20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
07.06.19 / Die Kirche folgt der Politik mit 20 Jahren Verspätung / Zwei Jahrzehnte nach den beiden deutschen Teilstaaten entstand der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-19 vom 07. Juni 2019

Die Kirche folgt der Politik mit 20 Jahren Verspätung
Zwei Jahrzehnte nach den beiden deutschen Teilstaaten entstand der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR
Wolfgang Kaufmann

Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches wurde als Dachverband der verschiedenen evangelischen Landeskirchen Deutschlands die bisherige Deutsche Evangelische Kirche (DEK), die sogenannte Reichskirche, durch eine neu geschaffene Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) abgelöst. Wie ein Namensvergleich bereits erahnen lässt, verstand sich die EKD als distanzierter gegenüber Staat und Nation. So wie „Kirche im Sozialismus“ etwas anderes ist als eine sozialistische Kirche, ist eine Evangelische Kirche in Deutschland eben auch etwas anderes als eine deutsche Evangelische Kirche. Am 13. Juli 1948 wurde die Verfassung der EKD verabschiedet. 

Mit beteiligt daran waren auch die acht evangelischen Landeskirchen in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ), denn Moskau respektierte deren Autonomie im Wesentlichen. Trotzdem übte der neue Ratsvorsitzende der EKD und Landesbischof von Berlin-Brandenburg, Otto Dibelius, heftige Kritik am System in der SBZ. Die Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) reagierte hierauf ab Juli 1952 mit einem deutlich offensiveren Vorgehen gegen die Kirche als bisher. Dazu gehörte, dass das Ministerium für Staatssicherheit nun Institutionen wie die EKD ins Visier nahm. Allerdings bestand die Ost-Berliner Führung zu der Zeit noch nicht auf der organisatorischen Trennung der evangelischen Landeskirchen in der DDR und der Bundesrepublik. Noch bekannte sich die SED zumindest formal zur deutschen Einheit.

Nach Josef Stalins Tod im März 1953 schlug die SED-Führung den von Moskau geforderten „Neuen Kurs“ ein. Gegenüber der Kirche hieß das, nur noch „reaktionäre Kräfte“ innerhalb derselben zu bekämpfen und die Gläubigen ansonsten in Frieden zu lassen. Doch damit war es dann bereits 1955 wieder vorbei. Nun forderte der DDR-Innenminister Karl Maron explizite politische Loyalitätserklärungen von den Kirchen im Arbeiter-und-Bauern-Staat sowie die Aufgabe der Strategie des „Überwinterns“ in heimlicher Erwartung des baldigen Zusammenbruchs des Sozialismus im Lande. Das blieb allerdings zunächst ohne Erfolg, vielmehr konterten die Kirchen mit den Vorwurf, derartige Aufrufe verstießen gegen die Verfassung der DDR.

Dann kam es im Februar 1957 zu einem Ereignis, das die Position der evangelischen Landeskirchen in Mitteldeutschland entscheidend schwächte. Im Namen der EKD unterzeichneten Dibelius und der Präsident der EKD-Kirchenkanzlei, Heinz Brunotte, gemeinsam mit Bundeskanzler Konrad Adenauer und Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß einen Vertrag, der die evangelische Militärseelsorge in der Bundeswehr regelte. Deswegen betitulierte die SED-Führung Dibelius fürderhin als „NATO-Bischof“ und begann Druck auf die acht evangelischen Landeskirchen in der DDR auszuüben, den gemeinsamen Dachverband mit der „Militärkirche“ in Westdeutschland zu verlassen. Das zeitigte zwar immer noch keine Konsequenzen, jedoch sprachen sich bald zunehmend mehr Kirchenvertreter in der DDR gegen den sogenannten Militärseelsorgevertrag aus und drosselten ihre Kritik am Sozialismus. Außerdem brach die Staatsführung in Ost-Berlin nun sämtliche Beziehungen zur EKD ab.

Ein weiterer Meilenstein auf dem Wege der Spaltung der evangelischen Kirche in Deutschland war der Bau der Berliner Mauer im August 1961. Nunmehr musste die EKD in allen möglichen Bereichen organisatorisch umsteuern. Beispielsweise wurde es erforderlich, den Cottbuser Generalsuperintendenten Günter Jacob zum nebenamtlichen Verwalter des Bischofsamtes in der Ostregion der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg zu ernennen, da Dibelius nicht mehr einreisen durfte. Ebenso entfielen die gemeinsamen Tagungen der Synodalen, also der Angehörigen der EKD-Selbstverwaltung.

Für den endgültigen Bruch sorgte schließlich das Inkrafttreten der neuen, dezidiert „sozialistischen“ Verfassung der DDR im April 1968. Nun galten sämtliche Institutionen im Lande, die wie die EKD auch jenseits der Grenzen des SED-Staates verwurzelt waren, de facto als illegal. Deshalb sahen sich die Kirchenleitungen im Machtbereich Ost-Berlins im Juni 1968 gezwungen, eine gemeinsame Strukturkommission zwecks Erarbeitung des Entwurfes der Ordnung eines Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR (BEK) einzusetzen. Letzterem stimmten bis Mai des Folgejahres sämtliche Landessynoden zu. Damit stand der formellen Gründung des BEK zum 10. Juni 1969 nichts mehr im Wege. 

Die offizielle staatliche Anerkennung der neuen Dachorganisation erfolgte nach der Ablösung des bisherigen Partei- und Staatschefs Walter Ulbricht durch Erich Honecker im Juni 1971. Zu diesem Zeitpunkt galt auch schon die Formel von der „Kirche im Sozialismus“, die auf den Thüringer Landesbischof Moritz Mitzenheim zurück­geht, der wegen seiner besonderen Loyalität gegenüber dem SED-Regime verschrien war. Späterhin drückte sich Albrecht Schönherr, der erste Vorsitzende des BEK, auf einer Synode des Bundes noch deutlicher als der „Rote Bischof“ aus: „Wir wollen Kirche nicht neben, nicht gegen, sondern im Sozialismus sein.“

Wie Schönherr, der maßgeblichen Anteil an der Gründung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR hatte, im Juni 1990 einräumte, bestand der entscheidende „Geburtsfehler“ dieser Organisation darin, dass sie weitestgehend auf dem Wege der „Geheimdiplomatie“ entstanden war und somit das Werk einiger weniger Kirchenoberer darstellte. Das heißt, die kirchliche Basis wurde übergangen und erhielt so gut wie gar keine substantiellen Informationen über das Vorhaben. Damit sorgten Schönherr und dessen Mitstreiter genauso wie mit ihrem Bekenntnis zur „Kirche im Sozialismus“ und dem späteren Kungeln mit den SED-Oberen für eine tiefe Entfremdung zwischen den einfachen Gläubigen und der Kirchenführung. 

Und die wiederum gehörte zu den wesentlichsten Ursachen für den drastischen Rück­gang der Zahl der evangelischen Christen in der DDR. Während 1949 noch acht Zehntel der Bevölkerung in Mitteldeutschland einer lutherischen oder reformierten Kirche angehörten, sank die Quote bis zum Revolutionsjahr 1989 auf deutlich unter 30 Prozent. Insofern kann die Geschichte des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR schwerlich als Erfolgsgeschichte bezeichnet werden.