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03.05.19 / Machtwechsel in Südafrika / Unter dem Druck des Westens überließen die Weißen am Kap vor 25 Jahren den Schwarzen die Herrschaft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-19 vom 03. Mai 2019

Machtwechsel in Südafrika
Unter dem Druck des Westens überließen die Weißen am Kap vor 25 Jahren den Schwarzen die Herrschaft
Wolfgang Reith

Als Nelson Mandela am 10. Mai 1994 sein Amt als Präsident der Republik Südafrika antrat, sah sich die nichtweiße Bevölkerungsmehrheit des Landes, zu der neben den Schwarzen die Coloureds (Farbigen), die Inder sowie auch die Ureinwohner, die San (Buschleute) und die Khoikhoi (Hottentotten) gehören, endlich am Ziel, denn fast dreieinhalb Jahrhunderte lang hatten weitgehend die Weißen die Macht ausgeübt. 

Dass der Übergang von der weißen zu einer von Schwarzen dominierten Regierung in nur wenigen Jahren und vor allem ohne Revolution abgelaufen war, war sicherlich auch der im Umbruch begriffenen weltpolitischen Situation der Jahre 1989/90 geschuldet. Östlich des Eisernen Vorhangs begannen die Staatshandelsländern zu erodieren, und es kam bald zu einem Zusammenbruch des gesamten Ostblocks. Damit verlor der Afrikanische Nationalkongress (ANC) seine traditionellen Verbündeten. Die Westmächte nutzten die Gunst der Stunde und drängten den wegen seiner Lage an der Südspitze Afrikas geostrategisch wichtigen Vielvölkerstaat zu Reformen.

Längst hatten weitsichtige Kräfte innerhalb der Südafrika regierenden Nationalen Partei (NP) erkannt, dass die Politik der getrennten Entwicklung (Apartheid) allein schon deshalb zum Scheitern verurteilt war, weil sie von der Weltgemeinschaft abgelehnt wurde. Bei einer Beibehaltung des Kurses wäre Südafrika auf Dauer international isoliert gewesen. Der Zufall wollte es, dass der eher konservative Staatspräsident Pieter Willem Botha Anfang 1989 einen Schlaganfall erlitt und anschließend nur noch eingeschränkt handlungsfähig war. Zwei Wochen später trat er auf Druck aus seinen eigenen Reihen zunächst vom Amt des Vorsitzenden der Regierungspartei zurück und wurde durch den moderateren Frederik Willem de Klerk ersetzt. Im Juli 1989 empfing Botha in seiner Residenz in Kapstadt zwar noch den inhaftierten Nelson Mandela, gleichwohl schien seine Zeit endgültig abzulaufen, denn inzwischen mehrten sich im Lande die Anzeichen vorsichtiger Reformbestrebungen. 

Am 8. April des Jahres hatten sich die Fortschrittliche Bundespartei (PFP), die Nationale Demokratische Bewegung (NDM) und die Unabhängige Partei (IP) zur Demokratischen Partei (DP) zusammengeschlossen, die nun zur wichtigsten Oppositionspartei wurde. Kurz darauf verurteilte eine der beiden weißen reformierten Kirchen des Landes, die bislang die Politik der getrennten Entwicklung gestützt hatten, die Rassentrennung als Sünde. Und bei einer Wahlveranstaltung Ende Juli 1989 erklärte Außenminister Roelof („Pik“) Botha, die Freilassung Mandelas könne „das Land von einem ‚Albatros um den Hals’ befreien“. Vor diesem Hintergrund trat Pieter Willem Botha im August 1989, also noch kurz vor den Parlamentswahlen der Weißen vom September des Jahres, zurück. Am Tage nach Bothas Rücktritt wurde de Klerk als dessen Nachfolger im Präsidentenamt vereidigt. 

Bei den Parlamentswahlen der Weißen erlitt die Nationale Partei zwar einen Rückschlag, konnte aber die absolute Mehrheit behaupten. Eine Woche später wählten die Abgeordneten aller drei Parlamentskammern – der Weißen, der Inder und der Farbigen – de Klerk mehrheitlich zum Staatspräsidenten, was als Mandat für seine Reformpolitik interpretiert wurde. 

Und dann ging alles Schlag auf Schlag: Bis zum Ende des Jahres 1989 erfolgte die Abschaffung der Apartheid in den meisten öffentlichen Einrichtungen sowie die Aufhebung der Rassentrennung an allen Badestränden des Landes. Walter Sisulu, ehemaliger Generalsekretär des ANC und Mitstreiter Mandelas, wurde aus der Haft entlassen. Bald darauf fand eine erste Kundgebung des seit 1960 verbotenen ANC statt. Und noch vor Weihnachten wurde Mandela von de Klerk in dessen Kapstädter Residenz empfangen.

