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31.05.19 / Gegenwind / Die EU verkörpert den Nationalismus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-19 vom 31. Mai 2019

Gegenwind
Die EU verkörpert den Nationalismus
Florian Stumfall

Durch die Länder des Brüsseler Herrschaftsgebiets schallte vor den EU-Wahlen ein panischer Ruf: die Warnung vor dem Nationalismus. Darin ist alles enthalten, was als verwerflich und politisch verabscheuungswürdig empfunden wird. Nationalismus – nie wieder!, so die Maxime, und das Heil kommt von Europas Höhen.

Was diese Schwarz-Weiß-Skizze so einfach und damit einleuchtend macht, ist der Umstand, dass sich niemand bemüßigt fühlt zu erklären, was er denn unter Nationalismus verstehe. Dabei fehlt es nicht an gegenwärtigen und historischen Beispielen. Sie beginnen mit der Überzeugung der USA von der eigenen „Exzeptionalität“ und enden beim Nationalsozialismus. Dazwischen gibt es vielerlei Varianten. Allen ist diese Kennzeichnung eigen: Nationalismus ist die übersteigerte, zum Selbstzweck erhobene Sicht der eigenen Staatlichkeit.

Doch wie sich das soziale Prinzip diametral vom Sozialismus unterscheidet, so unterscheidet sich das nationale grundlegend vom Nationalismus. Denn es ist jeweils die Übersteigerung zur Ideologie, die aus einem respektablen Gedanken die Blaupause für den Totalitarismus macht und so das Gegenteil von dem bewirkt, wonach er angetreten ist. Nur das Maß bewahrt vor dem Extremismus.

Das nationale Prinzip aber besteht aus verschiedenen Elementen. Es sind dies die Geschichte eines Volkes, vor allem auch die Geistesgeschichte, seine Sprache, seine ethische Prägung und damit Kultur und Traditionen sowie schließlich die emotionale Bindungskraft, welche ihre Teile zusammenhält.

All das ist vorgegeben, nachgerade mit naturgesetzlicher Dringlichkeit. Nichts davon darf dem Willen eines Herrschers, auch nicht dem Mehrheitsprinzip unterliegen. Gesetze müssen nach der Vorgabe der nationalen Grundausstattung erlassen werden, diese bildet den verbindlichen Rahmen. Wenn aber die konstitutiven Elemente sich geschichtlich entwickelt haben und vorgegeben sind, so kann auch niemand das Recht beanspruchen, sie abzuschaffen. Das nationale Prinzip anzugreifen, heißt, die Axt an den Bestand eines Volkes zu legen, das doch nach allgemeiner Übereinkunft der Souverän im aufgeklärten Verfassungsstaat zu sein hat.

Was aber das Verhältnis des Nationalen zur Souveränität angeht, so fließt diese aus jenem. Die nationale Ausstattung ist vorgegeben, das Volk ist Inhaber des Besitzrechtes daran, und der verbriefte Titel ist seine Souveränität.

Doch die EU-Konstrukteure meinen mit ihrem Kampf gegen den Nationalismus nicht nur diesen, sondern ebenso das nationale Prinzip. Und auch dieses ist nicht das endgültige Ziel ihrer Wut, sondern die Souveränität der Völker, die Ausformung des nationalen Prinzips. Denn wenn dieses abgeschafft wird, kann, da es doch vorgeordnet ist, die daraus folgende Souveränität ebenfalls keinen Bestand haben.

Da aber die Souveränitätsrechte mehr und mehr auf die EU übergehen, ohne dass der Inhaber dieser Rechte, das Volk, darüber befragt würde, lohnt sich ein Blick, wie die Ordnung der EU beschaffen ist. 

Tatsächlich weist sie alle Kennzeichen auf, die man am Nationalismus tadelnswert finden muss. Die EU verkörpert heute eine übersteigerte, zum Selbstzweck erhobene Idee, die zu kritisieren sich niemand erdreisten darf. „Euro-kritisch“ bezeichnet einen Vorwurf, der ethische Implikationen aufweist. Die mangelnde Begeisterung für Brüssel gilt als eine verwerfliche Haltung. Die Politische Korrektheit will die Kontrolle über Taten, Gedanken und auch Empfindungen. Das sind durchaus totalitäre Züge. 

