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07.06.19 / Genossen unter Schock / Wahlergebnisse stürzen die SPD in Berlin und Brandenburg in eine tiefe Krise

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-19 vom 07. Juni 2019

Genossen unter Schock
Wahlergebnisse stürzen die SPD in Berlin und Brandenburg in eine tiefe Krise
Norman Hanert

Die EU-Wahl war für die märkische SPD, aber auch für die Berliner Sozialdemokraten ein Desaster. In beiden Bundesländern war die Partei über Jahrzehnte die führende politische Kraft. Diese Rolle schwindet mit jeder neuen Wahl.

Mit lediglich 14 Prozent schnitten die Berliner Sozialdemokraten bei der EU-Wahl so schlecht ab wie nie zuvor bei einer Wahl in der Hauptstadt. Die Partei, die mit Ernst Reuter und Willy Brandt einst herausragende Regierende Bürgermeister stellte, landete sogar noch unter dem Bundesergebnis der SPD. Noch am Wahlsonntag sprach der SPD-Landeschef Michael Müller von einem „Alarmsignal“. Müller: „Natürlich kann man ein Ergebnis unter 20 Prozent nicht schönreden.“ 

Bislang sind es nur einzelne SPD-Politiker, die öffentlich auch personelle Veränderungen fordern. Auf der Landesvorstandssitzung am Montag nach der Wahl mahnte etwa die Juso-Landesvorsitzende Annika Klose personelle Konsequenzen an. Auch der Abgeordnete Sven Kohlmeier sprach davon, die SPD müsse sich „politisch und personell neu aufstellen“. Parteiintern sind schon länger Zweifel zu spüren, ob der amtierende Landeschef Michael Müller die Partei bei der nächsten Wahl zum Abgeordnetenhaus noch zu einem Erfolg führen kann.

Als mögliche Alternative zu Müller wurde bislang Familienministerin Franziska Giffey gehandelt. Nach Plagiatsvorwürfen zu ihrer Doktorarbeit dürfte Giffey mittlerweile allerdings chancenlos dastehen. Deutlich besser sieht es für Innensenator Andreas Geisel aus. Auch der Vizechefin der SPD-Bundestagsfraktion Eva Högl werden Ambitionen nachgesagt, im Jahr 2021 als Spitzenkandidatin der Sozialdemokraten bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus antreten zu wollen. 

Mit dem Absturz der SPD und den Zugewinnen für die Grünen verschieben sich auch die Gewichte innerhalb der Berliner rot-rot-grünen Koalition. Noch im Jahr 2016 sicherte die damals wesentlich stärkere SPD ihren Koalitionspartnern Linke und Grüne „Augenhöhe“ beim gemeinsamen Regieren zu. 

Nicht einmal drei Jahre später findet sich die SPD gegenüber den Grünen zunehmend in der Rolle eines Juniorpartners wieder. Die Grünen schnitten in Berlin mit 27,8 Prozent besonders stark ab. In acht der zwölf Berliner Stadtbezirke stiegen sie sogar zur stärksten Kraft auf. „Das Ergebnis wird bei den Grünen zu mehr Selbstbewusstsein führen“, so die Prognose von SPD-Chef Müller kurz nach der Wahl. 

Tatsächlich zeichnene sich mit dem  Wahlergebnis Konflikte innerhalb der rot-rot-grünen Koalition bereits ab. Antje Kapek, die Fraktionschefin der Grünen im Abgeordnetenhaus, deutet das Abschneiden bei der Wahl als Auftrag an ihre Partei, in der Klimafrage noch „radikaler“ zu werden.

Auch die Brandenburger SPD hat bei der Kommunal- und EU-Wahl ein Debakel erlitten. Die Sozialdemokraten stellen in der Mark seit 1990 ununterbrochen den Ministerpräsidenten. Auch aus den jüngsten Landtagswahlen im Jahre 2014 ging die SPD als stärkste politische Kraft hervor. Bei der EU-Wahl stürzte die SPD jedoch auf 17,2 Prozent ab und landete nur noch auf dem dritten Platz. Als Sieger ging die AfD hervor. Die CDU wurde Zweiter. 

Auch eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA für die „Bild“-Zeitung spricht dafür, dass der rot-roten Potsdamer Landesregierung bei den Landtagswahlen am 1. September der Verlust der Mehrheit bevorsteht. Die SPD landete mit 19 Prozent nur noch auf Platz 3, hinter AfD und CDU mit jeweils 20 Prozent. Die mitregierende Linkspartei kam auf 18, die Grünen auf zwölf Prozent. 

Bestätigen sich diese Umfragewerte im September, dann wird Brandenburg künftig wohl von einer Dreierkoalition regiert werden. Denkbar ist ein rot-rot-grünes Bündnis, auch eine Koalition von SPD, CDU und Grünen könnte eine Mehrheit im Landtag erobern. CDU-Landeschef Ingo Senftleben hat im vergangenen Jahr allerdings signalisiert, dass für die Brandenburger Union auf der Landesebene auch die Linkspartei als Koalitionspartner in Betracht kommt. Auf dem Landesparteitag der Union schloss Senftleben vor Kurzem eine Koalition mit der SPD unter der Beteiligung des amtierenden Ministerpräsidenten Dietmar Woidke jedoch aus: „Mit Dietmar Woidke kann man keinen Staat machen“, so Senftleben.

Der Fraktionschef der SPD im Landtag, Mike Bischoff, kritisierte diese Festlegung des CDU-Oppositionschefs als „überheblich“ und als Zeichen der Hilfslosigkeit der CDU. Bischoff meinte, Senftleben wolle offenbar mit aller Macht an die Regierung kommen und drehe dabei „kuriose Pirouetten“. Aus Sicht des Fraktionschefs der AfD, Andreas Kalbitz, lässt Senflebens klare Absage an Woidke darauf schließen, dass der CDU-Politiker auf eine Koalition mit Linkspartei und Grünen abzielt.