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17.05.19 / Auf den Leim gegangen / Hildesheimer Museum präsentiert gewiefte Kunst-Fälschungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-19 vom 17. Mai 2019

Auf den Leim gegangen
Hildesheimer Museum präsentiert gewiefte Kunst-Fälschungen
Helga Schnehagen

Irren ist menschlich! Hinter Fälschungen steckt eine Ab­sicht, meist eine kriminelle. Mit „Irrtümer & Fälschungen in der Archäologie“ präsentiert das Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim nach dem LWL-Museum Herne spektakuläre Fehl­urteile und Betrugsfälle. 

Die je fünf unabhängigen Themenräume zu Fehlinterpretationen und Fälschungen zeigen, dass die Wahrheit nur allzu oft vom Wunschdenken verdrängt wird. Um ihr wirklich auf die Spur zu kommen, ist neben Wissen eine große Portion Skepsis nötig. Dabei wirken viele Irrwege im Rückblick unfreiwillig ko­misch. So war der Naturwissenschaftler Otto von Guericke von der Existenz des Einhorns überzeugt, als 1663 in einer Höhle bei Quedlinburg – der heutigen Einhornhöhle – riesige Knochen gefunden wurden.

Am 1. April 1896 präsentierte der Louvre in Paris die goldene „Tiara des Saitaphernes“ samt einer goldenen Kette als Meisterwerke antiker Kunst der Skythenzeit. Für die damals enorme Sum­me von 200000 Francs war das glänzende Ensemble aus Helm und Geschmeide erworben und voller Stolz mit Bild veröffentlicht worden. In der fernen heutigen Ukraine erkannte der Goldschmied Israel Rouchomowsky die Werke als seine Arbeiten wieder und informierte den Louvre. Er hatte die Stücke für „kleines Geld“ für einen Kunden ohne böse Absicht gefertigt. Die Sensation war ein Aprilscherz.

Vor solchen Scherzen ist kein Museum gefeit. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam Ägypten groß in Mode, was die Nachfrage an ägyptischen Antiken nach sich zog. Denn im Land der Pyramiden begann bereits im frühen 20. Jahrhundert der Massentourismus. Auch der preußische König Friedrich Wilhelm IV. war infiziert. Von 1842 bis 1845 entsandte er eine Expedition an den Nil. Nach dem Vorbild von Louvre und Britischem Museum sollte sie für die ägyptische Sammlung in Berlin ebenfalls Antiken beschaffen.

Weitere Quellen waren Händler. Später erwarb Heinrich Schäfer, von 1914 bis 1935 Direktor des Ägyptischen Museums, bei dem damals in Berlin ansässigen geachteten armenischen Kunsthändler Oxan Aslanian für insgesamt 155000 Reichsmark „Antiken“ aus dem 20. Jahrhundert. Allein für das Relief eines Würdenträgers aus der Zeit von Pharao Amenhotep III. (um 1388–1351 v. Chr.) legte das Museum 35000 Reichsmark auf den Tisch.

Der Schwindel wurde erst 1971 aufgedeckt, als Aslanians Witwe Experten ein Fotoalbum ihres Mannes gab. Ludwig Borchardt, der Entdecker der Nofretete, vermutete als Erster schon 1930, dass sich unter Aslanians Ware auch Fälschungen befanden. 

Jüngster spektakulärer Aprilscherz sind Hitlers Tagebücher, die der „Stern“ in seiner Ausgabe vom 28. April 1983 veröffentlichte. Den Ankauf von 62 Bänden ließ sich der Verlag rund 

9,34 Millionen Mark kosten. Ein dabei nicht erworbenes „Original“ samt originaler Experten-Expertise liegt am Rande der Ausstellung aus.


„Irrtümer & Fälschungen der Archäologie“ läuft bis 26. Mai im Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim, Am Steine 1–2, geöffnet Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr. Infos im Internet: www.rpmuseum.de