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26.04.19 / Niccolò Machiavelli war kein Machiavellist / Der Autor von »Il Principe« hat die Mechanismen der Macht wissenschaftlich analysiert, aber nicht propagiert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-19 vom 26. April 2019

Niccolò Machiavelli war kein Machiavellist
Der Autor von »Il Principe« hat die Mechanismen der Macht wissenschaftlich analysiert, aber nicht propagiert
Wolfgang Kaufmann

Der italienische Diplomat und Schriftsteller Niccolò di Bernardo dei Machiavelli, dessen Geburtstag sich dieser Tage  zum 550. Male jährt, zählt zu den umstrittensten und meistkritisierten politischen Philosophen der Geschichte. Dabei taugt der sogenannte Machiavellismus keineswegs als theoretische Rechtfertigung von Skrupellosigkeit und Unmoral.

Wenn der Begriff „Machiavellismus“ heutzutage auch durchweg negativ besetzt ist, so war sein Namensgeber doch ein glühender Republikaner, der viele Ideen propagierte, die heute als unabdingbare Grundpfeiler demokratischen Denkens gelten. So wie beispielsweise die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz. Bevor sich Machiavelli hierzu in seinen zahlreichen theoretischen Schriften äußerte, durchlief er erst einmal eine Karriere als Staatssekretär der Zweiten Kanzlei des Rates der Zehn der Republik Florenz. In dieser Eigenschaft war der Gegner der entmachteten Familiendynastie der Medici von 1498 bis 1512 für die Außen- und Verteidigungspolitik zuständig. Hierdurch lernte er viele mächtige Männer der damaligen Zeit persönlich kennen wie den französischen König Ludwig XII., Papst Julius II., Kaiser Maximilian I. oder den Renaissancefürsten, Feldherrn und Kardinal Cesare Borgia. Das hautnahe Studium ihres politischen Handelns brachte Machiavelli manch wichtige Einsicht.

Zusätzlich wurde er 1506 Leiter der Militärbehörde. In dieser Eigenschaft schuf er ein Heer, in dem die Florentiner Bürger und Bauern dienten. Dadurch brauchte die Republik keine teuren und unzuverlässigen Söldnerhaufen mehr zu engagieren, um ihre Interessen zu verteidigen. Der größte militärische Erfolg von Machiavellis Bürgermiliz war der Sieg über Pisa, das am 8. Juni 1509 kapitulierte. 

Dann allerdings wendete sich das Blatt. Florenz erlitt eine militärische und politische Totalniederlage gegen eine Allianz des Papstes mit Spanien. Dadurch konnten Kardinal Giovanni de’ Medici, der spätere Papst Leo X., sowie dessen Bruder Giuliano und Neffe Giulio aus dem Exil zurückkehren und wieder an die Schalthebel der Macht gelangen.

Für Machiavelli hatte das den Verlust sämtlicher Ämter zur Folge, was ihn in seiner erbitterten Gegnerschaft zu den Medici bestärkte. Er war aber viel zu bedacht, um sich an dem dilettantischen Komplott vom Februar 1513 zu beteiligen, das auf den erneuten Sturz der Medici abzielte. Inhaftiert und gefoltert wurde Machiavelli trotzdem. Vor einem grausamen Ende im Kerker bewahrte ihn lediglich die Wahl von Giovanni de’ Medici zum Papst. Durch die anschließende Amnestie kam der geschasste Staatssekretär am 12. März 1513 wieder frei.

In den folgenden Jahren lebte Machiavelli als Verbannter auf dem Landgut Albergaccio vor den Toren von Florenz. Dort verfasste er trotz seiner aufgrund der Misshandlungen verkrüppelten Hände mehrere staatsphilosophische Schriften, mit denen er die Hoffnung verband, dass sie ihm die Rückkehr in die Politik ermöglichten. Späterhin katzbuckelte Machiavelli dann sogar vor den verhassten Medici, um wieder ein Amt zu erlangen. Genutzt hat ihm beides nichts, da er sich mit seinen Werken letztlich zwischen alle Stühle setzte.

Zuerst schrieb Machiavelli „Il Principe“ (Der Fürst). In dieser Schrift formulierte er wesentliche Grundsätze der Staatsräson, wie die Trennung von Moral und Realpolitik sowie die konsequente Umsetzung restlos alles Notwendigen zur Erhaltung des Staates. Gleichzeitig ließ Machiavelli aber auch deutlich durchblicken, dass keine Einzelperson jemals dem Bild des von ihm konstruierten Idealherrschers entsprechen könne. 

Anschließend – und in völlig logischer Fortsetzung von „Il Principe“ – entstanden dann die „Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio“ (Abhandlungen über die ersten zehn Bücher des Titus Livius), in denen es um das perfekte Staatswesen ging. Darin vertrat Machiavelli unter anderem folgende Ansicht, die ganz offenkundig zu seinen absoluten Grundprinzipien gehörte, weil er sie noch mehrmals in ähnlicher Form wiederholte: „Kein Gesetz ist vor Gott und den Menschen lobenswerter als die Ordnung, die eine wahre, einige und heilige Republik begründet, in der man frei beratschlagt, klug dis­kutiert und das Beschlossene getreulich ausführt.“

Am 6. Mai 1527 plünderte das Heer von Kaiser Karl V. Rom. Daraufhin musste Giulio de’ Medici, der sich als Papst  Clemens VII. nannte, die Flucht ergreifen. Dadurch brach das Regime der Medici in Florenz zum zweiten Male zusammen. Nach Wiederinkrafttreten der republikanischen Verfassung am 16. Mai 1527 bewarb sich Machiavelli erneut um einen Posten als Staatssekretär, doch fiel ihm nun die späte Annäherung an die Medici auf die Füße. Nur zwölf der 567 Mitglieder des Großen Rates von Florenz stimmten für seine Ernennung. Wenige Tage später, am 21. Juni 1527, starb der verarmte Ex-Politiker, der sich nie im Amt bereichert hatte wie so viele andere, an einem Magenleiden.

Zu diesem Zeitpunkt war der sogenannte Machiavellismus bereits stark in Verruf geraten. Die darin zum Ausdruck kommende Fürstenkritik bei gleichzeitiger Propagierung republikanischer Ideen empfanden viele Herrscher als Infragestellung der „gottgewollten“ Ordnung. Deshalb animierten sie ihre Haus- und Hofgelehrten, „antimachiavellestische“ Traktate zu verfassen. Darüber hinaus entschied Papst Paul IV. im Jahre 1559, Machiavellis Werke auf die erste offizielle Liste der verbotenen Bücher (Index Librorum Prohibitorum) zu setzen. Im Prinzip widerfuhr Machiavelli das Gleiche wie jenen, die heute öffentlich anzweifeln, dass die Obrigkeit zum Wohle des Volkes handele.