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07.06.19 / Trauriger Spitzenreiter / Kein europäisches Land ist stärker von der Landflucht betroffen als Spanien

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-19 vom 07. Juni 2019

Trauriger Spitzenreiter
Kein europäisches Land ist stärker von der Landflucht betroffen als Spanien
Markus Matthes

Bulgarien, Rumänien, Griechenland, die baltischen Staaten und Teile Mitteldeutschlands leiden auch unter Landflucht, aber das am stärksten von diesem Phänomen betroffene Land Europas ist Spanien. 

3000 Ortschaften sind mittlerweile menschenleer. Fünf Prozent der Staatsbevölkerung bewohnen 53 Prozent der Staatsfläche und 0,2 Prozent 16 Prozent der Orte mit weniger als 100 Einwohnern. 

Die im Nordosten Spaniens gelegene, sich über zehn Provinzen und fünf Autonomiegebiete erstreckende und wegen ihrer geringen Bevölkerungsdichte auch „südliches Lappland“ oder Spanisch-Lappland“ genannte Serranía Celtibérica (kelt­iberisches Bergland) gilt als die größte demografische Wüste in der EU. Lediglich eine halbe Million Menschen verlieren sich auf einer Fläche von 63098 Quadratkilometern in 1632 Gemeinden. Spaniens Binnenland ohne die Hauptstadt Madrid und die Regionen mit Zugang zum Meer hat von 2008 bis 2018 zusammen eine Viertelmillion Einwohner eingebüßt. In den Provinzen Albacete, Ávila, Burgos, Gijón, Jaén, Oviedo, Soria, Teruel und Zamora waren selbst kleinere Städte von der Landflucht betroffen. Eine Ausnahme stellt die Provinz Guadalajara dar, die von der Nähe zur Hauptstadt profitiert. 

Die Kehrseite der Landflucht ist ein Zuzug in die Großräume Madrid und Barcelona sowie nach Guipúzcoa mit San Sebastián und nach Vitoria, Almería, Huelva, Málaga in Andalusien oder Las Palmas auf den Kanaren, der unvermindert anhält. Die dicht bei Barcelona gelegene Gemeinde Sant Cugat del Vallès mit ihren 90000 Einwohnern weist nicht nur einen sagenhaften Zuwachs von 72 Prozent seit der Jahrtausendwende auf, sondern gleichzeitig eines der höchsten Durchschnittseinkommen in ganz Spanien. 7,5 Millionen Spanier leben in den sechs großen Städten Madrid, Barcelona, Valencia, Sevilla, Zaragoza und Málaga.

Als Gründe für die Landflucht gelten eine (zwar ab 2018 langsam abebbende) zehnjährige Wirtschaftskrise, mehr Mobilität durch verbesserte Verkehrswege, der Weggang junger Akademiker und die Rückkehr vieler Einwanderer nach Lateinamerika, niedrige Geburtenraten und hohe Sterblichkeit sowie das anhaltend schlechte Image der Landbewohner als ungebildete Tölpel. Der Verringerung von Handel, Dienstleistungen und Kulturangeboten bei gleichzeitigem Verlust von Investitionen, Infrastruktur und politischer Repräsentanz auf dem Land stehen verstärkte soziale Spannungen durch die enormen Einkommensunterschiede und hohe Mieten in den Ballungsräumen gegenüber.

Als Vorbild könnten in dieser Situation die schottischen Highlands dienen. Das nordwestliche Gebiet Schottlands macht mit den nahegelegenen vier Inselgruppen mehr als die Hälfte des Landes aus, wird aber nur von 450000 Menschen bewohnt, ist also gleichfalls schwach besiedelt. Trotz verbesserungswürdiger Verkehrsanbindungen ist durch gezielten wirtschaftlichen und kommunalen Aufbau das Bevölkerungswachstum zwischen 1996 und 2016 allerdings stärker ausgefallen als im restlichen Schottland. So stieg allein die Einwohnerzahl der Hauptstadt Inverness von 47000 im Jahre 2000 auf mittlerweile fast 70000. Entscheidend dabei waren Steuererleichterungen für Investoren, die Schaffung von gehobenem Wohnraum, effiziente Internetverbindungen und der sinnvolle Einsatz vorhandener Finanzmittel. 

Spanien steht also vor großen Herausforderungen. Mit seinem portugiesischen Nachbarn hat es sich im November 2018 auf eine „iberische Strategie“ geeinigt, um insbesondere der Verödung an der gemeinsamen Grenze entgegenzuwirken.