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19.04.19 / Gegenwind / So sicher wie eine baldige Steuererhöhung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-19 vom 19. April 2019

Gegenwind
So sicher wie eine baldige Steuererhöhung
Florian Stumfall

So sicher wie eine baldige Steuererhöhung kommt aus Warschau die nächste Forderung nach Milliarden von Euro, die Deutschland als Reparationen für den Zweiten Weltkrieg zahlen solle. Kein Land habe so sehr unter den Deutschen gelitten, heißt es zur Begründung, wobei man die 27 Millionen Toten, die Russland zu beklagen hat, tunlichst vergisst. Der polnische Anspruch wird überhaupt eher nach Bedarf, weniger nach Art und Gültigkeit der internationalen Rechtslage berechnet. 

Sonst könnte es nämlich nicht geschehen, dass die geforderte Summe im Herbst 2017 noch 48,8 Milliarden Dollar betrug, im Jahr darauf von 543 Milliarden Dollar auf 850 Milliarden anstieg und sich derzeit um die Billion bewegt. Es sei nach einer „neuen Methode kalkuliert“ worden, heißt es in Warschau zur Erklärung.

Einigkeit besteht nur in einem: Der Zweite Weltkrieg liegt 75 Jahre zurück. Da erhebt sich die Frage nach der Verjährung von Schuld und Anspruch. Doch dazu gibt es keine verbindliche Regelung. Weiterhelfen könnte nur eine Analogie. Gäbe es für Reparationsforderungen keine Verjährung, wie dies Polen und, nebenbei bemerkt, auch Griechenland behaupten, so sollte sich Deutschland daran machen, nach Stockholm eine umfängliche Rechnung zu schicken, die Reparationen betreffend, die man wegen der Schäden aus dem Dreißigjährigen Krieg geltend mache.

Polen indes hat selbst dafür gesorgt, dass die Verjährungsfrage obsolet ist. Am 23. August 1953 erklärte die Regierung in Warschau wörtlich: „Mit Rücksicht darauf, dass Deutschland seinen Verpflichtungen zur Zahlung von Reparationen bereits in bedeutendem Maße nachgekommen ist und dass die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage Deutschlands im Interesse seiner friedlichen Entwicklung liegt, hat die Regierung der Volksrepublik Polen den Beschluss gefasst, mit Wirkung vom 1. Januar 1954 auf die Zahlung von Reparationen an Polen zu verzichten …“

Heute fällt die Regierung Polens, eines Partnerlandes in EU und NATO, hinter diese Entscheidung eines kommunistischen Regimes im Kalten Krieg zurück. Warschau bestreitet die Rechtswirksamkeit dieses Beschlusses. Die Hymnen von der pazifikatorischen, völkerversöhnenden Wirkung eines vereinten Europa erweisen sich als Feiertagsgerede, das alten Animositäten und neuer Begehrlichkeit nicht standhält.

Dabei ist es die Erklärung von 1953 gar nicht allein, die Warschau davon abhalten sollte, immer neue Forderungen zu stellen. Acht Jahre zuvor war im Potsdamer Protokoll, Abschnitt IV, „Reparationen aus Deutschland“, festgehalten worden: „Die UdSSR wird die Reparationsansprüche Polens aus ihrem eigenen Anteil an den Reparationen befriedigen.“ Diese Festlegung bildete auch den Hintergrund dafür, dass der polnische Verzicht gleich nach dem Verzicht der Sowjetunion geleistet wurde.

Eine weitere Station polnischer Verzichtserklärungen gab es im Jahre 1970. Im Zuge der Verhandlungen zum Warschauer Vertrag bestätigte der stellvertretende polnische Außenminister Josef Winiewicz den Verzicht seines Landes auf weitere Reparationen aus Deutschland. 

Diese Zusicherung gehörte übrigens zu dem wenigen, was Deutschland aus den Ostverträgen des Willy Brandt auf der Habenseite notieren konnte. Diese Verträge hatten nämlich einen weitestgehend verschwiegenen Hintergrund. Als Brandt im Jahre 1966 in der ersten Großen Koalition Außenminister wurde, ahnte man im Ostblock eine große Chance. In den Tagen vom 24. bis zum 26. April 1967 trafen sich die kommunistischen Führer Osteuropas im böhmischen Karlsbad, und hielten in einem Papier ihre diplomatischen Ziele gegenüber Deutschland fest, im Grunde genommen die Quittierung der Kriegsbeute Stalins. Alles, was sich in den Ostverträgen wiederfindet, entspricht den Karlsbader Beschlüssen. Es gab nie eine Brandt’sche Ostpolitik, es handelte sich um eine Moskauer Westpolitik, deren Vollzugsorgan in Bonn Egon Bahr gewesen ist.

