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24.05.19 / Schwieriger Besuch / Griechenlands Premier Alexis Tsipras zu Gast in der Türkei

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-19 vom 24. Mai 2019

Schwieriger Besuch
Griechenlands Premier Alexis Tsipras zu Gast in der Türkei
Thomas W. Wyrwoll

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hat den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan besucht. Gesprächsthemen waren unter anderem die strittige Grenze in der Ägäis, unter der erhebliche Erdöl- und Erdgasvorkommen vermutet werden, das griechische Asyl für Militärangehörige aus der Türkei, die Immigration aus der Dritten Welt nach Europa und allgemein die Möglichkeiten einer verstärkten wirtschaftlichen Zusammenarbeit. 

Wie beim Besuch Erdogans in Athen 2017 verlief der Start holprig. Am Morgen des Gesprächstags hat das türkische Innenministerium die acht während des gescheiterten Putschversuches gegen Erdogan im Jahr 2016 nach Griechenland geflohenen Soldaten auf die Liste seiner meistgesuchten Terroristen gesetzt und für jeden von ihnen ein Kopfgeld von umgerechnet knapp 700000 Euro ausgelobt. Auch bei der gemeinsamen Pressekonferenz suchte Erdogan den Affront und beklagte die griechische „Unterstützung dieser Terroristen“, worauf Tsipras auf die Unabhängigkeit der griechischen Justiz verwies. Ein Teil dieser angeblichen Terroristen hat bereits Asyl in Griechenland erhalten, dem anderen wurde dies in Aussicht gestellt. 

Trotzdem wollen die beiden Politiker im Bereich Tourismus verstärkt zusammenarbeiten. Angedacht ist der Aufbau einer Fährverbindung zwischen Thessaloniki und Izmir sowie ein Ausbau der Eisenbahnlinie zwischen Thessaloniki und Istanbul. 

Für die Lösung der Zypernfrage planen beide Seiten die Aufstellung eines Aktionsplanes, gemäß dem weitere Gespräche folgen sollen. In den Gewässern um die politisch geteilte Insel werden erhebliche Gasvorkommen vermutet, deren Ausbeutung Griechen und Türken an einen Tisch zwingt. Gemeinsam will man „die zypriotischen“ gegen die Ansprüche Israels, des Libanon und Ägyptens verteidigen. Ein Ende der Teilung Zyperns ist jedoch nicht zu erwarten. Es fehlt der Leidensdruck. Zu gut haben sich die Parteien vor Ort mit dem Status quo arrangiert.

Nur verklausuliert gingen Erdogan und Tsipras auf ein anderes, sie beide interessierendes Thema ein, die Beteiligung ihrer Länder an Chinas Neuer Seidenstraße. Es hat den Anschein, als seien sie sich hier nicht wirklich nähergekommen. 

Eine Premiere war, dass am Abendessen beider Politiker der griechisch-orthodoxe Ökumenische Patriarch von Konstantinopel mit Sitz in Phanar in Istanbul, Bartholomäus I., teilnahm, der sich als Oberhaupt der in der Türkei verbliebenen Griechen und Mittler beider Völker sieht. Tsipras besuchte als erster griechischer Regierungschef seit über 85 Jahren das Gebäude des berühmten Theologischen Seminars von Chalki, das die Republik Türkei 1971 ungeachtet internationaler Proteste schloss. Die USA als faktische Schutzmacht des Patriarchats hatten in letzter Zeit den Druck auf Ankara erhöht, diese Einrichtung wiederzueröffnen. Bereits im Mai vergangenen Jahres hatte Bartholomäus I. einen solchen Paradigmenwechsel der türkischen Politik für „die nahe Zukunft“ angekündigt. Sollte den während des Treffens demonstrativ gesendeten Zeichen angesichts zunehmender wirtschaftlicher Probleme der beiden Staaten eine entsprechende Politik folgen, könnte ein Prozess der Verständigung und Annäherung zwischen Griechenland und der Türkei beginnen.