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31.05.19 / So wurde die Mitte zum »Narrensaum« / Was einst die Spinner am politischen Rand beschrieb, wurde geschickt zum Kampfbegriff gegen die rechte Opposition umgebaut

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-19 vom 31. Mai 2019

So wurde die Mitte zum »Narrensaum«
Was einst die Spinner am politischen Rand beschrieb, wurde geschickt zum Kampfbegriff gegen die rechte Opposition umgebaut
Wolfgang Kaufmann

„Lunatic fringe“, zu Deutsch „Narrensaum“, ist ein Ausdruck zur Kennzeichnung von Verfechtern exzentrischer Positionen am äußersten Rande politischer oder anderer Bewegungen. Heutzutage sollen damit in aller Regel „Rechte“ stigmatisiert werden, welche besonders vehement gegen den herrschenden Zeitgeist opponieren. Dabei finden sich Obskuranten und Extremisten sehr viel häufiger im linken Außenbereich des politischen Spektrums.

Im Jahre 1913 schrieb der vormalige amerikanische Präsident Theodore Roosevelt in seiner Autobiografie, dass es letztlich in jeder Reformbewegung einen „Narrensaum“ gebe: „There is a lunatic fringe to every reform movement.“ So also auch in der von ihm begründeten Progressive Party, einer linksorientierten Abspaltung von den Republikanern. 

Damit meinte der Friedensnobelpreisträger jene „Ultra-Pazifisten“, „Anti-Imperialisten“ und „Anti-Militaristen“, die seinen innen- und außenpolitischen Kurs kritisierten. Danach war der Begriff „lunatic fringe“ fest im Englischen etabliert. Allerdings diente er dann ab den 1940er Jahren nicht mehr dazu, radikale linke oder pazifistische Positionen zu kennzeichnen. 

Verantwortlich hierfür zeichnete ein entfernter Cousin Roosevelts, der 1933 für die Demokraten ins Weiße Haus einzog: Franklin Delano Roosevelt. Dieser ordnete nun beispielsweise die radikalen Antisemiten und Antikommunisten in der Silver Legion of America, welche lange Zeit mit den Nationalsozialisten sympathisierten, dem „Narrensaum“ zu. Seither wird die abwertende Bezeichnung fast ausnahmslos nur noch dann verwendet, wenn es um besonders weit rechts stehende politische Gruppierungen oder Einzelpersonen geht. 

So gelten heute unter anderem Reichsbürger und Verschwörungstheoretiker mit einem Faible für NS-Themen, rechte Esoteriker sowie auch exaltierte „Rechtspopulisten“ und überspannt-paranoide Mitglieder oder Wähler rechter Splitterparteien als Vertreter des „lunatic fringe“. Dabei versuchen manche Sozialwissenschaftler – oder besser gesagt:  „Volkspädagogen“ – den Eindruck zu erwecken, dass jetzt etwas geschehe, was sich mit der Formel „Lunatic fringe goes mainstream“ beschreiben lasse. 

Das heißt auf Deutsch: Bisher nur von einer verschwindenden Minderheit vertretene rechtsextreme Positionen würden nun von immer mehr Menschen aus der sogenannten „Mitte der Gesellschaft“ geteilt. Als Beleg hierfür nennen die „Experten“ unter anderem die Wahlsiege der Alternative für Deutschland (AfD) und weiterer „rechtspopulistischer“ Parteien im Ausland – von Trumps Triumph im Ringen um die US-Präsidentschaft ganz zu schweigen. 

Realistisch betrachtet, verhält es sich jedoch genau umgekehrt: Heute gilt das als extrem und exzentrisch, was vor dem dramatischen Linksruck in der CDU unter Angela Merkel Mainstream war. Man denke da nur beispielsweise an die Pläne von Helmut Kohl, jeden zweiten in Deutschland lebenden Türken wegen Nichtintegrierbarkeit in sein Heimatland abzuschieben.

Darüber hinaus bleiben bei der Diskussion über den rechten „Narrensaum“ aber auch noch drei weitere, ebenso wichtige Aspekte außer Acht. Da wäre zum Ersten die immer sehr aufschlussreiche Cui-bono-Frage: Wem würde ein möglichst breiter „lunatic fringe“ auf Seiten der Rechten denn am meisten nützen? Wer profitiert heute davon, wenn närrische Geister oder geschäftstüchtige „Enthüllungsautoren“ behaupten, Adolf Hitler sei 1945 mit Hilfe einer „Reichsflugscheibe“ in die Antarktis geflohen, wo er nun in Neuschwabenland residiere und „Fliegende Untertassen“ auf die Welt loslasse, um seine Rück­kehr anzukündigen? Die seriöse Rechte wohl kaum … 

Zum Zweiten ist hinreichend belegt, in welch starkem Maße der Verfassungsschutz in der Vergangenheit rechte Parteien und Bewegungen mittels V-Leuten oder gar Provokateuren unterwandert hat. Deshalb kann nicht ausgeschlossen werden, dass der bundesdeutsche Inlandsgeheimdienst nun auch den rechten „Narrensaum“ unserer Tage inspiriert und hätschelt, um so zusätzliche Vorwände für die Eröffnung von Prüf- und Verdachtsfällen zu schaffen.

