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19.04.19 / Ein Rekordflugzeug, aber als Jäger unbrauchbar / Die Me 209 V1 brach vor 80 Jahren den Geschwindigkeitsrekord – Die Me 209 V4 zeigte die Nutzlosigkeit des Typs für den Krieg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-19 vom 19. April 2019

Ein Rekordflugzeug, aber als Jäger unbrauchbar
Die Me 209 V1 brach vor 80 Jahren den Geschwindigkeitsrekord – Die Me 209 V4 zeigte die Nutzlosigkeit des Typs für den Krieg
Friedrich List

Die 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts waren eine Zeit schneller Fortschritte in der Luftfahrt. Die großen Luftfahrtländer wetteiferten darum, das jeweils schnellste Flugzeug in die Luft zu bringen. Die Verantwortlichen des Dritten Reiches sahen in diesem Wettkampf eine ideale Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit der deutschen Luftfahrtindustrie herauszustellen und bei dieser Gelegenheit auch den technischen Standard der neuen deutschen Luftwaffe zu demonstrieren. 

Am 26. April 1939 gelang Fliegern und Konstrukteuren ein besonderer Erfolg. Die Messerschmitt Me 209 V1, ein speziell konstruiertes Rekordflugzeug, holte mit Flugkapitän Fritz Wendel am Steuer den absoluten 

Geschwindigkeitsrekord nach Deutschland. Das Flugzeug mit dem Kennzeichen D-INJR flog 755,138 Kilometer pro Stunde schnell. Die Düse machte zwar bereits wenige Jahre ganz andere Geschwindigkeiten möglich, aber mit einer kolbenmotorgetriebenen Maschine wurde dieser Rekord erst drei Jahrzehnte später übertroffen. Am 16. August 1969 flog eine hochgezüchtete US-amerikanische Jagdmaschine vom Typ Grumman F8F „Bearcat“ 777 Kilometer in der Stunde schnell. 

Obwohl die Me 209 mit dem seit 1936 gebauten damaligen Standardjäger der Luftwaffe Messerschmitt Bf 109 kaum Gemeinsamkeiten hatte, gaben die deutschen Behörden gegenüber dem internationalen Luftsportverband Fédération Aeronautique Internationale (FAI) den Flugzeugtyp als „Bf 109 R“ an. So wollte das Propagandaministerium den Eindruck erwecken, als handele es sich dabei um eine kaum modifizierte Einsatzmaschine. In Wirklichkeit hatte ein Konstruktionsteam um Robert Lusser bei Messerschmitt ab 1937 ein auf die Anforderungen des Rekordflugs zugeschnittenes Flugzeug konstruiert. In der NS-Zeit lieferten sich Willy Messerschmitt und Ernst Heinkel einen verbissenen Konkurrenzkampf um das beste Jagdflugzeug für die Luftwaffe. Bei der Entscheidung, welches der Standardjäger der 1935 neu aufgestellten Teilstreitkraft werden solle, hatte sich Messerschmitt mit seinem Entwurf durchgesetzt und sogar mit einer hochgezüchteten Bf 109 B den Geschwindigkeitsrekord für einmotorige Flugzeuge nach Deutschland geholt. Heinkel blieb nicht untätig und entwickelte aus seinem abgelehnten Entwurf die von 1938 bis 1940 in kleiner Stückzahl gebaute He 100, die am 30. März 1939 mit einer Geschwindigkeit von 746,606 Kilometer in der Stunde den absoluten Geschwindigkeitsweltrekord aufstellte. 

Lussers Team begann Anfang 1938 mit der Teilekonstruktion. Die Konstrukteure hatten bereits mit der Bf 109 versucht, das kleinstmögliche Flugzeug um einen leistungsfähigen Motor herum zu konstruieren. Die Me 209 sollte noch windschnittiger werden. Also senkte man den Stirnwiderstand, indem der Motor mit einer kombinierten Öl- und Verdampfungskühlung ausgerüstet wurde. Dabei wurde das Öl mit Luft gekühlt, die durch eine ringförmige Öffnung hinter dem Propellerspinner einströmte. Die Kühlflüssigkeit des Motors leitete man dagegen durch Wärmetauscher in den Flügeln. Hier sollte der Wasserdampf aus dem Motor wieder zu Wasser abgekühlt und dann in den Motor zurückfließen. Die Hitze wurde durch spezielle Partien der Flügeloberfläche abgestrahlt. 

