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07.06.19 / Der Bruch hat begonnen / Der Untergang des alten Bonner Parteiensystems ist in seine heiße Phase getreten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-19 vom 07. Juni 2019

Der Bruch hat begonnen
Der Untergang des alten Bonner Parteiensystems ist in seine heiße Phase getreten
Hans Heckel

Die SPD steckt im verzweifelten Endkampf um die nackte Existenz. Doch auch in der CDU wächst die Nervosität – völlig zu Recht.

Beobachtern wie politisch Beteiligten war schlagartig klar: Mit der Flucht von Andrea Nahles aus dem Partei- und Fraktionsvorsitz ist mehr passiert, als nur der nächste Abgang eines SPD-Chefs, dem neunten seit dem Jahr 2000. Das ist keine bloße „Führungskrise“ mehr, die SPD steckt mitten in einem verzweifelten Endkampf ums nackte Überleben.

Daher lenken die üblichen Debatten über das „Personalkarussell“, über diesen oder jenen Kandidaten für die Nachfolge auch nur ab vom Kern des Problems. Dieser liegt in der Abkehr der deutschen Sozialdemokratie von ihrer historischen Identität und damit von ihrer Mission und Wählerschaft. Die Partei der großen Schar von hart arbeitenden Menschen, vor allem der unteren Mittelschicht, ist unter der Regie abgehobener Ideologen zur Nischenpartei geschrumpft. Gender-Gaga und Klima-Hysterie, der Kampf für noch mehr Einwanderung, der Einsatz selbst für abgelehnte Asylbewerber, das Kleinreden der radikal-islamischen Bedrohung und ähnliches rückte in den Mittelpunkt. 

Preistreibende Klimapolitik und Sozialgeschenke an kleine Gruppen sollten Wähler locken. Der arbeitenden Mittelschicht wies die SPD dabei die Rolle des Last-Esels zu, der alle wirtschaftlichen und kulturellen Zumutungen still zu tragen hatte. Wer sich etwa als Alteingesessener in seinem traditionellen Arbeiterquartier von Fremden überrannt fühlt und das auch offen sagt, muss vonseiten dieser SPD-Funktionärskaste mit den schlimmsten Beschimpfungen rechnen. Bestenfalls mit herablassenden Zurechtweisungen.

Das musste irgendwann schiefgehen. Aber wie so oft eben nicht sofort, denn die Geschichte neigt dazu, erst nach einer langen Anbahnungsphase einen Sprung zu machen. In diesem Fall: einen Sprung nach unten.

Indes: Für den einstigen Hauptrivalen CDU sind das keine guten Nachrichten. Die Nervosität, mit der Annegret Kramp-Karrenbauer die Turbulenzen beim Koalitionspartner quittiert, ist keineswegs gespielt. „AKK“ weiß, dass ihre Partei ähnlichen Schwierigkeiten entgegen geht, denn auch hier ist die Entfremdung zur einstigen Basis weit fortgeschritten. 

Kanzlerin Merkel spielt hier eine bizarre Doppelrolle: Einerseits bindet sie immer noch Millionen, die der Regierungschefin eher persönlich folgen als irgendeiner Politik. Andererseits liegt Merkel wie eine Dunstglocke über der CDU, unter der jeder Neuanfang erstickt wird und damit die Chancen der Partei, dem Schicksal der SPD zu entgehen, verrotten.

So dürften jene Beobachter recht behalten, die das alte Bonner Parteiensystem vor dem Ende sehen. Für sie war der Absturz von Nahles nur das Fanal, das den Einstieg in die heiße Phase dieses Bruchs markiert. Politik in Deutschland wird so spannend wie lange nicht mehr.