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14.06.19 / Weder etabliert noch AfD / Freie Wählervereinigungen gewinnen an Terrain

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-19 vom 14. Juni 2019

Weder etabliert noch AfD
Freie Wählervereinigungen gewinnen an Terrain
Erik Lommatzsch

Auf dem eigenen Internetauftritt läuft zurzeit in Dauerschleife die Aussage: „Zwölf Prozent der Wähler können sich vorstellen, die ,Freien Wähler‘ bei der nächsten Landtagswahl in Sachsen zu wählen.“ Die Zahl stammt aus einer Umfrage vom April. Der arg ungelenk formulierte und wenig kämpferische Satz täuscht über die gar nicht so unrealistischen Ambitionen der Gruppierung hinweg.

Die Stärke der Wahlvereinigungen, die neben den auf Bundesebene aktiven Parteien antreten, hat sich unlängst wieder in Sachsen bei der Kommunalwahl am 26. Mai gezeigt. In Colditz verteidigte beispielsweise die „Freie Wählervereinigung ,Für unsere Heimat‘“ im dortigen Stadtparlament ihre Mehrheit. Acht Sitze konnten errungen werden. Die „Bürgerinitiative Colditz“ kam auf drei Sitze, das neuformierte „Bündnis Zukunft“ auf fünf. Lediglich FDP und Linke erhielten jeweils noch ein Mandat, alle anderen gingen leer aus. Auch im Gemeinderat von Naundorf sitzen künftig ausschließlich Kandidaten freier Wählervereinigungen.

Hohe Stimmenzahlen sind, abseits der größeren Städte, in Sachsen keine Seltenheit. Hier sehen die „Freien Wähler“, die bei der am 1. September anstehenden Abstimmung erstmals in den Landtag streben, ihr Potenzial. Nach den Worten von Antje Hermenau, die einst Grünen-Fraktionschefin in Sachsen war und sich nach ihrem Bruch mit der Partei nun für die „Freien Wähler“ engagiert, handelt es sich um eine „Anders-Partei“. Matthias Berger, langjähriger parteiloser Bürgermeister der Stadt Grimma, sieht sie als „Antithese zur AfD“. Ganz klar im Auge hat man den eher bürgerlichen Wähler, der den langjährig etablierten Parteien seine Stimme nicht mehr geben mag, seine Vorstellungen allerdings auch nicht durch die AfD repräsentiert sieht, und der seine positiven Erfahrungen mit erfolgreicher Lokalpolitik unabhängiger Bündnisse nun auf die Landesebene übertragen könnte.

Als Spitzenkandidatin wurde am 1. Juni Cathleen Martin nominiert, die nach mehreren Jahren bei der Mordkommission gegenwärtig Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft ist. Auch ein „gemeinsames Rahmenprogramm“ der „Freien Wähler“ liegt inzwischen vor. Betont setzt man sich von den Parteien ab und betrachtet sich als „Bürgerbewegung“. Der Einzelne solle stärker in Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Unideologisch tolerant sei man. Zu lesen ist auch, dass das Christentum über Jahrhunderte unser Denken und Handeln geprägt habe. „Es ist unser kulturelles Erbe“. Ob Formulierungen wie „Wir dröhnen Sie nicht mit eigenen Ansichten zu, sondern setzen auf das friedfertige Gespräch und klare Vorstellungen vor Ort, was zu tun ist“, die auf der Homepage zu finden sind und Offenheit demonstrieren sollen, jedermann ansprechen, sei dahingestellt. 

Seit letztem Jahr regieren die „Freien Wähler“ in Bayern mit. Die abgestürzte CSU brauchte dringend einen Koalitionspartner. Besonders spannend wird es nun in Sachsen. Hier gilt ein hohes AfD-Ergebnis als sicher. Die anderen Parteien schließen ein Bündnis mit dieser Partei bereits im Vorfeld kategorisch aus. Aufgrund der zu erwartenden Stimmenverteilung müsste dann eine Koalition aus vier Partnern gebildet werden. Gelangen die „Freien Wähler“ tatsächlich in den Landtag, könnte ihnen sofort eine Schlüsselrolle in der sächsischen Politik zukommen.