25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
17.05.19 / Karpfen, Klunker, Kaviar – Knast / Berliner Nobelhotels bevorzugt – Vor 100 Jahren machte der Gentleman-Verbrecher Fritz Landau mit Raubzügen von sich reden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-19 vom 17. Mai 2019

Karpfen, Klunker, Kaviar – Knast
Berliner Nobelhotels bevorzugt – Vor 100 Jahren machte der Gentleman-Verbrecher Fritz Landau mit Raubzügen von sich reden
Bettina Müller

Anfang Oktober 1897: Ein junger Mann angelt im Königlichen Großen Garten in Dresden widerrechtlich drei Karpfen aus dem Carolasee. Als er sich mit seiner glitschigen Beute davonschleichen will, wird er ertappt und muss acht Tage in den Karzer. Der Karpfenklau war der Beginn einer bemerkenswerten kriminellen Karriere. 

Fritz Landau wurde am 19. Ja­nuar 1878 als Sohn eines Geschäftsreisenden geboren. Als er zehn Jahre alt wurde, starb sein Vater. Die Mutter bestritt ihren Lebensunterhalt erfolgreich als Händlerin von getragenen Kleidungsstücken. Während Landaus vier Geschwister wohlgeraten waren, zeigte sich bei ihm früh ein Hang zum Halunkendasein. 

Zunächst war er zwar willens, eine Karriere als Kaufmann anzustreben, begab sich dann aber ohne Umschweife auf die ganz schiefe Bahn, um seine Spielsucht zu finanzieren. Es war die Zeit, in welcher der legendäre Rumäne Georges Manolescu verstärkt durch die Presse geisterte. Lan­dau hatte deutliche Züge eines ähnlichen Verbrechertyps: elegant, eloquent, ein deutscher „Fürst der Diebe“ mit ausgezeichneten Manieren. 

Während Freunde und Verwandte ihn auf Geschäftsreisen wähnten, führte Landau in Wahrheit ein Doppelleben, gab am Tag den seriösen Kaufmann oder angeb­lichen Arzt, verzockte in der Nacht Unsummen von Geld und stockte dann seine „Vorräte“ durch Diebstähle in Nobelhotels wieder auf. 

Als die Enttarnung drohte, verschwand er um 1900 vom sächsischen Radar und tauchte im Sommer 1904 als Kellner im Hotel „Kaiserin Elisabeth“ in Baden(-Baden) auf. Er stahl Juwelenschmuck, wurde erneut enttarnt, aber zeitnah nicht gerichtlich belangt, weil er sich der gerechten Strafe durch die Flucht nach England entzogen hatte. Dort beging er 1906 in London im altehrwürdigen Hotel „The Langham“ einen Juwelendiebstahl, für den er diesmal sofort zur Rechenschaft gezogen wurde: 18 Monate musste Landau im berüchtigten Gefängnis „Wormwood Scrubs“ absitzen.

Als er am 7. Dezember 1907 entlassen wurde, wartete ein Beamter von Scotland Yard auf ihn, weil die deutschen Behörden wegen des Diebstahls in Baden seine Auslieferung beantragt hatten. Am 2. Juli 1908 wurde Lan­dau vom Großherzoglichen Landgericht Karlsruhe zu einer Ge­fängnisstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt, sechs Monate davon hatte er bereits in Untersuchungshaft verbüßt. 

Landau versuchte es nun mit einer neuen Taktik: Er täuschte epileptische Anfälle vor und wurde daraufhin im Sommer 1909 in der Irrenabteilung des Landesgefängnisses Freiburg auf seinen Geisteszustand untersucht. Daraufhin erließ man ihm den Rest seiner Strafzeit, den er jedoch in der Anstalt verbringen sollte. Auch dieser Schmach entzog er sich durch Flucht. 

Bereits ein Jahr später machte der „Arzt“ die alte böhmische Bäderstadt Teplitz unsicher und verlobte sich mit der Nichte eines Weinhändlers. Er überhäufte die junge Frau mit Brillantschmuck, den er zuvor in Marienbad gestohlen hatte. Ende August ging  das romantische Intermezzo zu Ende, er wurde von der Dresdner Kriminalpolizei verhaftet. 

Sein neues „Jagdrevier“ wurde nun Berlin. 1919 wurden dort insgesamt 16 Luxushotels von ihm heimgesucht, wobei er nicht nur Schmuck und Pelze mitgehen ließ, sondern auch über eine halbe Million Mark Bargeld. Sein letzter Einbruch in jenem Jahr wurde ihm jedoch zum Verhängnis. Auf frischer Tat in der Suite der Gräfin Hohenau ertappt, sprang Landau tollkühn aus dem Fenster und blieb mit gebrochenen Beinen liegen. So feierte er Silvester nicht wie immer mit Kaviar und Champagner, sondern mit Wasser und Brot im Gefängnislazarett. 

Es ist kaum vorstellbar, aber auch aus dieser misslichen Lage konnte er sich irgendwann befreien und fliehen, doch am 

14. April 1920 wurde er zusammen mit seiner Ehefrau Hedwig, die er am 28. August 1919 als „Fabrikant“ in Berlin geheiratet hatte, in einem Hotel in Schlachtensee festgenommen. 1922 vermeldeten etliche Zeitungen, dass man Landau, der laut „Illustrierter Kronenzeitung“ „allen Polizeidirektionen Europas bekannt“ war, in Rom aufgegriffen habe. 

Dort machte der Verbrecher einen kardinalen Fehler. Er schrieb an seine Schwester in Dresden und prahlte mit der Taktik, die Behörden über seinen Gesundheitszustand zu täuschen. Pech für ihn, dass seine Schwester den Brief an eine Berliner Verwandte schickte, die ihn auf der Straße verlor. Der Finder ließ ihn Kommissar Ernst Gennat von der Berliner Kriminalpolizei zu­kommen, der in dem Brief er­wähnt wurde. Unverzüglich beantragte Gennat Landaus Auslieferung nach Deutschland, wo dieser noch eine alte Strafe im Zuchthaus Waldheim bei Dresden abzusitzen hatte.

Landaus kriminelle Karriere ging damit zu Ende. Mittlerweile war er schwer an Rückenmarksschwindsucht erkrankt, seine Frau ließ sich 1925 von ihm scheiden. Im Juli 1926 musste die „menschliche Ruine“, wie er in Zeitungsmeldungen beschrieben wurde, auf einer Trage in den Gerichtssaal getragen werden, wo man ihn wegen der 16 Diebstähle in Berlin zur Rechenschaft zog. Nur noch zwei davon konnten ihm nachgewiesen werden. 

Seit dem 21. Januar 1926 saß Landau im Zuchthaus Waldheim, um seine Reststrafe zu verbüßen, die in Berlin schließlich noch um zwei Jahre Haft und fünf Jahre Ehrverlust aufgestockt wurde. Am 28. Januar 1931 wurde er vorzeitig entlassen, nun als schwerkranker Mann, der bei seiner verwitweten Schwester in Dresden unterkam, die Mutter war 1924 verstorben. Landau folgte ihr am 4. November 1931 mit nur 53 Jahren in den Tod. 

„Hier ruht in Frieden unser lieber Bruder“, heißt es auf seinem Grabstein auf dem Neuen Jüdischen Friedhof in Dresden. Nichts lässt erkennen, dass dort einer der aktivsten „Gentleman-Verbrecher“ Deutschlands begraben liegt.