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03.05.19 / Schlüssel zum Verständnis einer Metropole / Marek Krajewskis Krimis versöhnten die Breslauer mit der deutschen Vorkriegsgeschichte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-19 vom 03. Mai 2019

Schlüssel zum Verständnis einer Metropole
Marek Krajewskis Krimis versöhnten die Breslauer mit der deutschen Vorkriegsgeschichte
Chris W. Wagner

Der für seine Breslau-Krimireihe berühmte Altphilologe und Kriminalautor Marek Krajewski feiert 20 Jahre seiner schriftstellerischen Karriere. Die Breslauer ehren ihren bekannten Autor mit einem Breslau-Zwerg, der Krajewskis Antlitz trägt. 

Wenn Reiseführerin und Autorin Malgorzata Urlich-Kornacka Reisegruppen durch die Schlesische Metropole führt, macht sie die Besucher stets auf die 30 Zentimeter kleinen Bronze-Zwerge aufmerksam. Die ersten zwölf Zwerge zierten 2004 erst die Altstadt, später die ganze Stadt. 2018 waren es bereits 600 und sie „erzählen“ die Geschichte der Orte, an denen sie platziert sind wie beispielsweise die bayerische Zwergin am Restaurant „Bierhalle“ am Ring 26 oder die sich zuprostenden Polonicus und Germanicus am deutschen Generalkonsulat, die symbolisch für deutsch-polnische Zusammenarbeit stehen.

„Bald schon wird in Breslau ein weiterer Zwerg seinen Platz finden, es ist der Zwerg Ebi. Er trägt die Gesichtszüge von Marek Krajewski und stellt den Protagonisten aus Krajewskis Breslau-Reihe  Kriminalist Eberhard Mock dar“, so die Germanistin und Polonistin Urlich-Kornacka, deren beliebteste Breslau-Führung auf den Spuren der Krimis von Marek Krajewski führt. „Früher wohnte ich in einem Wohnblock im Breslauer Neubaugebiet Mariahöfchen (Nowy Dwor). Im Haus begegnete ich oft einem Mann, der genauso aussah wie der Schriftsteller Krajewski. Ich sagte damals zu meinem Ehemann: Der Mann könne am Doppelgängerwettbewerb teilnehmen, bestimmt bekäme er den ersten Preis. Doch es war kein Doppelgänger, sondern der Schriftsteller selbst!“, so die resolute Fremdenführerin. Sie fühlte sich nun verpflichtet, alle Bücher ihres berühmten Nachbarn zu lesen. Bald schon wurde sie sein größter Fan und brachte den Reiseführer „Schauergeschichten aus Breslau. Auf den Spuren der Kriminalromane von Marek Krajewski“ auf Polnisch und Deutsch heraus.

Mittlerweile sind Urlich-Kornacka und Marek Krajewski befreundet. Die Stadtführerin schätzt am Krimiautoren, dass er sehr akribisch das Leben und die Atmosphäre der Vorkriegsmetropole recherchiert hat. Auch die Orte des Geschehens in seinen Krimis sind nicht zufällig gewählt. So ist zum Beispiel der Rehdigerplatz 1, wo Kriminalist Mock wohnt, nur kurz von der Opitzstraße (ul. Zelazna) entfernt, wo Krajewski geboren wurde. „Als kleiner Junge hat er immer wieder auf den Straßen und in den alten Häusern Spuren der deutschen Vergangenheit gefunden. An den Türschlitzen stand ‚Briefe’ statt ‚listy’, unter dem bröckelnden Putz schimmerten Aufschriften wie ‚Obst und Gemüse‘ hervor. Es waren seine ersten Begegnungen mit der deutschen Sprache“, berichtet Urlich-Kornacka. die die Idee hatte, dem Schriftsteller einen Zwerg zu widmen. Denn in seinen Büchern hat er den polnischen und – durch die Übersetzungen von Paulina Schulz auch den deutschen – Lesern das Vorkriegsbreslau nähergebracht. 

„Der Zwerg Ebi hält ein Buch mit der Inschrift „Mock“ in der Hand. Er soll zum Lesen anregen und wird wahrscheinlich an der Jahrhunderthalle enthüllt werden. Dort, wo die Handlung eines der Breslau-Krimis spielt und wo auch Buchmessen organisiert werden“, so Ideengeberin Urlich-Kornacka. Der Ort für Zwerg Ebi sei perfekt gewählt, so die Reiseführerin. „Während der Renovierung der Jahrhunderthalle wurde eine unvollständige Liste mit Personen gefunden, die bei der Eröffnungsfeier 1913 dabei waren. Auf dieser befand sich ein Name, der wie sein Protagonist Mock mit -ock endete. Für Krajewski war es ein Himmelszeichen und er konstruierte daraufhin seinen Krimi mit dem jungen Mock in die Zeit vor der Eröffnung der Jahrhunderthalle“, so Urlich-Kornacka.

Mit dem ersten, 1999 erschienenen Kriminalroman „Tod in Breslau“, stürmte Krajewski die Bestsellerlisten in Polen. Bald schon folgten „Der Kalenderblattmörder“, „Gespenster in Breslau“, „Festung Breslau“, „Pest in Breslau“ und „Finsternis in Breslau“. Die neusten Bücher über den jungen Mock: „Mock“, „Der menschliche Zoo“ und „Mock. Ein Duell“ warten noch auf ihre deutsche Übersetzung.

Die Stadt würdigt zu seinem 20-jährigen Schaffensjubiläum Krajewski mit einer Wandmalerei, auf der das Porträt des „Vaters des polnischen Kriminalromans“, wie Krajewski gerne genannt wird, abgebildet sein wird. 

Das Musiktheater Capitol wird im Oktober ein Musical anhand seiner Kriminalromane aufführen.

Und derzeit laufen Vorbereitungen für den Dreh eines Films, in dem der Breslauer Eberhard Mock 1945 seinem polnischen Kollegen aus Lemberg symbolisch die Schlüssel für die Tore der nun polnischen Stadt übergibt. Die Handlung soll unmittelbar nach Kriegsende in Breslau spielen, wobei die Schlüsselübergabe der künstlerischen Freiheit der Filmemacher und nicht Krajewskis entspringt.