich genau so. 

Behauptung 6: „Leider gibt es sehr viele Dinge, die man in Deutschland als normaler Bürger inzwischen nicht mehr sagen darf.“ Geht es noch billiger? Selbstverständlich darf man, wenn man die Konsequenzen tragen will. Auch als „normaler Bürger“. Und was ist ein „normaler Bürger“? Na ja, das ist einer, der sich „abgehängt fühlt“, der „abgeholt und mitgenommen werden muss“, dem man „auf Augenhöhe begegnen“ sollte. Auch wenn man sich dazu ganz tief bücken muss, runter zu dem dumpfbackigen Depp. 

Behauptung 7: „Sogenannte Experten finden vieles kompliziert – dabei wäre mit gesundem Menschenverstand die Lösung der meisten Probleme sehr einfach.“ Erkennen Sie da endlich den Populisten? Die haben immer ganz einfache Lösungen. So auf Stammtischniveau, mehr geht nämlich nicht. Wie es geht, wenn Profis ein Problem gründlich durchdenken, wird uns gerade beim Brexit vorgeführt. Aber von der Lachnummer mal abgesehen, Experten sind immer gut. Kritiker auch. Anonyme Experten und Kritiker, wer und was sie auch immer sein mögen, erfreuen sich gegenwärtig in den Medien großer Beliebtheit. Vergessen wir die Zeiten, als Experten einen Namen hatten, Kritiker ebenso.

Behauptung 8: „Die EU ist ein bürokratisches Monster, das viel Geld frisst, aber unterm Strich keinem Menschen wirklich nützt“. Endlich könnte man mal zustimmen. Hinter das „bürokratische Monster“ gehört ein Ausrufezeichen. Ach was, drei!!! Es können gar nicht genug Ausrufezeichen sein. Aber „keinem Menschen etwas nützt“? Da darf der „normale Bürger“ anderer Ansicht sein. 

Sie sehen, es ist gar nicht so leicht, ein Populist zu sein. Aber keine Sorge, man macht Sie schon dazu. Sagen Experten.