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26.04.19 / Frei gedacht / Die Kraft des Baumes

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-19 vom 26. April 2019

Frei gedacht
Die Kraft des Baumes
Eva Herman

Heute wollen wir einmal über die Kraft der Natur, die heilende Energie des Waldes sprechen. Denn jetzt beschäftigt sich auch die internationale Wissenschaft wieder einmal mit der geheimen Gabe des Baumes, lindernd und heilend auf den gestressten Menschen der Jetztzeit einzuwirken. Eine namhafte Professorin der Universität Michigan hat aktuell ganz bahnbrechende Dinge zu berichten, jedenfalls stellen unsere Medien diese Forschungsergebnisse als wahre Sensation dar. Der neue Trend mit beruhigender Wirkung heißt jetzt Waldbaden. Ach, ja? Aber mal ehrlich: Brauchen wir tatsächlich Experten, die uns erklären, wie gut es für uns wäre, öfter in die Natur hinauszugehen?

Meine Mutter hat uns Kinder früher jeden Tag rausgeschickt an die frische Luft. Und für uns war es ganz selbstverständlich, stundenlang da draußen zu spielen: Blinde Kuh, Fangen, Gummitwist, während die Jungs Cowboy und Indianer waren und Staudämme an dem kleinen Bach bauten. Wenn wir abends heim kamen, fielen wir vor Müdigkeit oft direkt ins Bett. Schlaf- oder Stressprobleme kannte damals niemand von uns.

Doch der moderne Mensch von heute, bis an die Zähne industrialisiert, der klassische Laptopper, der keinen Schritt mehr ohne Wlan-Verbindung tun kann, um ja stets online zu sein, was weiß er noch davon? Er tut sich viel schwerer mit sol-

chen Selbstverständlichkeiten. Offenbar braucht er Anregungen, Hilfe von außen, um den Weg nach draußen endlich zu finden. Insofern ist es gut, wenn also die Wissenschaftler jetzt über die Notwendigkeit eines täglichen Aufenthaltes in der Natur von mindestens 20 Minuten sprechen.

Auch japanische Forscher haben dieses Thema für sich entdeckt. Dort, wie übrigens auch in den USA, ist das Waldbaden inzwischen eine staatlich anerkannte Therapie. Waldatmosphäre mit Vogelgezwitscher und dem Murmeln eines Wasserlaufs aktiviert auch den Parasympatikus, den sogenannten Ruhenerv, heißt es in einem Bericht. Dieser ist für Stoffwechsel, Erholung und den Aufbau körpereigener Reserven verantwortlich. Im Wald sorgt er dafür, dass die Stresshormone zurückgefahren werden und der Blutdruck sinkt.

Auch der österreichische Biologe Clemens Arvay hat sich auf die Suche gemacht, um die Heilkraft des Waldes zu ergründen. Er erklärt, wie und warum das Waldbaden überhaupt wirkt: „Im Wald kommunizieren Pflanzen untereinander. Sie schütten chemische Verbindungen aus, sogenannte Terpene, und geben sie an die Luft ab. So warnen sie andere Pflanzen vor Angreifern oder Schädlingen, die daraufhin ihr Immunsystem hochfahren, um sich zu schützen.“ Japanische Wissenschaftler der Nippon Medical School in Tokio bestätigen das. Inzwischen sollen etwa 40000 dieser „Pflanzenvokabeln“ sogar entschlüsselt worden sein. „Auch wir Menschen empfangen diese Signale, wenn wir durch den Wald gehen und auch unser Immunsystem reagiert darauf, indem es aktiv wird.“ Und so ist die Waldmedizin in Japan inzwischen eine anerkannte wissenschaftliche Disziplin, die an Universitäten und Hochschulen gelehrt und die weiter erforscht wird.

Geh doch einmal allein hinaus! Lass alles stehen und liegen, lauf durch den Wald, das Feld, auf eine Lichtung zu! Wie schnell verfliegt jeder Ärger, jeder Stress, wenn du da draußen nur tief einatmest, alle Probleme zurückstellst und innehältst vor einem alten Baum, um seiner Geschichte zu lauschen. Vieles weiß er zu erzählen, und genauso wie du haben hier schon viele andere gestanden. Öffne nur deine Sinne, und du wirst das Wispern und Rascheln, das Rauschen und Raunen hören, und es wird dir helfen, deine Sorgen schnell zu vergessen.

