19.04.2024

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10.05.19 / Kritische Analyse eines Israel-Kenners

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-19 vom 10. Mai 2019

Kritische Analyse eines Israel-Kenners
Wolfgang Kaufmann

Um es gleich vorweg zu sagen: Das Buch des ehemaligen ARD-Studioleiters und Chefkorrespondenten in Tel Aviv, Richard C. Schneider, trägt zwar den Titel „Alltag im Ausnahmezustand. Mein Blick auf Israel“, erzählt aber relativ wenig über das ganz normale Leben der Menschen in dem jüdischen Staat. Vielmehr analysiert der Verfasser, der selbst jüdischer Herkunft ist, die aktuellen gesellschaftlichen und politischen Zustände in Israel. Außerdem geht es natürlich auch um das Verhältnis zwischen Juden und Palästinensern sowie zwischen Israel und den umliegenden Staaten des Nahen und Mittleren Ostens.

Dabei verweist Schneider immer wieder auf die innere Zerrissenheit des jüdischen Volkes in Israel, das aber dennoch ein Ziel eint: Überleben! Überleben in einer Welt von Feinden, die schon mehrmals versucht haben, den Staat der Juden zu vernichten. Und Überleben auch trotz einer Schar von „Freunden“, von denen sich einige immer dann als höchst unsichere Kantonisten erweisen, wenn es hart auf hart kommt. Das galt vor allem für die USA unter Barack Obama. Schneider kritisiert die Israel-Politik des 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten in einer für Vertreter der deutschen Mainstream-Medien höchst unüblichen Schärfe. Insbesondere lastet er Obama an, auf islamische Diktaturen wie das Mullah-Regime im Iran mit offenen Armen zugegangen zu sein, aber Israel parallel dazu mit besserwisserischer Arroganz behandelt zu haben.

Darüber hinaus schildert Schneider die Probleme, aber auch Erfolge des jüdischen Staates – sei es im Umgang mit den Palästinensern oder Einwanderern aus Russland und Afrika, sei es auf wirtschaftlichem Gebiet. Er macht deutlich, dass Israel inzwischen zu einem der führenden High-Tech-Staaten der Welt avanciert ist, von dem sogar die USA noch manches lernen können. Offensichtlich sorgen also Druck und Existenzangst für mehr Dynamik, Effizienz und Innovationsbereitschaft als die satte Selbstzufriedenheit, die heute in diversen Industriestaaten herrscht.

Ansonsten macht Schneider auch keinen Hehl aus seiner tiefen Abneigung gegen den derzeitigen israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und Obamas Amtsnachfolger Donald Trump, wobei er aber indirekt eingestehen muss, dass deren harter Kurs – zum Beispiel gegenüber Teheran – am Ende wohl zielführender sein werde, als die plumpen Anbiederungsversuche Obamas gegenüber den Arabern.

Ebenso spricht Schneider ungewöhnlich offen über die Palästinenser. Seine Schilderungen von deren abgrundtiefer politischer Borniertheit lesen sich äußerst aufschlussreich.

Richard C. Schneider: „Alltag im Ausnahmezustand. Mein Blick auf Israel“, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2018, gebunden, 294 Seiten, 20 Euro