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26.04.19 / Voller Hoffnung und Zuversicht / 25 Jahre nach den Massakern: Ruandas Präsident Paul Kagame hat die Ethnien in seinem Land versöhnt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-19 vom 26. April 2019

Voller Hoffnung und Zuversicht
25 Jahre nach den Massakern: Ruandas Präsident Paul Kagame hat die Ethnien in seinem Land versöhnt
Peter Entinger

Vor rund 25 Jahren erschütterte ein unfassbarer Völkermord in Ruanda die Weltöffentlichkeit. Die Wunden schmerzen noch heute, aber das Land hat einen erstaunlichen Wandel vollzogen. In der vorvergangenen Woche hat das Land das Gedenken an den Völkermord begonnen. 100 Tage lang wird im ganzen Land nun daran erinnert. Genauso lange, wie das Grauen damals dauerte.

Heute steht Ruanda nach Auffassung von Präsident Paul Kagame voller Hoffnung und Zuversicht da. Die Ruander würden sich niemals wieder gegenseitig angreifen und töten, sagte er: „Körper und Geist haben Amputationen und Narben davongetragen, aber keiner von uns ist allein. Wir Ruander haben uns selbst einen Neubeginn gewährt. Wir leben in einem Zustand des permanenten Gedenkens, jeden Tag, bei allem, was wir tun.“

Dem Völkermord in Ruanda, der sich zu einem schätzungsweise 3,5 Millionen Opfer kostenden Regionalkrieg ausweitete, lag ein ethnischer Konflikt zwischen den Völkern der Bahutu und der Batutsi zugrunde. Die Geschichte der Gewalteskalation zwischen den beiden Völkern reicht bis weit in die Kolonialzeit zurück. Ruanda war bis zum Ende des Ersten Weltkrieges zunächst deutsche (1884–1916), anschließend belgische Kolonie. Über Jahrzehnte hatte sich der Hass der Volksgruppe der Hutu gegen die Minderheit der Tutsi angestaut. Schon 1959 war es zu Massakern gekommen, die viele Tutsi in Nachbarländer hatten fliehen lassen.

Im Jahre 1994 war es wieder soweit. Auslöser für die Eskalation war ein Attentat. In der Nacht vom 6. auf den 7. April wurde das Flugzeug des damaligen ruandischen Präsidenten Juvenal Habyarimana, einem Hutu, über der Hauptstadt Kigali abgeschossen. Wer für den  Anschlag verantwortlich war, wurde nie offiziell geklärt. Es war jedenfalls, als hätten die Hutu-Milizionäre nur darauf gewartet. Das Morden begann, die Hutus wurden dabei von Armee, Polizei und Milizen unterstützt. Und die internationale Staatengemeinschaft schaute zu.

Der Befehlshaber der UN-Friedensmission, die damals in Ruanda stationiert war, der kanadische Generalmajor Romeo Dallaire, bat mehrfach vergeblich um Hilfe. Statt zu unterstützen, zogen fast alle Länder ihre Soldaten ab. Das Unheil nahm seinen Lauf. Am Ende sollen rund 800000 Menschen ums Leben gekommen sein, eine genaue Statistik gibt es nicht.

25 Jahre später sind die Wunden verheilt, aber die Narben schmerzen noch. Präsident Kagame führt das Land autoritär und straff. Aber die soziale Ungleichheit, die ausschlaggebend für den Bürgerkrieg war, konnte er weitgehend beenden. Kagame war Anführer einer Rebellengruppe der Tutsi, der Rwandan Patriotic Front. Die Miliz eroberte vor 

25 Jahren die Hauptstadt Kigali und beendete so die Gewalt. Und der Präsident schaffte das, was man kaum für möglich hielt: Sein Kabinett besteht zu mehr als der Hälfte aus Hutus. Etwa zwei Millionen Menschen leben in Kigali, Hutu und Tutsi Seite an Seite. „Unter den Überlebenden des Genozids gibt es offenbar kaum Hass und keine Rachegefühle. Verantwortliche sind bestraft worden, und Opfer erhielten materielle und symbolische Entschädigungen“, berichtet das Online-Portal der „Tagesschau“.

Die wirtschaftliche Entwick-lung des Landes ist unterdessen beachtlich. Mit Wachstumsraten von im Schnitt acht Prozent liegt man weit über dem afrikanischen Durchschnitt. Der Anteil der Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, wurde halbiert. Frauen sind mittlerweile weitgehend gleichberechtigt, der Einfluss krimineller Clans tendiert gegen Null. Längst hat sich das Land für ausländische Investoren geöffnet. Nicht weniger als 

41 Prozent der nationalen Ausgaben fließen in Gesundheit und Bildung. Eine Unterscheidung zwischen Hutu und Tutsi gibt es laut Landesverfassung nicht mehr. In den Schulen wird mittlerweile gelehrt, dass alle Ruander ein Volk sind.

Ruanda gilt heute als das sauberste Land Afrikas – und der Grund dafür heißt: Umuganda. Das bedeutet in der Landessprache Kinyarwanda so viel wie „Arbeit an der Gemeinde“. Am letzten Sonnabend im Monat muss jeder, der mindestens 18 Jahre alt ist, für seine Gemeinde arbeiten: Straßen kehren, Wegesränder bepflanzen, Häuser renovieren. Aus der Reihe tanzt niemand. Das Regime nutzt den Sonnabend, um die zwölf Millionen Ruander auf die „Ein-Volk-Parole“ einzuschwören. Der Versöhnungsprozess ist staatlich verordnet. Wer sich der Regierungslinie verweigert, muss mit Strafen rechnen.

Menschenrechtsgruppen kritisieren bei allem Lob für die wirtschaftliche Entwicklung den autoritären Regierungsstil Kagames. Es gibt weder Presse- noch Versammlungsfreiheit. Kagame lässt es nicht zu, dass sich eine offizielle Opposition bildet – und rechtfertigt das mit der notwendigen Versöhnung des ethnisch gespaltenen Landes. 

Aber was ist das schon in einem Staat, in dem sich die Einwohner vor 25 Jahren noch gegenseitig umbrachten? Wo der Präsident dafür gesorgt hat, dass mehr als 90 Prozent aller Kinder eine Schule besuchen und dass die Sicherheitslage die vielleicht beste in einem afrikanischen Land ist. Die Lebenserwartung hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten nahezu verdoppelt, die Opfer von früheren Gewaltverbrechen wurden dabei herausgerechnet.

„Nie wieder wird so etwas passieren“, sagt der 1,90 Meter große Präsident. 61 Jahre ist der ehemalige Rebellenführer mittlerweile alt – und „mindestens 25 Jahre“ möchte er noch regieren.