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10.05.19 / Der Staatskünstler / Das Theater des Bernard-Henri Lévy – Quer durch die EU macht der französische Intellektuelle auf der Bühne Propaganda

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-19 vom 10. Mai 2019

Der Staatskünstler
Das Theater des Bernard-Henri Lévy – Quer durch die EU macht der französische Intellektuelle auf der Bühne Propaganda
Eva-Maria Michels

Man stelle sich vor, der deutsche Philosoph Peter Sloterdijk würde mit einem Theatermonolog auf Tournee gehen und darin gegen die Gelbwesten zu Felde ziehen. Die Franzosen haben solch einen Vorzeige-Intellektuellen: Der Phi­losoph Bernard-Henri Lévy greift seinem Präsidenten Emmanuel Macron im Theater mit einem Propagandastück unter die Arme.

Bernard-Henri Lévy, in Frankreich kurz BHL genannt, ist ein Staatskünstler, wie man ihn nicht erfinden könnte. Als Begründer der Bewegung „Neue Philosophen“ (nouveaux philosophes) meldet er sich seit Ende der 70er Jahren zu jedem nur erdenklichen politischen, diplomatischen und gesellschaftlichen Problem zu Wort. Dazu bereist er die Krisenherde dieser Welt, um sich in einem zu weit geöffneten, frisch gebügelten, blütenweißen Hemd mit Rebellen an der Front, halb verhungerten afrikanischen Kindern oder zukünftigen Regierungschefs ablichten zu lassen.

Dank seines ideologischen Weltbildes, das so einfach ist wie sein Konzept zur Selbstvermarktung, sind für BHL Freund und Feind rund um den Globus jederzeit leicht zu identifizieren. Als Philosoph hat er es geschafft, sich als das moralische Gewissen der Reichen und Mächtigen dieser Welt zu präsentieren. 

Unter Sarkozy, der praktischerweise als Finanzminister alle Ermittlungen gegen BHL wegen Insiderhandels und Steuerhinterziehung im Sande verlaufen ließ, stieg er sogar zum Schattenaußen- und kriegsminister auf. In dieser sich selbst gegebenen Funktion reiste er 2011 nach Bengasi zu einem Treffen mit Vertretern des libyschen Nationalen Übergangsrats, um „einen Krieg mit dem Kriegsziel, Gaddhafi zu stürzen“, zu initiieren. Präsident Sarkozy ließ wenig später den Libyern mit französischen Kriegsflugzeugen „Demokratie und Menschenrechte“ bringen, mit den bekannten Folgen. Spätestens seitdem ist BHL bei einer Mehrheit der Franzosen moralisch diskreditiert und zu einer Spott- und Hassfigur geworden, zu einem Repräsentanten einer untergehenden Welt von gestern, zur intellektuellen „Arrièregarde“. 

Lévy selbst will diese historischen Entwicklungen jedoch nicht sehen und hält sich selbst und den progressiven Globalis­mus weiterhin für die intellektuelle Avantgarde. Je größer die Diskrepanz zwischen der politischen und gesellschaftlichen Realität einerseits und seinem fiktiven Global Village andererseits wird in dem alle Menschen befreit von kulturellen, religiösen, nationalen und sexuellen Determinismen glücklich unter einer demokratisch gewählten, wohlmeinenden Technokratie leben, desto virulenter greift BHL alles und alle an, die sich seiner Utopie in den Weg stellen. Als Lieblingsfeind hat er seit den vergangenen EU-Wahlen den „Populismus“ entdeckt, hinter dem als graue Eminenz des „Bösen“ niemand anders als der russische Präsident Wladimir Putin steht.