Den Konstrukteur dieser neuartigen Oberflächenkühlung hatte Messerschmitt bei Heinkel abgeworben. Was in der Heinkel He 100 und im Schnellbomben- und Experimentalflugzeug He 119 funktioniert hatte, wurde in der Me 209 zum Problem. Es gelang nicht, den Kühlwasser-Kreislauf dicht zu bekommen. Also verlor das Flugzeug in der Luft sein Kühlmittel. Bei einem Rekordflugzeug erschien das tragbar, aber später sollte das zum Problem werden.

Die Me 209 besaß einen kurzen, gedrungenen Rumpf mit weit hinten liegendem Cockpit. Die kurzen Tragflächen hatten keine Vorflügel. Das Leitwerk war eher unterdimensioniert und setzte sich unter dem Rumpf als Kielflosse mit einem Schleifsporn fort. Als Antrieb dienten speziell modifizierte Daimler-Benz DB 601, damals das leistungsfähigste Triebwerk, das die deutsche Industrie liefern konnte. Normalerweise leistete der DB 601 um die 1200 PS. Die aufgerüsteten Motoren brachten es für einige Minuten auf 1800 PS, für etwa eine Minute sogar auf 2300 PS Leistung. Danach waren sie reif für den Austausch. 

Für seine Piloten war das Flugzeug regelrecht gefährlich. Durch den heißen Motor wurde es im Cockpit unangenehm warm. Außerdem drangen Abgase in die Pilotenkanzel. Die Steuerkräfte waren so hoch, dass die Piloten an den Grenzen ihrer körperlichen Kraft arbeiten mussten. Zudem reagierte die Me 209 empfindlich auf Seitenwind und brach bei der Landung gerne mal aus. Auch ungeschicktes Abbremsen konnte zum Ausbrechen oder sogar zur Bruchlandung führen. Beim Erstflug am 1. August 1938 mit der Me 209 V1 gab es denn auch sofort Probleme. Die Kühlung versagte, und Testpilot Herrmann Wurster gelang nur mit Mühe eine sichere Landung. Die V2 ging bei einer Notlandung so gründlich zu Bruch, dass sie ausfiel. Kurioserweise startete Fritz Wendel mit der Me 209 V1 zum Rekordflug, als Generalluftzeugmeister Ernst Udet mit Willy Messerschmitt beim Essen saß, um Messerschmitt über die Einstellung der Rekordflüge durch das Reichsluftfahrtministerium (RLM) zu informieren. 

Insgesamt vier Versuchsmuster baute Messerschmitt. Die vierte, die zum Prototypen für die geplante Einsatzversion werden sollte, erwies sich als völliger Fehlschlag. Man baute eine normale Kühlung sowie eine durch die Propellernabe schießende Drei-Zentimeter-Kanone ein und installierte in den Flügelwurzeln zwei 7,9-Millimeter-Maschinengewehre. Leitwerk und Flügel wurden vergrößert. In den Flügeln sollten zwei weitere Drei-Zentimeter-Kanonen eingebaut werden, aber der Platz reichte nicht. Die Testpiloten der Luftwaffe stellten dem Flugzeug ein verheerendes Zeugnis aus. Es konnte von normal ausgebildeten Fliegern nicht beherrscht werden und war von Feldflugplätzen nicht einsetzbar. Folglich ging die Me 209 nie in Serie.

Die Rekordmaschine Me 209 V1 wurde im Berliner Luftfahrtmuseum ausgestellt und während des Krieges nach Krakau ausgelagert. Ihr Rumpf und einige andere Teile sind bis heute im dortigen Luftfahrtmuseum erhalten.