Der Baum hat viele Freunde: Es sind die Vögel des Himmels, die sich hier niederlassen und uns ihren wunderschönen, heilenden Gesang schenken. Es sind die goldenen Sonnenstrahlen, die ihn Tag für Tag aufs Neue erwärmen, seinen alten Stamm mit gesundendem Licht kurieren, die ihn, der hier schon Hunderte Jahre steht, immer in neuen, ganz verschiedenen Tönen leuchten lassen. Lausch seiner Geschichte, nenn ihn deinen Freund, diesen alten, starken Baum, entdecke in deinem Inneren sein Wesen, entwickele ein neues Wissen über sein Leben, seinen Werdegang. Dann wirst du schnell sehen, dass ihr eine Verbindung habt, der Baum und du, die dich stärken wird.

Besuch ihn öfter, deinen neuen, alten Freund. Sieh ihn dir an, wenn er im Herbststurm sein Kleid ablegt, wenn seine Blätter um deine Ohren wehen und ihn ganz bloß erscheinen lassen. Gewiss, er rüstet sich für den kalten Winter, für den tiefen Schlaf, für seine wohlverdiente Ruhepause. Leg dein Ohr nah an seinen Stamm und hör zu, was er dir sagt: Das Leben kehrt wieder, sei nicht traurig. Schenk mir die Ruhe, ich möchte nur schlafen. Ganz leise wirst du davonschleichen, ihm noch einmal zuwinken und dich mit ihm verabreden für den nächsten Frühling.

Und dann, wenn der sanfte Schnee die Zweige deines guten Freundes bedeckte, wenn die wärmenden Sonnenstrahlen ihn wieder dahinschmelzen lassen, wenn neue Stürme den jungen Kreislauf der Natur einleiten, und wenn zarte Knospen auf des alten Baumes Ästen und Zweigen sich zeigen und aufspringen wollen, dann zieht es dich wieder hin zu dem alten Baum. Jung und voller Lebenskraft empfängt er dich: Lehn dich nur einmal an seinen starken Stamm. Hörst du es, wie es drinnen tönt? Ein Ziehen und Wachsen ist es, das neue Leben durchströmt jeden Ast, seine Rinde erglüht unter der Kraft des Frühlingslichtes. Und du? Du spürst sie plötzlich, die heitere Lebendigkeit, die unsichtbaren Ströme, die dich umarmen und hochreißen wollen in übermütiges Jauchzen, in die strahlende Kraft des Himmelslichtes, welchem er heute besonders zustrebt. Umarme ihn, deinen treuen alten Freund, verbinde dich mit seiner Energie und danke dem Schöpfer für dieses wundervolle Gnadengeschenk.

Spürst du das Glück? Die Leidenschaft, die dich ergreift, sobald du die vertraute Nähe deines Baumes erleben darfst? Spürst du endlich, worauf es ankommt in deinem Leben? Du siehst ihn dort stehen, in seiner ganzen Kraft und Pracht, in seiner Weisheit und Güte, in seiner Pflicht und Treue. Er spendet dir Ruhe und Wärme, Schutz und Segen, er schenkt dir Stärke. Geh so oft zu ihm, wie du nur kannst, und du wirst bald feststellen, dass alles in deinem Leben besser wird, ruhiger, übersichtlicher, ausgeglichener. Gib ihm, deinem Freund, dem Baum, auch etwas zurück: Respekt, Achtung und Liebe. Weite diese Liebe ins Unendliche aus, öffne deine Arme und entdecke deine Liebe zur Natur, zu allen anderen Lebewesen auf der Erde und darüber. 

Fühl die Kraft des alten Baumes als deinem Energiespeicher, um das Unerwartete, Unaussprechliche endlich spüren, erleben zu dürfen. Finde die Liebe, die wahre Liebe, die alles umfasst, was der Schöpfer uns schenkt. Lerne endlich, diesen Weg zu gehen. Und du wirst sehen, dass er dich leiten wird in Glück und Frieden. Denn alle Probleme dieser Welt werden im Angesicht der wahren Liebe vergehen und vergessen werden. Lausche deinem Freund, dem alten Baum. Er wird dich in alle Erkenntnis leiten.

Der österreichische Biologe Clemens Arvay sagt: „Die Medizin der Zukunft sollte den Menschen als das betrachten, was er eigentlich ist: ein Naturwesen, das untrennbar mit seiner Umwelt verbunden ist.“