Zu den EU-Wahlen 2014 brachte BHL deswegen ein pädagogisches Lehrstück auf die Bühne, um zumindest die Franzosen wieder auf den Weg der politischen Tugend zurückzuführen. Das Polit-Establishment vom damaligen Präsidenten Hollande bis zu dessen Vorgänger Sarkozy war voll des Lobes für BHLs „Hotel Europe“: Putin, Berlusconi, Ma­rine Le Pen, der Antisemitismus und zweitrangige, nicht ausreichend progressive Progressive wie die EU-Außenkommissarin Catherine Ashton – sie alle bekamen darin ihr Fett ab. 

Doch die französische Öffentlichkeit boykottierte das Stück, dessen einziger roter Faden neben dem Hass auf die „Populisten“ Lévys erotisch-masochistische Phantasien waren. Bereits am 16. November 2014 wurde das Werk abgesetzt, das ursprünglich bis in den Januar 2015 gezeigt werden sollte. Nur die letzte Vorstellung war relativ voll, denn die Eintrittskarten wurden gratis verteilt. 

Pünktlich zu den EU-Wahlen am 26. Mai hat Lévy nun eine Fortsetzung von „Hotel Europe“ auf die Bühne gebracht: sein Monologstück „Looking for Europe“. BHL schreibt dazu in der Einleitung: „Die europäische Konstruktion zum Stillstand bringen, die vorgebliche ,Seele der Nationen‘ wiederfinden, wieder an eine ,verlorene Identität‘ anknüpfen, die nur in der Vorstellung von Demagogen existiert, das ist das gemeinsame Programm der Populisten, die überall auf dem Kontinent Zulauf haben. … Ich gehöre zu der Art von EU-Patrioten, die zahlreicher sind als man glaubt, aber die allzu oft verzagt und schweigsam sind, die wissen, dass gegenwärtig eine Schlacht stattfindet, die die traditionellen politischen Grenzen überschreitet.“

Damit ist der Ton gegeben. BHL ist auf einem Kreuzzug für die EU und gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Bezeichnenderweise fand die erste Aufführung des Stückes am 5. No­vember 2018 im US-amerikanischen Midterm-Wahlkampf in einem Theater des New Yorker Broadways vor einem rein demokratischen Publikum statt. Es war eine radikale Abrechnung mit Donald Trump, dem Prototypen des „Populisten“, und allen „Populisten“ dies- und jenseits des Atlantiks sowie ein Lobgesang auf das transatlantische Ideal, das BHL als Rettung und Erlösung für ,Europa‘ feierte.

Das exklusive „New Yorker“ Publikum war angetan von der Darbietung, bestätigte sie doch das eigene Weltbild. Für Spott sorgte derweil in Frankreich die Tatsache, dass BHL versuchte, sein Stück auf Twitter zu bewerben, indem er dem Magazin New Yorker, dem er vor der Broadway-Aufführung ein Interview gegeben hatte, seine eigenen Lobesworte zum eigenen Werk in den Mund legte. Inzwischen löschte BHL den peinlichen Tweet.

Möglicherweise um sich eine Blamage wie 2014 zu ersparen, führt Lévy seinen handlungslosen Monolog nun nur jeweils ein Mal in zirka 20 europäischen Metropolen auf. Das Publikum darf ihm vorab Fragen stellen. Drei davon wählt er pro Veranstaltung aus und adaptiert seine Aufführung dementsprechend. Auf der Bühne in Mailand am 5. März polemisierte er gegen die Gelbwesten, die „in Paris nichts anderes im Kopf haben, als Bullen, Juden und Schwule fertig zu machen“. 

Da dieser Ausschnitt vom Sender LCI des Oligarchen Bouygues übertragen wurde, legte der Präsident des freien Senders Sudradio, Didier Maïsto, bei der staatlichen Medienaufsicht CSA Beschwerde ein wegen „einer schreienden öffentlichen Anstachelung zum Hass“ und forderte außerdem, dass der Filmausschnitt als Werbezeit für Macrons La République en Marche gezählt werde. 

Egal wie der CSA entscheidet, BHL dürfte wenig zur Befriedung der französischen und europäischen Gesellschaft beitragen.