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17.05.19 / Der zerstörte Himmlische Frieden / Als die Opposition in China blutig niedergeknüppelt wurde

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-19 vom 17. Mai 2019

Der zerstörte Himmlische Frieden
Als die Opposition in China blutig niedergeknüppelt wurde
Klaus J. Groth

Der Platz des Himmlischen Friedens war 1989 das Zentrum der friedlichen Studentenproteste gegen die chinesische Führung. Die Kommunistische Partei ließ den Aufstand am 4. Juni vor 30 Jahren brutal niederschlagen und löste damit weltweites Entsetzen aus.

Es sollte ein Tag von historischer Bedeutung werden, eine Jubelfeier mit Paraden, Pomp und Bruderküssen zur Beendigung der Eiszeit zwischen der Volksrepublik China und der Sowjet­union. Monatelang hatte die chinesische KP den Besuch des Generalsekretärs der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU), Michail Gorbatschow, vorbereitet. Zum ersten Mal, seit es in den späten 1950er Jahren zum Streit zwischen Nikita Chruschtschow und Mao Tse-tung um die Oberhoheit im Marxismus-Leninismus gekommen war, reiste ein Führer der KPdSU nach Peking. Doch nun sahen die Chinesen seiner Ankunft mit Unbehagen entgegen. 

Schon Wochen davor hatte es Studentenunruhen in Peking gegeben, erst verhalten, dann mit immer größerer Wucht. Intellektuelle und Arbeiter schlossen sich den Forderungen der jungen Leute an. Am 22. April sollen bereits Zehntausende auf dem 

Tian’anmen-Platz mit Sprechchören und Sitzstreiks für Reformen demonstriert haben. Sie verlangten mehr Demokratie, Pressefreiheit und die Abschaffung der Privilegien für die Nomenklatura. 

Seit den 70er Jahren regte sich in der Bevölkerung Unmut über die Gängelung durch die Partei. Ermutigt wurde sie durch den bei den strukturkonservativen Apparatschiks umstrittenen Parteichef und Reformer Zhao Ziyang, der die Meinung vertrat, dass sich ein wirtschaftlicher Erfolg nur im Einklang mit einer Demokratisierung erreichen lasse. Die Wandzeitungen waren nicht mehr voll des Lobes für die Funktionäre, sondern von Kritik an ihrer Amtsführung, an der schlechten Versorgungslage und der Wohnungsnot. Vor allem die sogenannte Mauer der Demokratie spiegelte die Meinung des Volkes wider, bis die Wandzeitungen auf Anordnung des Politbüros entfernt wurden.

Aber die Oppositionellen ließen sich nicht mundtot machen. Immer wieder kam es zu Protesten. Im Mai 1989 hatte sich der Platz des Himmlischen Friedens in eine brodelnde Zeltstadt verwandelt. Vom Besuch Michail Gorbatschows und der Anwesenheit westlicher Medien erhofften sich die Studenten Unterstützung für Glasnost und Perestroika auch in ihrem Land. 

Am Tag vor dem Eintreffen Gorbatschows am 14. Mai war klar, dass die Spitze der Partei ihn nicht wie geplant vor der Großen Halle des Volkes am Tian’anmen-Platz empfangen konnte. Der war von den Demonstranten besetzt, es gab kein Durchkommen. Gruppen unter ihnen befanden sich im Hungerstreik. In aller Eile fuhr das Empfangskomitee mit Staatspräsident Yang Shangkun an der Spitze zum Flughafen. Der erstaunte Gorbatschow war erst bei seinem Anflug auf Peking von dieser „Programmänderung“ informiert worden. Offensichtlich war auf die Schnelle kein vorzeigbarer roter Teppich aufzutreiben. Gorbatschow und Yang Shangkun schritten ohne die bei Staatsbesuchen unerlässliche Requisite die Ehrenformation ab. Auf Umwegen, überall blockierten Demonstranten die Straßen, raste der Konvoi in die Stadt. Wo er durchfuhr, jubelten die Menschen Gorbatschow zu. Der Gast bat vergeblich darum, aussteigen zu dürfen, um Hände zu schütteln. Auch durfte er nicht, einen Kranz am Heldendenkmal auf dem Tian’anmen-Platz niederlegen. Die KP-Führung wollte jeden Kontakt zwischen ihm und den Aufständischen verhindern.

 Bei den Verhandlungen zwischen Gorbatschow und Deng Xiaoping, dem Nachfolger Maos, kamen auch die Demonstrationen zur Sprache. Gorbatschow wirkte darauf hin, mit den Studenten zu reden und keine Gewalt anzuwenden. Die Parteispitze atmete auf, als er am 19. Mai sein Flugzeug bestieg und entschwand. Die Demonstranten blieben. Das Politbüro beschloss mit Mehrheit, gegen die Stimme von Parteichef Zhao Ziyang, nicht nachzugeben und das Kriegsrecht zu verhängen. Von Deng ist das Zitat überliefert, dass „200 Tote China 20 Jahre Frieden bringen können“. Zhao fiel wegen seiner Sympathie für die Oppositionellen in Ungnade und wurde unter Hausarrest gestellt.

Am 4. Juni umstellten Soldaten und Polizisten den Platz. Über Lautsprecher und im Rundfunk wurden die Demonstranten aufgefordert, nach Hause zu gehen. Ein großer Teil zog freiwillig ab. Inzwischen hatten Studenten mithilfe von Pekinger Bürgern Barrikaden in den Zufahrtstraßen errichtet. Anrückende Schützenpanzer und Mannschaftswagen wurden mit einem Steinhagel empfangen. Die Soldaten schossen in die Menge und richteten ein Blutbad an. Auf dem 

Tian’anmen-Platz harrten noch immer etwa 5000 Aktivisten aus. Ihr Sprecher Hou Dejian, ein bei der Jugend beliebter Sänger, verhandelte mit dem Kommandeur der Truppen über einen freien Abzug. Die Eingeschlossenen erkannten ihre ausweglose Lage. Am frühen Morgen gaben sie auf. 

Heute gilt es als sicher, dass auf dem Platz des Himmlischen Friedens entgegen der Berichte in den westlichen Medien kein einziger Schuss fiel. Die Information über ein Massaker wurde Journalisten durch angebliche Augenzeugen zugetragen. Wie viele Menschen bei den Kämpfen in den Straßen rund um den Platz ihr Leben verloren, ist unklar. Die Zahl schwankt zwischen einigen Hundert und mehreren Tausend. Die Fotos eines Mannes, der sich mit weißen Tüten in der Hand der Panzerkolonne in den Weg stellte und versuchte, mit der Besatzung zu sprechen, gingen um die Welt. Der „Tank Man“ oder „Unknown Rebel“ steht symbolisch für die blutige Niederschlagung des Aufstands.

Das Geschehen am 4. Juni 1989 ist in China tabu. Kurz vor dem 30. Jahrestag erregte die Firma Leica aus Wetzlar, die Kameras für Huawei-Mobiltelefone produziert, den Unmut der Partei. Sie zeigte in einem Werbe-Video mit dem Titel „The Hunt“, die Jagd, wie ein Pressefotograf das berühmte Foto macht und von chinesischen Polizisten verfolgt wird. Die provokante Werbebotschaft endet mit dem Satz, das Video sei „jenen gewidmet, die uns ihre Augen leihen, um zu sehen“. Dann erscheint das Logo von Leica. Das Unternehmen entschuldigte sich für „ein Missverständnis“. Das Video sei offiziell nicht genehmigt worden.