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31.05.19 / Ähnlichkeit mit dem Krim-Streit / Estland stellt innersowjetische Grenzverschiebungen in Frage – Moskau spricht von Provokation

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-19 vom 31. Mai 2019

Ähnlichkeit mit dem Krim-Streit
Estland stellt innersowjetische Grenzverschiebungen in Frage – Moskau spricht von Provokation
Bodo Bost

Der neue estnische Innenminister Mart Helme von der Estnischen Konservativen Volkspartei (EKRE) hat auf einer Pressekonferenz von Russland die Rückgabe der beiden 1940 als Folge des deutsch-sowjetischen Nichtangriffsabkommens besetzten Gebiete um die Städte Johannstadt und Petschur nördlich beziehungsweise südlich des Peipussees gefordert. 

Er habe „natürlich nicht“ vor, „mit Russland wegen dieser Gebiete zu kämpfen“ – aber er kritisierte doch, dass Moskau diese „5,2 Prozent des estnischen Territoriums“ weder zurückgeben noch Estland entschädigen und noch „nicht einmal darüber verhandeln“ wolle. Deshalb müsse eine „Lösung dieses Problems im Rahmen des Völkerrechts abgewartet“ werden. 

Die jüngsten Gebietsansprüche des estnischen Innenministers hat das Außenministerium in Moskau als „unzulässig und provokant“ bezeichnet, ohne auf die geschichtlichen Grundlagen des Grenzstreites einzugehen. Eine Außenamtssprecherin sprach von einer Gefahr für den „gutnachbarlichen Dialog“. 

Nach dem Zusammenbruch des Zarenreiches, zu dem auch Finnland und das Baltikum gehört hatten, hatten die Bolschewisten 1920 in den Friedensverträgen von Dorpat die Unabhängigkeit Finnlands sowie Estlands einschließlich von Johannstadt und Petschur anerkannt. Nachdem das Baltikum im deutsch-sowjetischen Nichtangriffsabekommen von 1939 allerdings dem sowjetischen Interessensgebiet zugesprochen worden war, besetzten Sowjettruppen 1940 ohne Kriegserklärung die drei baltischen Staaten und gliederten sie als Sowjetrepubliken in die Sowjetunion ein. 

Nach der zwischenzeitlichen Eroberung durch Deutschland und der Rückeroberung durch die Sowjetunion wurden 1944/45 die beiden jetzt umstrittenen Gebiete aus der Estnischen Sozialistischen Sowjetrepublik herausgelöst und der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (RSFSR) zugesprochen, ähnlich wie ein Dutzend Jahre später per Erlass die Krim aus der RSFSR herausgelöst und der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik zugesprochen wurde. Da Estland erst 1991 wieder unabhängig wurde, kam das Grenzproblem erst danach wieder auf die Tagesordnung. 

Am 18. Mai 2005 unterzeichneten der damalige estnische Außenminister Urmas Paet und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow ein Grenzabkommen, von dem Russland jedoch wenige Wochen später ohne Begründung zurücktrat, sodass nach Lesart einiger estnischer Politiker, die Verträge von Dorpat diesbezüglich nach wie vor gültig sind und die umstrittenen Gebiete de jure ein Teil Estlands. 

Paet erklärte damals lediglich, dass Estland das Gebiet nicht zurückfordern werde. In estnischen Schulbüchern sind die beiden umstrittenen Gebiete heute besonders gekennzeichnet. Allerdings hatte seit der Wiedererlangung der Unabhängigkeit noch keine estnische Regierung die Rück­gabe verlangt. Moskau betrachtet das Thema als endgültig erledigt.