Und zum Dritten gibt es auf Seiten der Linken einen überaus weitläufigen „lunatic fringe“, was zumeist völlig ignoriert wird. Dabei kommen die absurden Ideen mal mehr aus der grün-alternativen und mal mehr aus der roten Ecke. Als Beispiel für ersteres mögen folgende Vorschläge oder gar Forderungen dienen: Abschaffung des Paragraphen 173 des Strafgesetzbuches, welcher den Inzest unter Strafe stellt, Legalisierung von Sex mit Kindern, Verbot von Fleisch in allen Kantinen an Donnerstagen, Verbot des Ponyreitens und des Aufstellens von Weihnachtsbäumen, Verbot von Deutschlandfahnen und der Ersten Klasse in der Bahn, Verbot der Institution Ehe sowie Einführung des „Autofastens“ zwischen Aschermittwoch und Ostern. 

Allein die Liste der bizarren grünen Verbotsphantasien umfasst 69 Posten! Dunkelrote Wirrköpfe glänzen durch Ideen wie einen Steuersatz von 100 Prozent für höhere Einkommen und allerlei andere Zwangsmaßnahmen zur Enteignung der Leistungsträger unserer Gesellschaft beziehungsweise rigiden Umverteilung „von oben nach unten“.

Häufig sammeln sich die Vertreter des rot-grünen „Narrensaums“ in Splitterparteien wie den „Violetten“, die utopische Energiequellen erschließen wollen, der „V-Partei“ der rigiden Vegetarier und Veganer, den „Urbanen“, welche die Freigabe von Cannabis fordern, der „Bergpartei“, die für Bierpreisbremsen und den Austritt aus der NATO kämpft, oder der „Sozialistischen Gleichheitspartei“, der die Durchsetzung einer „universellen Gesamtgerechtigkeit“ am Herzen liegt. 

Doch damit nicht genug. Während die Ideen und Aufrufe des rechten „lunatic fringe“ entgegen aller Kassandrarufe keineswegs salonfähig geworden sind, verhält es sich mit den Absurditäten der Gegenseite des politischen Spektrums deutlich anders. Man nehme hier nur die Forderungen nach der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens oder das Verlangen nach dem Verbot „sexistischer Werbung“, die Drohungen mit Enteignung zur „Lösung“ des Wohnungsproblems, die pseudohumanitären Rufe der „Flüchtlings“-Lobby nach dem Niederreißen sämtlicher Grenzen, den Drang nach Oktroyierung immer neuer unsinniger Sprachregelungen aus der Hexenküche der Gender-Ideologie, die irrwitzigen Vorschläge zum Thema „klimagerechte Ernährung“, das Beharren auf der Ehe für wirklich alle sowie den Versuch, heterosexuelle weiße Männer in die Paria-Rolle zu drängen – insbesondere, wenn diese die Frechheit besitzen, alt zu sein. 

Hier hätte man vor einigen Jahren noch von mehr oder weniger geschmacklosen Scherzen oder pathologischem Unsinn gesprochen, der den Hirnen einzelner geistig umnachteter linker Rand­existenzen entsprungen sei. Heute hingegen stößt das alles auf immer breitere Akzeptanz oder wird gar schon in die Realität umgesetzt! 

Hinter den Verweisen auf den rechten „Narrensaum“ und dessen angeblichen Einfluss auf Parteien wie die AfD verbirgt sich also ein großangelegtes Propaganda- und Täuschungsmanöver. Zum einen soll restlos alles diskreditiert werden, was dem linkslastigen Mainstream irgendwie gegen den Strich geht, indem man es mit dem grotesken Gedankengut einiger Weniger in Verbindung bringt. Wobei – wie schon erwähnt – die Frage nach der tatsächlichen Urheberschaft der Äußerungen zu stellen wäre. Zum anderen wird dreist „Haltet den Dieb!“ geschrien, um davon abzulenken, wie fett gemästet sich der linke „lunatic fringe“ mittlerweile präsentiert und wie sehr er den politischen Diskurs im Hier und Heute dominiert.