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31.05.19 / Ausgebremst auf der Zielgeraden / US-Sanktionen gegen russisches Nord-Stream-2-Projekt führen zu Verzögerungen – EU-Firmen betroffen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-19 vom 31. Mai 2019

Ausgebremst auf der Zielgeraden
US-Sanktionen gegen russisches Nord-Stream-2-Projekt führen zu Verzögerungen – EU-Firmen betroffen
Norman Hanert

Die Ostsee-Erdgasleitung Nord Stream 2 sollte eigentlich schon bis zum Ende dieses Jahres fertig sein. In der Endphase der Bauarbeiten tauchen nun mehrere Probleme auf.

Bei einem Besuch in der Ukraine kündigte der US-Energieminister Rick Perry Sanktionen an, um die Gaspipeline zu verhindern. In Kiew sage Perry, „in nicht zu ferner Zukunft“ werde ein Gesetz vorliegen, das Strafen für Unternehmen vorsieht, die an dem Projekt beteiligt sind. Nach Angaben des Energieministers werde der US-Kongress ein entsprechendes Gesetz verabschieden, das Präsident Donald Trump unterzeichnen werde. 

Treffen könnten die angedrohten Sanktionen den russischen Konzern Gazprom, der die Hälfte der Gesamtkosten des Projekts trägt. An Nord Stream 2 beteiligen sich auch die BASF-Tochter Wintershall, der österreichische Mischkonzern OMV, die Eon-Abspaltung Uniper sowie die Royal Dutch Shell und die französische Engie. Zwei US-Senatoren haben im Senat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der Sanktionen auch gegen Unternehmen vorsieht, die Versicherungen für das Pipelineprojekt anbieten. Hauptziel sind allerdings Firmen, die für das Verlegen der Gasleitungen durch die Ostsee zuständig sind. Ein Einfrieren von Konten und Einreisesperren für Führungskräfte könnte vor allem die Swiss Allseas Group und die italienische Firma Saipem treffen. Spezialschiffe beider Unternehmen kommen beim Verlegen von Gasröhren in der Ostsee zum Einsatz. Beteiligt ist dabei auch das Arbeitsschiff „Pioneering Spirit“. Das größte Schiff der Welt ist für Verlegung großer Pipeline-Systeme ausgelegt. Beobachter rechnen damit, dass es für Gazprom schwierig werden könnte, einen kurzfristigen Ersatz für solche Spezialschiffe zu organisieren. 

Die Nord Stream 2 AG hat aktuell auch Probleme mit einem Genehmigungsantrag in den Gewässern südlich von der Insel Bornholm. Die Nord-Stream-Leitung soll dort auf einer Route durch die dänische Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) verlaufen. 

Nachdem vor zwei Jahren zum ersten Mal ein Genehmigungsantrag bei den dänischen Behörden eingereicht worden war, folgten inzwischen zwei weitere Vorschläge für Routen. Vergangenes Jahr stellte die Nord Stream 2 AG einen Antrag für eine Leitungsroute nordwestlich von Bornholm, im April folgte ein Vorschlag für eine südöstliche Route. Eine Entscheidung der dänischen Energieagentur DEA steht bislang noch immer aus. Ein Sprecher von Gazprom nannte die aktuelle Haltung Dänemarks „befremdlich“ und wies darauf hin, dass das Land auch schon Nord 

Stream 1 genehmigt und sich rechtlich nichts geändert habe. 

Allerdings planen auch Dänemark und Polen mittlerweile eine Erdgasleitung namens Baltic Pipe, die norwegisches Erdgas nach Polen transportieren soll. Die Leitung würde in Konkurrenz zu den Nord-Stream-Leitungen stehen. Mehr noch. In den dänischen Gewässern um die Insel Bornholm würden sich beide Leitungsprojekte kreuzen. 

Mit der nun eingetretenen Verzögerung ist offenbar der ursprüngliche Zeitplan für Nord Stream 2 obsolet. Geplant war nämlich, bereits Ende des Jahres 2019 sibirisches Erdgas durch die Leitung nach Deutschland zu schicken. Die Nord-Stream-Betreibergesellschaft nennt in ihrem jüngsten Bericht nun die zweite Jahreshälfte 2020 als Zeitraum der Fertigstellung. Für Gazprom hat das Platzen des ursprünglichen Zeitplans erhebliche Folgen. Zum Jahresende läuft nämlich ein Transitvertrag mit der Ukraine aus. Die russische Seite hätte bei den anstehenden Verhandlungen mit einer fertiggestellten Nord-Stream-2-Leitung eine Trumpfkarte in der Hand gehabt. Die sich abzeichnende Verzögerung stärkt wiederum die Verhandlungsmacht der Ukrainer. Bislang wird knapp die Hälfte der russischen Erdgaslieferungen für den europäischen Markt durch die Ukraine transportiert. Dem ukrainischen Betreiber Naftogaz spülen die Transitlieferungen jedes Jahr rund zwei Milliarden US-Dollar in ihre Kassen. Der ukrainische Staat profitiert davon als Besitzer von Naftogaz. Die neue Leitung durch die Ostsee mit einer jährlichen Kapazität von 55 Milliarden Kubikmetern würde es Russland erlauben, einen Großteil der Gaslieferung in Richtung Westen unter Umgehung Polens und der Ukraine abzuwickeln. Für Kiew würde dies sinkende Gebühreneinnahmen bedeuten. Auch künftig wird Russland nicht komplett auf die Ukraine als Transitland für Gaslieferungen verzichten können. Zum einen verfügt die Ukraine über bedeutende Speichermöglichkeiten für Gas, mit der sich Versorgungsspitzen auf dem europäischen Markt abfedern lassen. Zum anderen steigt der Bedarf an Erdgas in ganz Europa. Gazprom hat bereits im Jahr 2017 fast 194 Milliarden Kubikmeter in die mittel- und westeuropäischen Länder sowie die Türkei geliefert. Für diese Exportmenge werden nicht einmal die beiden Nord-Stream-Pipelines mit jeweils 55 Milliarden Kubikmeter Jahres­kapazität ausreichen.