Es ist auch im Sinne dieser sowjetischen Westpolitik, dass sich Polen – noch lange bevor je ein deutscher Politiker diese Möglichkeit angedeutet hätte – vehement dagegen zur Wehr setzt, den Verlust der deutschen Ostgebiete in die Kalkulation von Schuld und Geld einfließen zu lassen. Vielmehr unternimmt die polnische Seite immer wieder den Versuch, den Eindruck zu erwecken, Deutschland habe keinerlei Leistungen für eine Wiedergutmachung erbracht. 

Zu den Stationen polnischen Verzichts auf Reparationen aus Deutschland gehört auch die Charta von Paris für ein neues Europa aus dem Jahr 1990. Sie enthält folgenden Passus: „Die Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands ist ein bedeutsamer Beitrag zu einer dauerhaften und gerechten Friedensordnung für ein gemeinsames demokratisches Europa, das sich seiner Verantwortung für Stabilität, Frieden und Zusammenarbeit bewusst ist.“ Diese Charta, die auch Polen unterschrieben hat, bedeutet die Anerkennung des Zwei-plus-Vier-Vertrages zwischen den damals noch zwei Deutschlands und den Hauptsiegermächten nicht nur durch die Unterzeichner, sondern auch die Signatare der Pariser Charta. Der Zwei-plus-Vier-Vertrag ersetzte einen Friedensvertrag und umfasst den Verzicht auf Reparationen. Wenn sich also die polnische Seite, was ihren Verzicht aus dem Jahre 1953 angeht, darauf zu berufen sucht, das Land sei damals nicht souverän gewesen und daher sei die Vereinbarung rechtsunwirksam, so zählt bei der Charta von Paris diese Ausrede nicht mehr.

Ein weiterer Meilenstein ist der Deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag von 1991. Darin ist die Rede von guter Nachbarschaft und freundschaftlicher Zusammenarbeit, Begriffe mithin, die den Vorbehalt unerledigter finanzieller Ansprüche nicht dulden. Dagegen wurde – auf freiwilliger Grundlage – ein Fonds zur Entschädigung polnischer Opfer des Nationalsozialismus eingerichtet, und eine Stiftung für deutsch-polnische Aussöhnung ins Leben gerufen. Diese ist mit Millionen Euro aus Deutschland ausgestattet, die NS-Opfern zugutekommen. „Diese Leistungen“, heißt es in einem Memorandum des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, „erfolgten damit rechtsdogmatisch nicht in Anerkennung einer zwischenstaatlichen Rechtspflicht (Deutschland–Polen), sondern als moralischer Ausgleich der von polnischen Bürgern erlittenen materiellen und immateriellen Schäden.“

Was in einem solchen moralischen Sinne ungeachtet des Fehlens einer solchen Rechtspflicht seit 1953 von Deutschland nach Polen gezahlt worden ist, kann man kaum aufschlüsseln, es sind zu viele Titel und Posten, und ein Nachrechnen wäre krämerisch und unwürdig.

Es ist schlimm genug, wenn die polnische Seite in dieser Sache immer wieder insistiert. Der Sejm-Abgeordnete Janusz Szweczak beispielsweise erklärte vor Kurzem in einem Interview mit der Zeitschrift „WPolityce“: „Solange Deutschland seine Schuld gegenüber Polen aus dem Zweiten Weltkrieg – es handelt sich um mindestens 900 Milliarden Dollar – nicht getilgt hat, muss es außerordentliche Zurückhaltung üben, wenn es um Angriffe auf die polnische Regierung gehen sollte.“

Um solcher Schelte willen hätte sich Deutschland vor 15 Jahren nicht mit all seinem Einfluss um die Aufnahme Polens in die EU bemühen müssen. Sie widerspricht dem Geist und der Zielsetzung der Gemeinschaft und schadet dadurch all ihren Mitgliedern.