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19.04.19 / »Leider wieder nur ein Mädchen« / Die erste Autofahrerin der Welt, die vor 75 Jahren gestorbene Bertha Benz, und ihr Mann Carl ergänzten sich geradezu kongenial

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-19 vom 19. April 2019

»Leider wieder nur ein Mädchen«
Die erste Autofahrerin der Welt, die vor 75 Jahren gestorbene Bertha Benz, und ihr Mann Carl ergänzten sich geradezu kongenial
Manuel Ruoff

Leider wieder nur ein Mädchen.“ Es heißt, Karl Fried­rich Ringer habe diese Worte in die Familienbibel geschrieben, als seine Ehefrau Auguste Friederike mit Cäcilie Bertha, genannt Bertha, am 3. Mai 1844 in Pforzheim zum dritten Mal statt eines Stammhalters ein Kind zur Welt brachte, bei dem zum großen Glück ein kleines Stück fehlte. Es heißt ferner, Bertha Ringer habe diese fünf Worte im zarten Alter von zehn Jahren gelesen. Trotzdem hatte sie wie viele Töchter ein sehr inniges Verhältnis zu ihrem Vater und wollte ihm möglicherweise deshalb ein guter Sohn sein. Möglicherweise wollte auch der Vater aus ihr einen guten Sohn machen.

Fakt ist – und da hören die Spekulationen auf –, dass Bertha Ringer Fähigkeiten und Interessen besaß, die traditionell eher als männlich gelten. So interessierten sie Technik und Naturwissenschaft. Ihr Vater, ein Zimmermeister, liebte sie, obwohl sie „nur ein Mädchen“ war, war durch Immobiliengeschäfte zu Wohlstand gekommen und gönnte ihr eine für damalige Verhältnisse gute Schulbildung. 

Angesichts ihres für ein Mädchen in der damaligen Zeit bemerkenswerten Interessensschwerpunktes verwundert es nicht, dass sie sich in einen Ingenieur verliebte – der zudem auch noch gut aussah und gern tanzte. Bei einer Ausfahrt des Vereins „Eintracht“ lernte sie am 27. Juni 1869 Carl Benz kennen. Benz war zwar mittellos, aber sie ließ sich von seiner Begeisterung für die Idee, einen motorgetriebenen Straßenwagen zu erfinden, anstecken. 

Abermals zeigte sich bei Bertha Ringer eine Eigenschaft, die traditionell eher als männlich gilt: Willenskraft. Sie wollte diesen Mann zum Ehemann. Seine Mittellosigkeit schreckte sie nicht ab. Sie brachte ihren Vater dazu, ihr bereits vor der 1872 erfolgten Eheschließung ihre Mitgift und ihren Erbanteil zur Verfügung zu stellen. Sie investierte das Geld in die Realisierung des Traums des fünf Jahre Älteren, der zu ihrem gemeinsamen wurde. Bertha Ringer brachte jedoch nicht nur Geld ihres Vaters, sondern auch Sparsamkeit in das Unternehmen ein und Geschäftstüchtigkeit, abermals eine Fähigkeit, die traditionell eher Männern zugetraut wird.

Mit finanzieller wie auch technischer Hilfe seiner Ehefrau gelang Carl Benz schließlich der technische Durchbruch, die ersehnte Erfindung eines selbstfahrenden Kraftwagens. 1886 erhielt Carl Benz ein Patent auf seinen Motorwagen. Die Produktion für den Markt konnte beginnen. Drei Jahre zuvor hatte er bereits mit zwei Teilhabern die Firma „Benz & Cie. Rheinische Gasmotorenfabrik in Mannheim“ gegründet. 

Das Auto war da, aber was fehlte, waren Kunden. Ausfahrten auf öffentlichen Straßen und Wegen, welche die Öffentlichkeit mit den Autos konfrontiert und ihr die Leistungsfähigkeit der neuen Erfindung vor Augen geführt hätten, waren verboten. Die Obrigkeit verhielt sich hier sehr restriktiv und wenig innovationsfreundlich.

In dieser Situation schrieb Bertha Benz mit etwas Verbotenem Geschichte. Sie war eine gut aussehende Frau, ein scheinbar hilfloses Weib. Und Polizisten waren Männer. Bertha hatte da größere Chancen als ihr Gatte, dass sich die Vertreter der Obrigkeit im Zweifelsfall als nachsichtige Kavaliere und Gentlemen erweisen würden. So war sie es, die sich über die restriktiven Vorgaben der Obrigkeit für die Erprobung des Automobils hinwegsetzte und die erste Überlandfahrt unternahm – angeblich ohne das Wissen ihres Mannes. 

Am frühen Morgen eines der ersten Tage im August des Dreikai­serjahres 1888 verließ Bertha Benz mit ihren 13 und 15 Jahre alten Söhnen Eugen und Richard auf beziehungsweise in einem Exemplar des ersten für den Verkauf produzierten Benz-Automobils, des Benz Patent-Motorwagens Nummer 3, das heimische Mannheim. Das Ziel war die in Pforzheim wohnende Mutter. Auch hier zeigte Bertha Benz wieder Willensstärke und technischen Verstand. Wenn Kühlwasser nachgefüllt werden musste, holte sie es aus Dorfbrunnen, Bahnwärterhäusern, Wirtshäusern oder einem Wassergraben. Als in Wiesbach der Treibstoff ausging, kaufte sie Leichtbenzin für die Kleiderreinigung in einer Apotheke. Als eine Benzinleitung verstopft war, machte sie diese mit ihrer Hutnadel wieder frei. Als die Zündung wegen Kurzschlusses streikte, funktionierte sie ihr Strumpfband zum Isolierband um. Und als die Bremsen schwächelten, ließ sie die Bremsbacken von einem Schuster mit Leder beschlagen. Nach 106 Kilometern Fahrt war am Abend des Tages das Ziel erreicht. Drei Tage später ging es über eine andere Route wieder zurück. Der Benz hatte den Praxis­test bestanden.

Wenn die Werbewirkung der Ausfahrt auch nicht überschätzt werden sollte, so setzte sich das Automobil doch durch. Vor allem Bertha Benz war es vergönnt, den Erfolg noch mitzuerleben, aber auch Carl. Er starb 1929, sie erreichte ein geradezu biblisches Alter. Vor 75 Jahren, zwei Tage nach ihrem 95. Geburtstag, an dem sie noch zur Ehrensenatorin der Technischen Hochschule Karlsruhe ernannt worden war, starb sie in Ladenburg, dem Sitz des 1906 von ihrem Mann Carl und ihrem Sohn Eugen gegründeten Automobilherstellers und -zulieferers „C. Benz Söhne“.