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31.05.19 / Ein Stück Württemberg in Oberschlesien / Vertriebener initiierte das Carl-Maria-von-Weber-Musikfestival in Carlsruhe

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-19 vom 31. Mai 2019

Ein Stück Württemberg in Oberschlesien
Vertriebener initiierte das Carl-Maria-von-Weber-Musikfestival in Carlsruhe
Chris W. Wagner

Polnische Behörden lieben komplizierte Namen. So trägt das jährliche Musikfest zu Ehren Carl Maria von Webers in Carlsruhe [Pokoj] die sperrige Bezeichnung: „Festival der historischen Parks und Gärten Carl Maria von Weber“, ist aber unter Musikfans als „Weber-Festival“ bekannt. Dieses Jahr findet es vom 20. bis zum 22. Juni statt. 

„Weltweit gibt es nur zwei Orte, an denen in dieser Form des hervorragenden Komponisten Carl Maria von Weber gedacht und sein musikalisches Schaffen gewürdigt wird: sein Geburtsort Eutin in Schleswig-Holstein und Carlsruhe in Oberschlesien, wo er zahlreiche Kompositionen seines wohl bekanntesten Werkes, der romantischen Oper ‚Der Freischütz’ schuf“, berichtet Johanna Lemke-Prediger. Für die pensionierte Deutschlehrerin und erste nach der politischen Wende entsandte Lehrkraft aus der Bundesrepublik zur Unterstützung der deutschen Volksgruppe in Oberschlesien ist die Teilnahme an dem Ereignis seit vielen Jahren nicht nur ein kultureller Genuss. Während ihrer aktiven Zeit war es auch Pflicht, im Unterricht darüber zu berichten. 

Das Ziel des Festivals ist neben der Popularisierung der Musik Carl Maria von Webers auch den einst berühmten Schlosspark unter den Bewohnern der Woiwodschaft Oppeln bekannt zu machen, heißt es seitens der Gemeindeverwaltung Carlsruhe. 

Der Schlosspark der schlesischen Linie derer von Württemberg 

gehörte zu den berühmtesten Parkanlagen Mitteleuropas. Herzog Eugen Friedrich Heinrich von Württemberg – mütterlicherseits ein Hohenzollernspross – holte Mitte 1806 bis Anfang 1807 Carl Maria von Weber zu sich nach Carlsruhe. Heute erinnert nur noch wenig an die einstige 

Glanzzeit des Schlossparks. Die zahlreichen Denkmäler sind großenteils zerstört, sämtlichen Skulpturen wurde der Kopf abgeschlagen, deutsche Symbole und Inschriften sind entfernt worden. 

Aus Carlsruhe stammt auch Ferdinand Freiherr von Richthofen (1833-1905), ein bedeutender Geograph, Kartograph und Forschungsreisender. Er gilt als Begründer der modernen Geomorphologie (Landformenkunde) und prägte in seinen Studien über China den Begriff „Seidenstraße“. „Das Festival soll zeigen, dass Carlsruhe zu den führenden Zentren des künstlerischen und kulturellen Lebens der Region zählte“, wirbt die Gemeinde Carlsruhe auf ihrer Internetseite.

Beim letzten, dem 15. „Weber-Festival“ vermisste Johanna Lemke-Prediger einige prominente Besucher. „So fehlte unter anderem, bedingt aus alters- und gesundheitlichen Gründen, der Ehrenbürger Carlsruhes, Ferdinand Herzog von Württemberg, Christian Max Maria Freiherr von Weber, ein Nachfahre des Komponisten und Ehrenvorsitzender der Internationalen Carl Maria von Weber-Gesellschaft, sowie der ein Jahr zuvor verstorbene Manfred Rossa“, so Lemke-Prediger. Manfred Rossa war Ideengeber des Festivals. 2003 publizierte er erstmals über Webers Wirken in Schlesien, es folgten weitere, auch ins Polnische übersetzte Texte in den deutsch-polnischen „Eichendorff-Heften“ sowie vom Heimatkreis Carlsruhe veröffentlichte Publikationen. „Er war der Motor dafür, dass das am Ende des Zweiten Weltkrieges schwer zerstörte Carlsruhe aus seinem Dornrös-chenschlaf aufgeweckt wurde und nach neuem Leben strebte. Unermüdlich war er bei der Organisation und der Beschaffung fin-

anzieller Mittel für Carlsruhe 

und seine Kulturdenkmäler und natürlich auch das Festival tätig“, weiß die ehemalige Deutschleh-rerin.

So können sich Musikfreunde auf drei Konzerte an drei Tagen freuen. In der 1765 eingeweihten und bis heute von Protestanten genutzten evangelischen Sophienkirche wird um 16 Uhr das Festival eröffnet. Auf dem Programm steht Musik von Johann Sebastian Bach, Felix Mendelssohn Bartholdy und Carl Maria von Weber. Gesang: Breslauer Kammerchor „Cantores Minores Wratislavienses“, Tomasz Gluchowski (Orgel), Piotr Karpeta (Dirigent). Am Freitag, dem 21. Juni, wird um 17 Uhr im Carlsruher Gemeindehaus Frederic Chopin und Carl Maria Weber gespielt. Das Abschlusskonzert findet am 22. Juni um 19 Uhr in der katholischen Kreuzerhöhungskirche statt. Gespielt wird Jan Maklakiewiczs Polnische Messe (1944) für gemischte Chöre, Tenor und Orgel. Bartoscz Nowak (Tenor), Michal Blechinger (Orgel). Eine Stunde davor findet dort eine katholische Messe mit musikalischer Umrahmung von Chören aus Oppeln und Groß Döbern (Dobrzen Wielki) statt.

Für Johanna Lemke-Prediger und ihren Ehemann Manfred Prediger gehört das „Weber-Festival“ zu den kulturellen Jahreshöhepunkten. Die aus Bitterfeld stammende Deutschlehrerin kam 

1991 ins oberschlesische Dorf Wengern [Wegry], ihr sudetendeutscher Ehemann zog nach. Obwohl beide im Ruhestand sind, unterstützen sie das kulturelle Leben der Region. Johanna forscht weiterhin zusammen mit Schülern nach historischen Ereignissen und Persönlichkeiten, die Schlesiens Kulturerbe bilden.