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17.05.19 / Für eine unabhängige Republik / Noch heute feiert die Türkei Atatürks Landung in Samsun vor 100 Jahren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-19 vom 17. Mai 2019

Für eine unabhängige Republik
Noch heute feiert die Türkei Atatürks Landung in Samsun vor 100 Jahren
Bodo Bost

Am 19. Mai 1919 begann mit der Landung des türkischen Generalinspekteurs Mustafa Kemal Pascha, der sich ab 1935 Kamâl Atatürk nannte, in Samsun der Türkische Befreiungskrieg gegen die Alliierten. 

Das Waffenstillstandsabkommen von Mudros vom 30. Oktober 1918 beendete für das Osmanische Reich einen zehnjährigen Kriegszustand. Militärisch war das Reich nicht besiegt, seine Monarchie bestand weiter, und noch im September 1918 hatten osmanische Truppen die einst russische Ölmetropole Baku besetzt. Kapitel 7 des Abkommens von Mudros gestattete Großbritannien, Frankreich, Italien und Griechenland, jederzeit jede Region des ausgebluteten Reiches zu besetzen. Die Reste der osmanischen Armee wurden nicht entwaffnet. 

Sultan Mehmet VI., der seit Juli 1918 an der Macht war, löste das Parlament auf und ernannte seinen Schwager Damat Ferit zu seinem Großwesir. Griechenland, das sich im Ersten Weltkrieg der Entente angeschlossen hatte, sah die Verwirklichung der „Megali Idea“ (Großen Idee) eines Großgriechenland in greifbarer Nähe. Am 15. Mai 1919 landeten griechische Truppen in Smyrna/Izmir, das damals noch eine griechisch-armenische Bevölkerungsmehrheit besaß. Alliierte Kriegsschiffe sicherten die Landung vom Meer aus. 

In vielen Landesteilen brachen nach der griechischen Landung Unruhen aus. Die Hohen Kommissare der Alliierten in Konstantinopel forderten den Sultan auf, für Ordnung zu sorgen. Der Sultan entsandte den General im Ruhestand Mustafa Kemal als seinen Generalinspekteur, um die meuternde Armee wieder unter Kontrolle zu bringen. „Pascha, sie können das Land retten“, hatte der Sultan ihm bei einer Abschieds­audienz in seiner bekannt mehrdeutigen Art zugerufen. 

Am 19. Mai landete Mustafa Kemal in Samsun, der Tag ist bis heute Feiertag in der Türkei. Offiziell heißt der Tag „Feiertag der Jugend, des Sports und an das Gedenken an Atatürk“. Er selbst hat in späteren Jahren zum Mythos dieses Tages beigetragen, indem er seinen unbekannten Geburtstag auf den 19. Mai datieren ließ.

An der Ankunft Mustafa Kemals in Samsun wird der Beginn des Türkischen Befreiungskrieges festgemacht. Mustafa Kemal bildete Freikorps denen auch Einheiten der aufgelösten Teskilât-i Mahsusa (Spezialorganisation) angehörten, die verantwortlich waren für den Völkermord an den Armeniern.

Mustafa Kemal hatte erkannt, dass der Widerstand gegen die Alliierten nur aus Anatolien und nicht vom besetzten Konstantinopel aus geleitet werden konnte. Nach einer Woche in Samsun brach er ins anatolische Hochland auf und forderte in einem Rundschreiben andere Offiziere auf, überall im Land Widerstand gegen die Besatzer zu organisieren. Am 21. Juni 1919 erklärte Kemal Pascha in Amasya die Unabhängigkeit der neuen Türkei. Daraufhin rief ihn der Sultan nach Konstantinopel zurück, Mustafa Kemal weigerte sich jedoch und gab am 8. Juli sein Amt als Generalinspekteur der Armee an den Sultan zurück. 1922 wurde der Sultan gestürzt, zwei Jahre später der Kalif, und am 29. Oktober 1923 rief Mustafa Kemal die Republik mit der neuen Hauptstadt Ankara in Anatolien aus. Die zwischen 1918 und 1923 auf türkischem Staatsgebiet existierenden Staaten der Pontusgriechen, Armenier und Kurden wurden allesamt von ihm mit Gewalt niedergewalzt, große christliche Bevölkerungsgruppen umgesiedelt. Die Alliierten erkannten Kemal Mustafa 1923 im Vertrag von Lausanne als legitimen Herrscher der neuen Türkei an.