Die EU verkörpert den Nationalismus, gegen den sie argumentiert, selbst auf einer breiteren Grundlage, mit größeren Machtmitteln und unbedingtem Anspruch. Die EU hat ihre Staatlichkeit längst zum Selbstzweck erhoben, das Kritik-Tabu ist Kennzeichen der Übersteigerung des diskutablen Grundgedankens. Dieser EU-Nationalismus kann keine konkurrierende Souveränität dulden. Was sich nicht unterordnet, wird Opfer des Gleichheitsprinzips. Ausdruck davon sind ungezählte EU-Normen, die ihre Gefährlichkeit hinter ihrem oft lächer-lichen Gehalt verstecken. 

Was aber die Aufhebung der Souveränität angeht, so ist niemand so willfährig wie Deutschland. Das hat psychologische, aber auch rechtliche Gründe. Denn nach wie vor ist Deutschlands Souveränität als Staat eingeschränkt. Zunächst war es das Besatzungsstatut vom 10. April 1949, das diese Einschränkung festschrieb. Vorgeb-lich wurde 1954 die deutsche Souveränität durch die Pariser Verträge respektive den Deutschlandvertrag wieder­her­ge­stellt. Doch bereits in dessen Artikel 2 heißt es, dass „die Drei Mächte die bisher von ihnen ausgeübten oder innegehabten Rechte und Verantwortlichkeiten in Bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes einschließlich der Wiedervereinigung Deutschlands und einer friedensvertraglichen Regelung“ behalten.

Der im Zuge der Vereinigung geschlossene „Zwei-plus-Vier-Vertrag“ beendet zwar die nun obsoleten „Rechte und Verantwort-lichkeiten in Bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes“, bestand aber auf den Rechten, das vereinigte Deutschland betreffend. Eine Analyse der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 21. Juni 2006 (Ausarbeitung WD 2 – 108/06) stellt fest: „Bei den fortgeltenden Bestimmungen handelt es sich im wesentlichen um sog. ‚versteinertes Besatzungsrecht‘, also Besatzungsrecht, welches bereits bei Abschluss des ‚Überleitungsvertrages‘ keinerlei Disposition durch die deutsche Staatsgewalt unterlag.“

Die entscheidende Passage aus dem Wissenschaftlichen Dienst lautet: „Gültig bleiben alle Rechte und Verpflichtungen, die durch gesetzgeberische, gerichtliche oder Verwaltungsmaßnahmen der Besatzungsbehörden oder aufgrund solcher Maßnahmen begründet oder festgestellt worden sind.“ Das bedeutet nichts anderes als die Fortdauer des Besatzungsrechts bis zum heutigen Tag.

Ergänzt wird diese hier kurz beschriebene Rechtslage durch die sogenannte Kanzlerakte. Bekannt wurde ihre Existenz überraschenderweise durch den schillernden SPD-Politiker Egon Bahr. Als nämlich 1969 Willy Brandt Bundeskanzler wurde, so berichtet sein engster Mitarbeiter Bahr, legte man ihm ein Dokument zur Unterschrift vor, das die Unterwerfung der deutschen Regierung unter den Vorbehalt der Westmächte stellte. Bahr in einem Interview vom 14. Mai 2009 mit der „Zeit“: „Damit sollte er zustimmend bestätigen, was die Militärgouverneure in ihrem Genehmigungsschreiben zum Grundgesetz vom 12. Mai 1949 an verbindlichen Vorbehalten gemacht hatten. Als Inhaber der unkündbaren Siegerrechte für Deutschland als Ganzes und Berlin hatten sie diejenigen Artikel des Grundgesetzes suspendiert, also außer Kraft gesetzt, die sie als Einschränkung ihrer Verfügungshoheit verstanden.“

Werden die deutschen Bundeskanzler seit Konrad Adenauer bis heute auf die „unkündbaren Siegerrechte“ eingeschworen, so kann es kaum eine deutsche Souveränität geben. Bezeichnend, dass die Kanzlerakte ein Zwangsmittel der Verbündeten Deutschlands ist, die Sowjetunion war nie daran beteiligt, und Russland schon gar nicht. So bleibt der Zweite Weltkrieg andauernde deutsche Gegenwart.