19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
14.06.19 / Die Rückkehr von Thron und Altar / In Deutschland macht sich die Amtskirche zusehends wieder zum Büttel der Herrschenden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-19 vom 14. Juni 2019

Die Rückkehr von Thron und Altar
In Deutschland macht sich die Amtskirche zusehends wieder zum Büttel der Herrschenden
Erik Lommatzsch

Früher kritiserten die Linke und die 68er die Staatsnähe der Amtskirchen und deren Wahlempfehlungen. Inzwischen kommen sie in zunehmendem Maße selber in deren Genuss.

Bernhard Vogel, ehemaliger Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Thüringen, hat 2011 in einem Interview bedauert, dass es keine bischöflichen Hirtenbriefe mehr gebe, die den Gläubigen sagen, was sie zu wählen haben. Vogel wünschte sich ausdrücklich kirchliche Unterstützung für seine Partei, die CDU. Diese Praktiken, ein direktes Eingreifen der Kirchen in den Wahlkampf in Form einer entsprechenden „Empfehlung“, natürlich im Sinne der Unionsparteien, war noch in den Anfangsjahren der Bundesrepublik gang und gäbe. Zwischenzeitlich galt dies als überlebt oder sogar – zu Recht – als verpönt. 

Wer nun geglaubt hat, Altpolitiker Vogel sei mit seinem im wahrsten Sinne des Wortes frommen Wunsch aus der Zeit gefallen, wurde vor allem bezüglich der Wahlen vom 26. Mai eines Besseren belehrt. Hochrangige Vertreter der Amtskirche scheuten sich nicht, durch unmissverständliche Aufforderungen Wahlkampf zu betreiben. Im Unterschied zu früher wurde allerdings nicht für eine politische Gruppierung geworben, sondern explizit zur Nichtwahl einer bestimmten Partei, der AfD, aufgerufen. Verbal geschah dies in einem Kampfton, von dem die Profis in den Parteizentralen durchaus noch hätten lernen können.

Unmittelbar am Wahltag nahm der Kölner Erzbischof, Rainer Maria Kardinal Woelki, im Domradio wie folgt Stellung: „Selbstverliebte, nationalradikale Sprücheklopfer, die nationale Alleingänge planen und zwar viel vom Volk reden, ihm aber letztlich nicht dienen wollen, die sind für mich keine Alternative.“ Vieles, etwa der „Klimaschutz“, könne nur solidarisch geregelt werden. 

Dass „klare Meinungsmache“ kurz vor Wahlen ein Punkt ist, den auch führende Politiker argwöhnisch beobachten, bis hin zu Überlegungen, derartige Äußerungen einzuschränken, hat die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer in einer Stellungnahme am Tag nach der Wahl gezeigt. Allerdings meinte sie nicht die AfD-verdammenden Kirchenvertreter, sondern „Rezo“, der in seinem vielgesehenen Video gegen die CDU gewettert hatte. 

Woelki, der dem größten deutschen Bistum vorsteht, hatte mit seiner Äußerung allerdings nur den Schlussstein von katholischer Seite gesetzt. Ebenfalls über das Domradio hatte der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, zur Europawahl aufgerufen. Eine Wahlempfehlung seitens der Kirche gebe es zwar „zum Glück“ nicht mehr, aber man dürfe warnen. Radikale Parteien von links und rechts seien eine Gefahr für die Demokratie. Sternberg konzentrierte sich in seinen weiteren Ausführungen allerdings auf die „Gefahren“ von rechts. Er betonte, mit nationaler Politik könne man nicht mehr operieren. Den europäischen Gedanken sehe er durch „rechtspopulistische Bewegungen“ bedroht. „Deshalb warnen wir ganz offen davor, eine rechtspopulistische Partei wie die AfD zu wählen.“

Die protestantische Kirche steht dem kaum nach. So hat die Kirchenleitung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens eine „Orientierungshilfe zum Umgang mit politischen Parteien“, erarbeiten lassen. In Sachsen stehen nach den Europa- und Kommunalwahlen im September zusätzlich noch Landtagswahlen an. Betont wird in der „Orientierungshilfe“, dass sie als „Angebot“ und „keinesfalls als Wahlempfehlung“ verstanden werden wolle. Zu lesen ist, dass sich in Sachsen „politische Entfremdungs- und Polarisierungsprozesse in besonderer Weise“ verdichteten. „Hohe Zustimmungswerte zur AfD, die Dauerhaftigkeit der Pegida-Proteste in Dresden sowie zahlreiche fremdenfeindliche Vorfälle“ hätten Sachsen „in den vergangen Jahren immer wieder in den Fokus … medialer Berichterstattung gerückt“. 

Was bei der Wahl am 26. Mai besonders deutlich geworden war, die direkte Einmischung der Kirchen in politische Fragen, erlebt in Deutschland seit kurzer Zeit eine regelrechte Renaissance. Die Vorgänge sind zumindest als grenzwertig zu bezeichnen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, sagte Anfang des Jahres, die Rede vom „christlichen Abendland“ sei „vor allem ausgrenzend“. Es sei eine „große Herausforderung, in Europa dafür zu sorgen, dass verschiedene Religionen mit jeweils eigenen Wahrheitsansprüchen friedlich zusammenleben“. Der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Markus Dröge, ließ sich im März in einem „Zeit“-Interview mit dem Satz zitieren: „Ich möchte den Christen in der AfD sehr scharf ins Gewissen reden.“ In dem Gespräch ging es um Dröges Vorhaben, die politische Einstellung der Gemeinderäte zu überprüfen. In seiner Bischofskirche gebe es ein Mitglied, das „tief in der AfD verankert“ sei. Es sei geprüft worden, „ob der sich menschenfeindlich geäußert hat“. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, hatte kurz vor Weihnachten 2018 betont, dass Aussagen der AfD-Spitze „im tiefen Widerspruch zum christlichen Glauben“ stünden. Öffentlichkeitswirksam besuchte Bedford-Strohm Anfang Juni die Besatzung eines „Seenotrettungsschiffs“ in Sizilien und erhob konkrete politische Forderungen. „Mechanismen“ seien zu etablieren, sodass klar sei, „wenn Boote mit Flüchtlingen kommen …, dann werden sie verteilt in verschiedene Städte und Orte Europas, wo sie sicher leben können.“

Das derzeitige Gebaren der Kirchenvertreter zeigt, dass sich deren Selbstverständnis erheblich verschoben hat. Dass das kirchliche Amt neuerdings wieder genutzt wird, um politischen Einfluss zu nehmen, ist im säkularen Staat mehr als bedenklich.