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24.05.19 / Absage mit ernsten Folgen / Thyssenkrupp nach dem Verzicht auf die geplante »Stahlfusion«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-19 vom 24. Mai 2019

Absage mit ernsten Folgen
Thyssenkrupp nach dem Verzicht auf die geplante »Stahlfusion«

Nachdem es im Vorjahr noch einen Gewinn von 240 Millionen Euro gegeben hatte, hat der deutsche Stahlkonzern Thyssenkrupp in nur einem Quartal fast 100 Millionen Euro Verlust gemacht. Und Besserung scheint nicht in Sicht. Auch für das Ende September endende Gesamtjahr 2018/2019 sagt Thyssenkrupp schon jetzt Verluste voraus. 

Als äußerst problematisch scheint sich das Platzen der geplanten „Stahlfusion“ darzustellen. Wegen eines erwarteten Einspruchs der EU-Kommission war das Zusammengehen der Stahl­sparte mit dem Wettbewerber Tata Steel Europe abgesagt worden. Auch die geplante Aufspaltung in zwei eigenständige, börsennotierte Unternehmen für Werkstoffe und für Industriegüter wurde abgeblasen. Dies hat Folgen. Zwar sollen nur 6000 der immerhin noch 160000 Arbeitsplätzte wegfallen, davon aber alleine 4000 in Deutschland. 2000 der 4000 möglichen Arbeitsplatzstreichungen dürfte die Stahlsparte treffen. Die Branche leidet unter den Folgen einer massiven Überproduktion. 

Zumindest bis zum Jahresende sind betriebsbedingte Kündigungen immerhin ausgeschlossen. Auch Standortschließungen soll es nach Angaben der Gewerkschaft 

IG Metall bis dahin nicht geben. Das habe die Gewerkschaft mit dem Konzernvorstand von Thyssenkrupp in einem Tarifvertrag vereinbart, sagte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Thyssenkrupp Steel Europe, Tekin Nasikkol. 

Trotzdem bewerten Branchenkenner die geplatzte „Stahlfusion“ als Katastrophe. „Man kann am neuen Ausmaß des Stellenabbaus ermessen, wie wichtig der indische Konkurrent Tata als Fusionspartner gewesen ist“, sagte der Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Thomas Hechtfischer, der Deutschen Presse-Agentur und: „Man hat drei Jahre rumgebastelt an der Stahlfusion. Das sind jetzt verlorene Jahre.“ 

Konzernchef Guido Kerkhoff hat Anfang Mai überraschend eine strategische Kehrtwende verkündet, nachdem ihm aus EU-Kreisen signalisiert worden war, dass die „Stahl-Ehe“ ohne Modifizierungen scheitern werde. Daraufhin änderte Kerkhoff die Strategie und sagte die monatelang geplante Aufteilung des Konzern ab, was vor allem bilanzielle Folgen haben wird. Stattdessen soll nun die Aufzugssparte über einen Börsengang teilweise zu Geld gemacht werden. Aber auch dieses Geschäftsfeld stand zuletzt unter Preisdruck und musste an den Aktienmärkten Federn lassen. 

Jahrelang hatte die Konzernspitze versucht, unabhängiger vom schwankenden Stahlgeschäft zu werden, das vor allem unter billigen Importen aus Asien leidet. Stattdessen wollten die Essener zu einem modernen Technologiekonzern aufsteigen, mit mehreren Sparten von U-Booten bis hin zu Aufzügen. Branchenkenner sehen in dem übereilten Börsengang der Aufzugssparte ein Einknicken vor den Finanzinvestoren. „Thyssenkrupp ist immer noch ein Koloss auf tönernen Füßen“, erklärte der bekannte Fondsmanager Ingo Speich schon vor drei Jahren, als Thyssenkrupp mehrere Auslandsgeschäfte an die Wand gefahren hatte. Seine Empfehlung damals: Der Konzern müsse seinen Umbau forcieren und Schulden abbauen, um auch langfristig zu überleben. „Ein Abstoßen der Stahlsparte wäre ein Befreiungsschlag. Die Zukunft liegt im Technologiegeschäft und nicht im Stahl.“P.E.