Die venezianischen Maler brachten eine eigenständige Spielart der Renaissancekunst hervor, indem sie auf die Wirkkraft von Licht und Farbe setzten. Das kann man in einer prachtvollen Ausstellung des Frankfurter Städel-Museums erleben. Die aus internationalen Museen angereisten 100 Meisterwerke berühmter und weniger bekannter Maler veranschaulichen die thematische Vielfalt der venezianischen Bildkunst.
Da weist die von Paris Bordone gemalte nackte Venus den kleinen Liebesgott Amor zurecht. Tintoretto präsentiert Porträts nobler Herren. Und Jacopo Bassano verhilft dem „Heiligen Hieronymus als Büßer“ (um 1590) zu einem eindrucksvollen Auftritt. Wie kein anderer prägte Tizian (um 1488–1576) dank seiner Meisterschaft und seines langen Lebens Venedigs damalige Malerei. Von ihm sind über 20 Bilder zu sehen. Niemals waren in Deutschland mehr von ihm ausgestellt.
Die wichtigste Darstellungsaufgabe der meisten Maler war die Madonna mit dem Kind. Bei ihnen finden sich Heilige zum Gespräch ein, wie etwa Jacopo Palma il Vecchios Gemälde „Madonna mit Kind, Johannes dem Täufer und Maria Magdalena“ (um 1515) zeigt. Dieser Bildtypus heißt „Sacra Conversazione“ und ist ein Markenzeichen der venezianischen Kunst. Tizians ungemein farbenfrohes Gemälde der „Madonna mit dem Kaninchen“ (um 1530) bettet das Heiligentreffen in eine idyllische Naturschilderung bei orangegelber Dämmerung ein. Überhaupt spielt auf vielen Gemälden die Landschaftsdarstellung eine tragende Rolle. Als bedeutsamer Handlungsort und Stimmungsträger zählt sie zu den großen Errungenschaften der venezianischen Renaissance. Eines der schönsten Beispiele ist Tizians Gemälde „Christus erscheint Maria Magdalena“ (um 1514). Im warmen Licht der aufgehenden Sonne des Ostermorgens verhindert Jesus mit elegantem Hüftschwung, dass Maria Magdalena einen handfesten Beweis seiner Auferstehung erlangt: „Rühre mich nicht an!“
Eine außerordentlich anziehende Erfindung der Venezianer ist die Bildgattung der „Belle Donne“. Diese Gemälde schöner Damen geben den Kunsthistorikern Rätsel auf. Denn keine lässt sich als historische Person identifizieren. Sind diese sich nicht selten offenherzig darbietenden Damen als Edelprostituierte anzusprechen? Es könnte sich auch um Bräute handeln, die ihre Verführungskraft unter Beweis stellen. Oder übten sich die Maler in der Kunst, Idealbilder weiblicher Schönheit zu erschaffen?
Geradezu unwiderstehlich ist jedenfalls die von Jacopo Palma il Vecchio gemalte „Junge Frau in blauem Kleid mit Fächer“. Aus den Augenwinkeln scheint sie uns einen unschuldig-holden Blick zuzuwerfen.
Bis 26. Mai im Städel-Museum. Geöffnet Dienstag, Mittwoch, Sonnabend und Sonntag von 10 bis 18 Uhr, Donnerstag und Freitag bis 21 Uhr, Eintritt: ab 14 Euro. www.staedelmuseum.de