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10.05.19 / Chinas Weg in die Zukunft / Immer mehr westliche Länder schließen sich dem Seidenstraßenprojekt an – Deutschland aber zögert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-19 vom 10. Mai 2019

Chinas Weg in die Zukunft
Immer mehr westliche Länder schließen sich dem Seidenstraßenprojekt an – Deutschland aber zögert
Florian Stumfall

Der Westen sollte sich langsam an den Gedanken gewöhnen, dass China mit seinem Seidenstraßenprojekt wirtschaftlich in alle Welt expandieren will. Eine Konferenz in Peking machte jetzt Nägel mit Köpfen.

Man kann vom Projekt der Neuen Seidenstraße halten, was man will, doch nach der großen Konferenz in Peking ist eines nicht mehr möglich: Sie als einen chinesischen Spleen abzutun, über den der Rest der Welt hinwegsehen dürfte. Denn die Teilnahme von rund 100 internationalen Spitzenpolitikern, darunter 40 Staats- und Regierungschefs, dokumentierte eindrücklich die Bedeutung des Vorhabens. 

Dennoch kam aus Deutschland nur die zweite politische Garnitur in Person des Wirtschaftsmi-

nisters Altmaier. Dieser konnte sich nicht einer unrühmlich bekannten EU-Unsitte entschlagen, indem er seine Gastgeber zunächst mahnte, sie sollten sich in allen Belangen an die Regeln halten, die man in Berlin und Brüssel als die richtigen ansehe. 

Altmaier indes hatte seinen Zeigefinger zu spät erhoben, denn Chinas Präsident Xi Jingping hatte schon vorher versichert: „Wir werden an unserem offenen Konzept festhalten. Wir sind kein exklusiver Klub. Wir setzen auf grüne Infrastruktur und wollen grüne Investitionen vorantreiben. Wir wollen das gemeinsame Zuhause, in dem wir leben, schützen. Alles soll auf transparente Weise geschehen, und es wird null Toleranz für Korruption geben.“

Zu spät kam Deutschlands Emissär auch in anderer Hinsicht. Er verkündete, in Sachen Seidenstraße werde die Europäische Union mit einer Stimme sprechen, und kein einzelnes Land solle ein separates Abkommen mit China abschließen. Zu diesem Zeitpunkt aber hatte bereits Italien einen Vertrag mit China unterzeichnet. 

Dabei geht es vor allem um erhebliche Investitionen in die Häfen Triest und Genua, aus denen Hamburg und Rotterdam eine ernsthafte Konkurrenz erwachsen dürfte. Im Gegenzug wird Italien vor allem Lebensmittel nach China liefern. Angesichts der prekären Finanzlage in Rom kommen die Gelder aus dem fernen Osten gerade recht.

Natürlich hatten die EU-Offiziellen und die meisten Regierungskreise in den verschiedenen Ländern diesen Vertrag mit einem Aufschrei quittiert. Mit mehr Nachsicht aber hatten dieselben EU-Chargen das Engagement der Chinesen in Griechenland betrachtet, wo sie aus dem Athener Hafen Piräus den größten Container-Umschlagplatz im Mittelmeer machen. Dem Sozialisten Tzipras sieht man halt eher nach, was bei der missliebigen Regierung in Rom als unverzeihlich gilt. 

Damit nicht genug. Luxemburg hat bereits die Absichtserklärung unterschrieben, sich dem Projekt anzuschließen. Auch Portugal wird Teil der Neuen Seidenstraße. Dort investieren die Chinesen in den Hafen Sines, 110 Kilometer südlich von Lissabon. Heute schon können dort die größten Container-Schiffe mit einem Tiefgang von 22 Metern einlaufen. 

Als viertes westeuropäisches Land ist die Schweiz der Seidenstraße beigetreten. Nun ist Bern zwar nicht Mitglied der EU. Doch diese bemüht sich angestrengt und teils mit Erfolg, den Eidgenossen EU-Recht aufzuzwingen. Auch hier also Grund zu Brüsseler Missvergnügen. 

Und Deutschland, das Land wohlfeiler Ratschläge? Tatsächlich funktioniert Duisburg seit fünf Jahren als westlicher Kopf der Neuen Seidenstraße. Hier kommen Woche für Woche 35 Züge aus China an – ein wirtschaftlicher Impuls für das ganze Ruhrgebiet.

Nun besteht die Welt nicht allein aus Europa, was ja durch die Seidenstraße so eindrucksvoll dokumentiert wird. Daher ist es von Belang, dass kurz vor der Konferenz in Peking noch eine andere in Shanghai stattgefunden hat, mit demselben Thema und dem Namen: „Chinesisch-Arabisches Forum für Reformen und Entwicklung“. 

Bei dieser Gelegenheit unterzeichneten 17 arabische Länder ihre Kooperationsvereinbarungen mit Peking. Der stellvertretende Generalsekretär der Arabischen Liga, Khalil Thawadi, wies darauf hin, dass schon vor dem Termin in Shanghai 28 arabische Länder Vereinbarungen zur Neuen Seidenstraße unterzeichnet haben.

Dass die EU und die USA sich ablehnend zur Seidenstraße positionieren, kann nicht überraschen. Doch erstaunlicherweise weist auch Russland, das selbst an dem Projekt teilhat, auf die Risiken hin, die damit verbunden sind: dass vor allem Länder der Dritten Welt von der neuen Infrastruktur nicht nur profitieren, sondern in eine finanzielle und politische Abhängigkeit von den Chinesen geraten. Das allerdings ist keine chinesische Besonderheit. Russland mutmaßt auch, dass die ersten Gewinne aus den Investitionen ausschließlich chinesischen Firmen zugutekommen.

Doch die Kritik aus Moskau hat im Gegensatz zur westlichen nicht den Zweck, den Bau der Seidenstraße zu erschweren oder gar zu verhindern. Vielmehr trug Russlands Staatschef Wladimir Putin zur Pekinger Konferenz einen Vorschlag bei, der dem Ganzen eine weitere Dimension verleihen könnte. 

Es geht dem Kreml-Chef um die Verbindung der Seidenstraße mit dem Nördlichen Seeweg, der Nordost-Passage, für deren Sicherheit Russland eine ganze Eisbrecher-Flotte gebaut hat. Putin sagte: „Wir erwägen die Möglichkeit ihrer Verbindung mit der chinesischen Maritimen Seidenstraße. Dadurch soll eine globale und konkurrenzfähige Route geschaffen werden, die das nordöstliche, östliche und südöstliche Asien mit Europa verbinden wird.“

Übrig bleiben die Vereinigten Staaten von Amerika, die sich aus alter imperialistischer Gewohnheit in das Projekt einmischen. Doch gerade beim Thema „Infrastruktur“ werden sie an ihre Grenzen erinnert. Um ein Beispiel zu nennen: Was Hochgeschwindigkeitszüge angeht, so sind die USA ein Ent­wick­lungs­land. So gilt etwa der geplante Hochgeschwindigkeitszug in Kalifornien, die „California High-Speed Rail“, die 2025 auf einem Teilstück in Betrieb gehen soll, nicht nur als der teuerste, sondern auch als der langsamste der Welt.