19.04.2024

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31.05.19 / Die Deutschen flüstern wieder

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-19 vom 31. Mai 2019

Die Deutschen flüstern wieder
Hans Heckel

Das Ergebnis einer brisanten Allensbach-Umfrage muss alarmieren: Immer mehr Deutsche haben den Eindruck, dass sie ihre Meinung nicht frei öffentlich äußern können, ohne mit ernsten Problemen rechnen zu müssen. 59 Prozent meinen, dass man seine Meinung nur noch im Freundes- und Bekanntenkreis frei äußern kann. Nur noch 18 Prozent sehen diese Freiheit auch in der Öffentlichkeit gewährleistet.

Auffällig ist, dass die Palette der Themen, deren öffentliche Erörterung die Deutschen scheuen, immer breiter wird. Seit Langem wird der Komplex NS-Zeit und Juden als heikel angesehen, was leicht durchschaubare historische Ursachen hat. Nunmehr aber traut sich eine Mehrheit auch nicht mehr an etliche andere Themen heran. 71 Prozent etwa halten Asylsucher und Islam für ein solches Thema, bei dem man in der Öffentlichkeit vorsichtig sein müsse. 

Selbst den Patriotismus hat es erwischt: 1996 hielten ihn nur 16 Prozent für ein „heikles Gesprächsthema“, jetzt denken dies 41 Prozent. Laut den Forschern des Instituts für Demoskopie Allensbach hat das damit zu tun, dass die CDU/CSU im Unterschied zu früher nicht mehr als national gesinnte Partei wahrgenommen wird, weshalb die Deutschen denken, dass Patriotismus weniger Rückhalt bei den Mächtigen genießt als früher.

Die Befunde stützen eine Befürchtung, die seit einigen Jahren in vielen Kommentaren, sei es welche vonseiten kritischer Journalisten, seien es solche von „normalen“ Bürgern, zu lesen und zu hören ist: Nämlich, dass die Bundesrepublik Merkmale annimmt, die eigentlich für die DDR kennzeichnend waren und die man 1989 überwunden glaubte. Zwar ist die Republik weit von einer Diktatur entfernt, dennoch muss die von Allensbach nun wissenschaftlich belegte Entwicklung erschrecken.

Alexis de Tocqueville, einer der Pioniere der modernen Politikwissenschaft, beschrieb das Phänomen bereits Anfang des          19. Jahrhunderts in seinem Buch „Über die Demokratie in Amerika“. Die verbrieften Freiheiten, so der Franzose, nützten einem nichts mehr, wenn sie auf eine freiheitsfeindliche Umgebung träfen. Dann dürfe man theoretisch zwar alles sagen. Die Furcht, sozial geächtet zu werden für die „falsche“ Meinung, sorge jedoch dafür, dass die theoretischen, gesetzlich verbrieften Freiheitsrechte wertlos würden.

Genau auf dieser Schwelle bewegt sich das heutige Deutschland. Auf dem Papier wird die Meinungsfreiheit zwar garantiert. Wer sie aber tatsächlich in Anspruch nimmt, geht ein Risiko ein. Dagegen hilft nur die Einsicht, dass Freiheiten nicht „gewährt“ werden, sondern errungen. Wer seine Meinungsfreiheit verteidigen will, muss die Furcht überwinden und die Freiheit des Wortes mutig ausüben.