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07.06.19 / Die Frau an Reuters Seite / In der Eisenacher Riesenvilla hatte sie die Pantoffeln an – Vor 125 Jahren starb Fritz Reuters Frau Luise

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-19 vom 07. Juni 2019

Die Frau an Reuters Seite
In der Eisenacher Riesenvilla hatte sie die Pantoffeln an – Vor 125 Jahren starb Fritz Reuters Frau Luise
Martin Stolzenau/H. Tews

Direkt am Fuß des Hügels, auf dem die Wartburg steht, befindet sich ein Haus, das die Wartburg-Pilger – bei ihrem Abstieg – links liegen lassen. Es gehörte dem niederdeutschen Dichter Fritz Reuter, der 1863 auch auf Drängen seiner Frau Luise einen Tapetenwechsel verordnet bekam und von Neubrandenburg nach Eisenach übergesiedelt war, um seiner Alkoholsucht Herr zu werden.

Um für die große Villa im Neorenaissancestil Platz zu schaffen, ließen die Reuters extra ein Stück Fels wegsprengen. 1868 war das Haus fertig. Lange konnte Reuter sich nicht an dem neuen Heim erfreuen. 1874 starb er dort. Heute ist die Villa sowohl ein Literaturmuseum, das an den Autor von „Ut mine Festungstid“ erinnert – als auch ein Musikmuseum. Im oberen Stockwerk beherbergt es die größte private Wagnersammlung. Der österreichische Wagnerianer Nikolaus Oesterlein eröffnet hier sein Richard-Wagner-Museum mit 20000 Sammlungsstücken, darunter eine handgeschriebene Rienzi-Partitur. 

1895 war das, da war Luise Reuter gerade seit einem Jahr tot. Die Frau an Fritz Reuters Seite wurde am 9. Oktober 1817 als Luise Charlotte Marie Kuntze in Grevesmühlen in Nordwestmecklenburg geboren. Ihren späteren Mann lernte sie kennen, nachdem sie 1844 als Kindererzieherin nach Rittermannshagen nahe Malchin am Kummerower See ging, wo sie die Kinder des Pfarrers Friedrich Johann Augustin betreute. Hier wähnte der Vater, selbst Pfarrer, sie in guter Obhut. 

Die Pfarrersfamilie Augustin war eng mit der benachbarten Familie Rust befreundet, bei der Fritz Reuter angestellt war. So lernten sich Luise und Fritz zwangsläufig kennen. Zwischen beiden funkte es offenbar bald. 1847 kam es zur Verlobung. Am 16. Juni 1851 heiratete das Paar in der Dorfkirche von Roggenstorf unter der Regie von Luises Vater, der dem sozialkritischen Schwiegersohn, der inzwischen in Treptow an der Tollense als Lehrer fungierte, zunächst recht kritisch begegnete. Nach der Heirat wohnte das Ehepaar Reuter im Arbeitsort Reuters rund 15 Kilometer nördlich von Neubrandenburg. 

Da Reuters Einkünfte bescheiden waren, trug Luise durch Klavier- und Französischunterricht zum Unterhalt bei. Der Treptower Freundeskreis beförderte die literarische Arbeit Reuters. Das schlug sich in ersten erfolgreichen Veröffentlichungen wie „Läuschen un Rimels“ nieder. Es folgte „Kein Hüsung“. Das war der Durchbruch, der für Licht am Ende des Tunnels sorgte. 

April 1856 übersiedelte das Ehepaar Reuter für die nächsten sieben Jahre nach Neubrandenburg, wo Ehemann Fritz als freischaffender Schriftsteller weitere Erfolge feierte, endgültig für materielle Sicherheit sorgte und zur deutschen Berühmtheit ge­dieh. Die Palette der Erfolgsprosa reichte von der Kleinstadtsatire „Ut de Franzosentid“ über die autobiografische Erzählung „Ut mine Festungstid“ bis zum Roman „Ut mine Stromtid“, einem Zeitgemälde Mecklenburgs mit „Unkel Bräsig“ als Hauptfigur.

Dazu gesellte sich ein wachsender Kreis von Freunden mit den Brüdern Ernst und Franz Boll. Mittendrin Luise Reuters, die ihrerseits mit Bürger- und Gutsbesitzerfrauen einen regen Ge­dankenaustausch pflegte. Der erhaltene Briefwechsel mit Marie Peters ist dafür ein Beleg und offenbart die damaligen Befindlichkeiten. Dazu gehörte auch ihre Sorge vor der Trinkfreudigkeit ihres Mannes im Kreise seiner Freunde. Auf gemeinsamen Reisen nach Griechenland und Paläs-tina, die man sich nun leisten konnte, überzeugte Luise Reuter ihren Mann deshalb von einem Wohnortwechsel. 

So kam das kinderlose Paar nach Eisenach. Die idyllische Landschaft mit Wartburg und Luthergeschichte gab wohl den Ausschlag. Luise Reuter führte nun Regie. 1868 bezog man die neue Villa im italienischen Stil unterhalb der Wartburg. Nun bildete das Paar für die Wartburgstadt einen neuen Mittelpunkt.

Dank der erfolgreichen Bücher Reuters konnte man sich finanziell alles leisten. Genug Bewunderer umschwirrten die Villa wie die Motten das Licht. Aber Luise achtete darauf, dass keine neuen Trinkfreunde Einzug hielten. Darüber starb der inzwischen be­rühmte Schriftsteller 1874. Seine Frau ließ ihm ein imposantes Grabmal errichten, übernahm recht geschäftstüchtig die Nachlassverwaltung und überlebte ihren Mann um 20 Jahre. Sie starb am 9. Juni 1894 in Eisenach im Alter von 76 Jahren. 

Die Reuter-Villa beherbergt heute das erwähnte „Reuter-Wagner-Museum“. An der Dorfkirche von Roggenstorf erinnert eine Ge­denktafel an die Heirat von Fritz Reuter und Luise Kuntze. Dazu ist ihr ein Gedenkstein nahe der Kirche in Grevesmühlen gewidmet. In Berlin besitzt das „Fritz-Reuter-Literaturarchiv“ zahlreiche Briefe von Luise Reuter. Besuchenswert ist auch das Geburtshaus von Reuter, das frühe Rathaus von Stavenhagen. Hier befindet sich mit dem Reuter-Museum die größte Dauerausstellung zu Leben und Werk des Schriftstellers.