26.04.2024

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26.04.19 / Vom Niederrhein bis Hinterpommern / Ein neuer ethnologischer Park soll über das Leben der Ostseefischer erzählen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-19 vom 26. April 2019

Vom Niederrhein bis Hinterpommern
Ein neuer ethnologischer Park soll über das Leben der Ostseefischer erzählen
Chris W. Wagner

Das Fischerdorf und Seebad Horst [Niechorze] in Hinterpommern mit seinem malerischen Leuchtturm bekommt eine weitere Attraktion – einen ethnographischen Park. Reetgedeckte Fischerkaten aus dem 19. Jahrhundert mit Brotofen und einer Fischräucherei sowie eine Windmühle werden dort bald zu besichtigen sein.

Die zwölfeinhalb Meter hohe Windmühle steht bereits. Gekauft für den sprichwörtlichen einen Zloty musste die Mühle einen weiten Weg zurücklegen, nämlich von Okrau [Okrowo] bei Schrimm [Srem] in Großpolen bis an die Ostsee. „Auch das Zerlegen war schwierig, dafür beauftragten wir Goralen (eine westslawische Ethnie) aus der Tatra“, so Szymon Jedrzejowski vom Verband der Freunde der Ostseefischertradition in Horst [Niechorze] gegenüber der Zeitung „Rzeczpospolita“.

„In den letzten Jahren wurde die Windmühle als Sommerhäuschen genutzt und dadurch wurde manches im Inneren verändert“, berichtet Tomasz Bogdaniec, der für die Sanierung zuständig ist. Die Mühle sei aber in einem guten Zustand und selbst der Antrieb funktioniere noch gut, freut sich Jedrzejowski: „Jetzt muss nur noch der Platz um die Mühle herum geordnet und bald den Besuchern zugänglich gemacht werden“. 

Auf der einen halben Hektar großen Fläche des Ethno-Parks müssen aber noch weitere Gebäude platziert werden. So findet hier bald ein Wirtshaus genauso wie ein Ausstellungsraum seinen Platz. Im Ausstellungsgebäude sollen die Besucher zum Beispiel den Weg eines frisch gefangenen Fisches bis zu einer leckeren Mahlzeit nachempfinden können. „Wir möchten, dass vor allem Schulkinder hier selbst ein Fischgericht zubereiten können“, so Jedrzejowski. 

Da es in Horst keine historischen Fischerhäuser mehr gibt, müssen diese erst gebaut werden. Man will nach historischen Plänen Gebäude aus dem Ort Fischerkaten (Pogorzelica), vor allem aber aus Kamp am Kamper See [Kepa Nadmorska] unweit von Treptow [Trzebiatow], entsprechend nachbauen. Der inmitten ausgedehnter Sümpfe gelegene Ort Kamp war lange Zeit nur über Wasserwege zu erreichen. Die Kamper lebten von der Fischerei und von der Wiesenwirtschaft. Bis 1946 standen in Kamp noch neun altsächsische Rauchhäuser (auch Niedersachsenhäuser genannt). Es handelte sich dabei um Fachhallenhäuser aus Fachwerk, die aus dem 13. bis 15. Jahrhundert stammten. Diese altsächsischen Rauchhäuser wurden so gebaut, dass der Wohnraum, Stall sowie das Erntelager einen großen „Hauskörper“ bildeten. Diese Hausform war bis zu ihrem Niedergang im 19. Jahrhundert in der Norddeutschen Tiefebene vom Niederrhein bis nach Hinterpommern verbreitet. 1946 brannten sechs dieser Fachhallenhäuser durch sowjetische Leuchtspurgeschosse in Kamp ab, die übrigen wurden in den fünfziger Jahren zerstört.

Nun wollen die Freunde der Ostsee-Fischertradition diese altsächsischen Rauchhäuser im Horster Ethno-Park nachbauen. Auf die Idee brachte sie der ehemalige Fischer Henryk Gmyrek bereits 1992, doch erst jetzt sind dafür Gelder gefunden worden. Die erste Etappe der Wiederaubauarbeiten soll 3,8 Millionen polnische Zloty kosten (887000 Euro). Davon will die Woiwodschaft Westpommern 2,5 Millionen Zloty (584000 Euro) finanzieren. In dieser ersten Etappe wird ein gastronomischer Teil bis 2020 fertiggestellt werden.

Der Verband Freunde der Ostsee-Fischertradition in Horst rührt für seinen Ethno-Park kräftig die Werbetrommel, so auch während des ebenfalls von den Freunden der Ostsee-Fischertradition ins Leben gerufenen Heringfestes (Swieto SSledzia Baltyckiego). Dieses findet jährlich Anfang Juli in Horst statt und ist ein weit über die Grenzen der Woiwodschaft Westpommern bekanntes Fischereifest. 2019 findet es am 6. und 7. Juli bereits zum 

18. Mal statt. Dann wird sich der Platz am Horster Leuchtturm wieder mit Touristen und Einheimischen füllen. Auf der Bühne erklingen Shantys, und in einem großen Topf wird Fischsuppe gekocht. Lokale Fischer berichten über ihre Arbeit auf See und ihre Geschichten werden mit viel Seemannsgarn spannend erzählt.