Am 2. Februar 1990 kündigte der Staatspräsident vor dem Parlament bahnbrechende Reformen an. Wenige Tage später entließ er auch Mandela nach fast 28-jähriger Haft aus dem Gefängnis. Der ANC und die Kommunistische Partei wurden wieder zugelassen. Politische Gefangene wurden freigelassen. Außerdem wurde die Hinrichtung zum Tode Verurteilter ausgesetzt. Im März 1990 wurde Mandela zum Vizepräsidenten des ANC gewählt. Und schon im folgenden Monat kam ein erstes Gespräch zwischen ihm und de Klerk zustande, das den Beginn der Zusammenarbeit zwischen Regierung und ANC bedeutete und bald in ernsthafte Verhandlungen mündete. ANC-Präsident Oliver Tambo, der im August 1989 ebenfalls einen Schlaganfall erlitten hatte, befand sich seitdem in London in Behandlung und fiel daher als Unterhändler vorläufig aus. Kurz nach dem Gespräch zwischen de Klerk und Mandela trafen sich Vertreter der Regierung und des ANC zu einer ersten Gesprächsrunde und vereinbarten die Schaffung einer gemischten Arbeitsgruppe. Der seit 1986 bestehende Ausnahmezustand wurde aufgehoben, die meisten Apartheid-Gesetze abgeschafft. Und bei einem Treffen mit Vertretern der Inder, der Farbigen sowie der schwarzen Homelands erteilten diese dem Staatspräsidenten das Mandat für die Ausarbeitung einer neuen Verfassung. Bei der ersten Nationalkonferenz des ANC im Juli 1991 wurde Mandela zum neuen Präsidenten gewählt, der damit den im Dezember 1990 aus dem Exil zurückgekehrten, aber immer noch schwerkranken Tambo in diesem Amt ablöste.

Nachdem ein Sonderparteitag der Nationalen Partei im September 1991 dem Verfassungsentwurf, der ein allgemeines Wahlrecht für alle Bevölkerungsgruppen vorsah, zugestimmt hatte, ließ de Klerk im März 1992 die Weißen des Landes in einem Referendum über seine Reformvorhaben abstimmen. 68,7 Prozent billigten de Klerks Vorhaben. Im April 1993 ernannte er erstmals drei nichtweiße Minister, einen Inder und zwei Schwarze. Ein Vierteljahr später stand der Entwurf für eine Übergangsverfassung fest, den eine Allparteienkonferenz ausgearbeitet hatte und der im November desselben Jahres mit großer Mehrheit verabschiedet wurde. Nelson Mandela und de Klerk erhielten am 10. Dezember 1993 in Würdigung ihrer Verdienste den Friedensnobelpreis verliehen. 

Währenddessen nahm ein Übergangs-Exekutivrat seine Arbeit auf. Vom 26. bis zum 29. April 1994 fanden dann die entscheidenden Wahlen statt. Der ANC erzielte 62,6 Prozent der Stimmen, die Nationale Partei 20,4 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei immerhin 86,9 Prozent. Es wurde eine „Regierung der nationalen Einheit“ gebildet, an der alle Parteien beteiligt waren, die mehr als 20 Abgeordnete stellten. Außer dem ANC und der NP war dies die Inkatha Freedom Party (IFP) unter dem Vorsitz des Zulu-Prinzen Mangosuthu Buthelezi. Neben Mandela als Präsident amtierten Thabo Mbeki (ANC) als Erster und de Klerk (NP) als Zweiter Vizepräsident. Nachdem das Internationale Olympische Komitee (IOC) Südafrika schon für die Olympischen Spiele 1992 zugelassen hatte, wurde das Land noch im Laufe des Jahres 1994 erneut Mitglied im Commonwealth of Nations und durfte ebenso seinen Sitz in der UN-Vollversammlung wieder einnehmen, aus der man es 1974 ausgeschlossen hatte. Zudem wurde es in die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) und damit in die Völkerfamilie des Kontinents aufgenommen, deren wichtigster Staat es seither ist.





Flaggenwechsel in Südafrika

Der Wechsel im politischen System sollte sich auch in einer neuen Flagge ausdrücken. Das Problem war, dass sich sowohl die Anhänger als auch die Gegner des alten Systems, sowohl die Schwarzen als auch die Weißen in der neuen Flagge wiederfinden sollten. 

Ende Oktober 1993 veröffentlichte die Kommission für nationale Symbole, die im Laufe der Mehrparteien-Verhandlungen über den Aufbau eines demokratischen Systems eingesetzt worden war, sechs von insgesamt 3000 eingegangenen Flaggenentwürfen, in denen die Farben Blau, Gelb und Grün dominierten. Die beiden letztgenannten Farben sollten dabei die Goldvorkommen und die grüne Landschaft symbolisieren, während Blau für das Meer stand. Unter ästhetischen Gesichtspunkten ist diese Farbmischung nicht optimal, um nicht zu sagen kontrastarm und damit langweilig, weil man Grün erhält, wenn man Blau und Gelb mischt. Zudem fanden weder die Schwarzen noch die Weißen ihre Hautfarbe in dem Flaggenentwurf wieder. 

Letztlich entschied man sich für die heute noch gültige Flagge. Der zentrale zusammenlaufende grüne Streifen in Form eines liegenden „Y“ soll die Einheit des Landes nach dem Ende der Apart­heid symbolisieren. 

Rot, Weiß und Blau in dieser Reihenfolge längsgestreift ist der Dreifarb der Niederlande, in denen viele Buren ihre Wurzeln haben. Rot, Weiß und Blau sind aber auch die Farben des Union Jack, der Flagge der Briten, deren Kolonie Südafrika längere Zeit war. Davon abgesehen kann man Rot auch als die Farbe des Blutes, das während der Befreiungskämpfe vergossen wurde, Blau als die Farbe der beiden Ozeane und des Himmel sowie Weiß als die Farbe des Friedens und des weißen Bevölkerungsanteils interpretieren. 

Schwarz, Grün und Gelb hingegen haben in den unterschiedlichsten Kombinationen vor allem im Südosten Afrikas eine Tradition. Schwarz-Grün-Gelb ist der Dreifarb des ANC. Gemeinhin wird das Schwarz als die Farbe der schwarzafrikanischen Menschen, Gelb als Symbol für Gold wie den Reichstum an Bodenschätzen sowie Grün als die Farbe des Waldes und der blühenden Felder interpretiert.W.R./PAZ