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07.06.19 / Planlos weiter in die Eskalation / Irans Führung zeigt sich uneins angesichts der Herausforderung durch die USA

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-19 vom 07. Juni 2019

Planlos weiter in die Eskalation
Irans Führung zeigt sich uneins angesichts der Herausforderung durch die USA
Bodo Bost

Teheran hat entgegen dem Atomabkommen seine Urananreicherung massiv erhöht und droht mit weiteren Schritten. Andere Teile der Regierung wollen weiter beschwichtigen. Es mehren sich die Widersprüche und Zersetzungserscheinungen im Iran.

Den Drohungen der letzten Wochen folgen nun Taten. Nach dem Teilausstieg des Iran aus dem Atomabkommen hat die iranische Atombehörde bekanntgegeben, Teheran werde seine Produktion von angereichertem Uran in der Atomanlage Natans vervierfachen. Das von US-Präsident Trump gekündigte Wiener Atomabkommen von 2015 schreibt 300 Kilogramm als Obergrenze seines Vorrats an niedrig angereichertem Uran vor. Überschussmengen sollten zur Lagerung ins Ausland transportiert oder verkauft werden. Dies ist jetzt kaum noch möglich, weil die USA Anfang des Monats begannen, diese Transporte zu blockieren. Nach dem Atomabkommen hätte der Iran sein Atomprogramm komplett einstellen müssen. 

Um eine Atomwaffe zu bauen wird 90-prozentig angereichertes Uran benötigt. Vor der Vereinbarung hatte der Iran die Kapazität, Uran bis zu 20 Prozent anzureichern. In dem Atomabkommen wird eine Obergrenze von 3,6 Prozent gefordert. Offenbar fühlt sich der Iran nicht mehr an die Vereinbarung gebunden. Deswegen hat der Nationale Sicherheitsrat bereits weitere Schritte angekündigt und dies in einem Ultimatum den nach dem US-Ausstieg verbliebenen Vertragspartnern bis Anfang Juli angedroht, falls es diesen nicht gelingen sollte, die Interessen Irans zu sichern. Zu den angedrohten Schritten gehört die Anreicherung von Uran bis auf 20 Prozent, also auf den Stand vor dem Abkommen. Dies wäre ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Bau einer Atombombe. Damit wäre das Atomabkommen faktisch auch vom Iran gekündigt.

Dieses Vorgehen widerspricht offenbar der Behauptung des iranischen Botschafters in London, Hamid Baidinedschad, selbst nach einem ergebnislosen Ablauf der von Teheran gesetzten Frist Anfang Juli das Atomabkommen nicht zu verlassen. Die widersprüchlichen Stellungnahmen lassen vermuten, dass das Land keine klare Strategie verfolgt. Die Führung ist offenbar zerstritten über den Ausweg aus der gegenwärtigen Krise. Der Druck wird auch dadurch erhöht, dass der Iran heute in der Region viel mehr isoliert ist als vor dem Abkommen 2015. Selbst der von einer schiitischen Mehrheit regierte Irak hat den Iran vor weiteren Eskalationsschritten gewarnt. 

Der Iran steckt zudem nach der Wiederaufnahme der Sanktionen durch die US-Regierung und infolge innerer Spannungen in der 

tiefsten Wirtschaftskrise seit der islamischen Revolution vor 40 Jahren, die USA erhöhen den Druck weiter. Die Bemühungen der EU, die US-Sanktionen zu umgehen und mit dem Iran Handel zu treiben, sind ohne Erfolg geblieben. Mit einem Ausstieg aus dem Abkommen würde Teheran auch die EU verlieren. Aber auch ein Festhalten an dem Abkommen würde dem Land kaum Vorteile verschaffen. Diese Auswegslosigkeit, in der sie sich durch die eigene Konzeptlosigkeit manövriert haben, erhöht die Nervosität der Mullahs.

Die widersprüchlichen Signale und das Fehlen einer Strategie offenbaren nicht nur Nervosität, sondern auch eine große Uneinigkeit der iranischen Führung. In Bezug auf das Atomabkommen bestand diese Uneinigkeit von Anbeginn. Die radikale Geistlichkeit, allen voran der Revolutionsführer Ajatollah Sejjed Ali Khamenei, und die Führung der Revolutionsgarden sowie die staatlich kontrollierte Presse waren schon immer gegen das Abkommen. Während die Regierung von Präsident Hassan Rohani das Abkommen als ihren Erfolg verbuchte, legten die Falken ihm von Anfang an Steine in den Weg. Khamenei, der erst nach langem Zögern Verhandlungen mit dem großen „Widersacher“ USA geduldet hatte, lehnt sie mittlerweile wieder kategorisch ab. Diese alten Gegensätze brechen in diesen Tagen, in denen sich die Krise weiter verschärft, wieder neu auf. 

Kampfbereit zeigten sich vor allem die Revolutionsgarden unter dem Oberkommandierenden Hossein Salami. Gerade hatte er der verbündeten libanesischen Hisbollah die Hälfte ihre Märtyrerrenten gekürzt, da warf er den Amerikanern vor, Angst vor dem Tod zu haben und dadurch leicht besiegbar zu sein. Ohne eine Rente für Märtyrer wird auch im Iran wie im Libanon die Suche nach Selbstmordkandidaten schwieriger, dann wird sogar der Einsatz von Todesangst als Waffe schwerer einzusetzen sein. Dennoch bemühen sich andere Teile der Regierung, nicht alle Fäden nach Washington abreißen zu lassen. So bot der moderate Außenminister Dschawad Sarif den USA an, über einen Gefangenenaustausch zu verhandeln, allerdings gibt es noch gar keine Gefangenen. Auch dies ist ein Zeichen der Verworrenheit und dem Panikzustand, in dem sich der Iran offenbar immer mehr befindet.